ziggev (Gast) - 8. Feb, 20:10

Zu bersarins Kommentar, den ich jetzt erst las: nach Netbitchs Beitrag musste ich auch an "Den Simplizissimus" denken, genauer aber an :


"Der Abentheuerliche SIMPLIZISSIMUS Teutsch

Beschreibung deß Lebenseines
eines seltzamen Vaganten / genannt Melchior Sternfels von Fuchsheim / wo und welcher gestalt Er nemlich in diese Welt gekommen / was er darin gesehen / gelernt / erfahren und außgestanden / auch warumb er solche wieder freywillig quittiert.

Überauß lustig / und männiglich
zugleich zu lesen.
An Tag zu lesen von GERMAN SCHLEIFHEIM"

Mir liegt eine stark mudartliche Fassung mit allerdings kürzerem (wohl gekürztem) Titel vor, die ich jedenfalls der lieblos gemachten Dünndruckausgabe vorziehe.

Vor einem Jahr (oder zwei?) brachte ja der Eichborn Verlag eine Art "Neuüberstzung" heraus; die überschwänglich gelobt und, wie ich vermute, weit öfter zu Weihnachten verschenkt als gelesen wurde.

Wieder witzig, jetzt ist es die an heutigen Maßstäben gemessen hervorragende Überarbeitung, die allseitig gelobt wurde, welche aber niemand gelesen hat. - Bei Lindgren waren es die fiktiv glücklichen Kindheitstage.

@ clair(e) de lune bzw. Mely Kiyak:
Es ist vielleicht etwas ungerecht Lindgren gegenüber, aber sie hat sich in ihr eigene idyllische Kindheit zurückgeträumt, während WW II. tobte und mit dem unehelichen Sohn ohne Ausbildung eben nicht zusammen in Stockholm, und später der Tochter, wieder vom Chef, diese ihnen gerade nicht geben konnte. Der Tochter zufolge wurde die Geschwister durchaus zu Disziplin erzogen.

Ihre legendäre Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, Niemals Gewalt!, zuerst abgelehnt, wurde zwar zum Skandal, und Pipi Langstrumpf, ich glaube 1949 erschienen, setzte sich wohl ziemlich von der deutschen Nachkriegskinderliteratur ab und setzte in Deutschland Maßstäbe, - aber gleichwohl traf hier die Lindgrensche Idylle und abenteuerhaft anarchistische Kindheit auf das deutsche Bedürfnis nach Verdrängen. Lindgren ist ja geradezu von den Deutschen adoptiert worden, hierzulande so erfolgreich wie nirgends sonst außer in Schweden. Aus 70 Texten seien über 1.100 Ausgaben in den unterschiedlichsten Medien geworden. (Buchquelle unten)

Auf (elterlicher) Rezeptionsseite vermutete ich da schon einmal Kompensationsbedürfnisse, und es ist immer etwas seltsam, wenn Eltern Kindern deren Anachrchismus erkären wollen. Seit ich nicht mehr an den Weihnachtsmann glaube, glaube ich jedenfalls auch nicht mehr an den die Villa Kunterbunt und Takkatukka-Land. Erst später, als mir schmerzlich bewusst zu werden begann, dass die Kindheit nun wohl vorbei sein müsse, fing ich mich wieder an, für Pipi langstrumpf zu interessieren.

Meine Quellen, hier,

www.youtube.com/watch?v=QyQE7Csg8vQ

und hier, http://books.google.de : "Astrid Lindgren. Ein neuer Blick: Kinderkultur, Illustration"

Insofern fand ich Mely Kiyaks Diagnose gar so überraschend nicht. Außerdem, so hatte ich mich nach 100 Jahren Lindgren (den Video sah ich damals im TV) gefragt, warum kann die so ein ausgezeichnetess Deutsch. In Schweden so selbstverständlich? Ein seltsames Sich-ineinander-Spiegeln und Einander-Bedingen: Diese harten, meist sportlichen Frauen meiner Eltern- und Ureltern-Generation - und dieses romantische Verklären der wilden Kindheit, wie Kinder zu sein hätten.

Es wurde allerdings (im Video) 2007 die "original"-Pippi - "über 60 JAhre unter Verschluss" - herausgebracht; in Wirklichkeit sei die noch viel anarchistischer gewesen!

Eva Berendsen in der FAZ vom Mittwoch, 16. Januar 2013, die ich bei mir kurz zitierte, zkizziert dort kurz die Entwicklung der Cultural Studies (die ich sonst eher lediglich vom Namen her kenne) in den USA: Wichtig sei vor allem die Beschäftigung mit mehr oder weniger offen rassistischen Texten gewesen; sie hätten, so das Ergebnis der Forschungen, zuerst die Funktion gehabt, das weiße, koloniale Subjekt zu konstruieren, ich hatte den Eindruck: mehr erst zu erschaffen.

Also doch wieder Argumente für den Negerkönig, den ich mir illustriert selbstverständlich immer als einen Schwarzen vorgestellt hatte, irgendwo unter Palmen, denn die sommersprossige Pippe ist schließlich eine traurige Lügnerin, die 1949 keinen Vater hat, und wenn schon, dann weit weg, mindestens einen Piratenhäuptling, eben unter Palmen. Und Eltern, die ihren Kindern Geschichten vorlesen, dürfen schon mal schummeln oder schwindeln. Ab Besten gleich alles frei aus dem Stehgreif erfinden!

ziggev (Gast) - 8. Feb, 20:19

ach, ja noch kurz

Als ich dann irgendwann einmal Gullivers Reisen im Original las, war ich einigermaßen entsetzt, wie für die weniger Gebildeten die Schilderung dieser Reise als ein mehr oder weniger albernes bebildertes Kinderbuch erscheinen musste. Es seien auch an Disney Alice in Winderland Versionen etc erinnert. Sowas tötet dóch Kreativität eher ab, oder nicht?
ziggev (Gast) - 8. Feb, 20:44

sorry, noch n Nachtrag ...

... und dann die ganzen skandinavischen Namen in den 60ern u. 70ern! Björn, Torben und wie sie alle hießen. Irgendwie ja noch es tut weh es auszusprechen, "nordisch". Toll dann natürlich der Text: "Annika steht auf die Sechziga, das war die Beste Zeit, ........." (kennt jemand die Urheber - oder war das das Machwerk einer vergessenen Studi-Band aus den 90ern? ;-)
che2001 - 10. Feb, 19:18

Alter Schwede!

Die waren aber nordisch by nature im Original. Die Skandinavier konnten ja nichts dafür was die Nazis für einen Schindluder mit nordischer Mythologie trieben.
ziggev (Gast) - 11. Feb, 01:37

ja, genau! "ziggev" ist selbstverständlich nicht mein 'natural born' Name, er hat was mit Tillman zu tun, und ich musste erst die lange Reise nach Liverpool antreten, um zu erfahren, wie es um das ethymologische 'origin' meines Vornames bestellt ist. Dort wurde mir von den dortigen Schauspielprofessoren recht unumständlich, halt die typische engliche Art, erklärt, dass sich mein name von "Tillermen" (ein beachteswertes Albumk von Caf Stevens"´) abkeitete, das sind Leute, die das Feld umgraben.

Nicht nur deshalb, ich liebe die Leute in Liverpool einfach !!
che2001 - 12. Feb, 17:02

Wobei Liverpuddlian auf Deutsch übersetzt etwa Leberbeckenwerker heißt.

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