stefanolix - 10. Sep, 14:30

Gefangene

Wenn in dem Artikel schon die Aussage gestanden hätte, dass es sich bei den RAF-Gefangenen um inhaftierte Mörderinnen und Mörder und nicht einfach um normale Gefangene oder Entführungsopfer(1) handelte, wäre ich nicht so darauf eingestiegen. Der heutige Kommentar ist in dieser Hinsicht klarer und eindeutiger -- vielen Dank dafür.

Trotzdem: es gab ja auch Entführungsopfer der RAF und diese Menschen würde ich eher mit Natascha Kampusch vergleichen.

Die psychologischen Probleme der ehemaligen Terroristen kommen IMHO auch aus der Schuldbewältigung, wie ich dort schon geschrieben habe. Im Gegensatz dazu muss sich das entführte Mädchen während der Gefangenschaft nicht mit seinem Gewissen herumschlagen.

Wie man in den Kommentaren beim Antibürokratie-Team lesen kann, traten Kommentatoren auch für eine rechtsstaatliche und korrekte Behandlung der Straftäter ein. Der verlinkte "taz"-Artikel zeigt, dass der Staat da in beide Richtungen große Fehler gemacht hat: einmal gab es zu viele Freiheiten und Privilegien, dann wieder eine zu strenge Behandlung. Beides ist nicht rechtsstaatlich.

Ich denke, wenn wir hier eine Idealvorstellung der Haftbedingungen (es geht ja um 15 und mehr Jahre) entwickeln würden, lägen wir nicht so weit voneinander entfernt. Ich habe übrigens vor längerer Zeit auch schon einmal in einem Kommentar darüber nachgedacht, wie die Gesellschaft eigentlich mit Straftätern umgeht, die ihre Strafe abgesessen haben, aber in dauerhafter Sicherungsverwahrung gehalten werden müssen. Auch das sind Menschen und ich fürchte, auch da ist einiges zu hinterfragen.

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(1) In einer Randnotiz wäre hier vielleicht daran zu erinnern, dass die RAF damals die Opfer einer Flugzeugentführung nach dem Kriterium "Juden" oder "Nichtjuden" selektiert hat.

che2001 - 10. Sep, 15:44

Moment mal, Stefanolix. Nicht die RAF hat die Opfer einer Flugzeugentführung nach dem Kriterium "Juden" und "Nichtjuden" selektiert, sondern die Volksfront zur Befreiung Palästinas - Generalkommando hat die Geiseln eines nach Entebbe entführten Flugzeugs nach der Staatsbürgerschaft selektiert, d.h. die israelischen Geiseln vom Rest getrennt, was durch deutsche Mitglieder des Kommandos erfolgte, die zu den Revolutionären Zellen (RZ) gehörten.
Israelis, die zu den Shoah-Überlebenden gehörten, erlebten dies subjektiv als zweite Selektion an der Lagerrampe.

Nachdem bei der Befreiung der Geiseln durch ein israelisches Sonderkommando alle RZ-Mitglieder den Tod fanden, löste dies einen Diskussionsprozess auf, an dessen Ende die RZ der Gewalt gegen Menschen grundsätzlich abschworen und sich auf Sprengstoffanschläge gegen Sachen beschränkten, bei denen niemand verletzt werden konnte.


Du äußerst Mitleid für Schleyer als Entführungsopfer. Also, abgesehen davon, dass ich die RAF-Attentate grundsätzlich ablehne, von der moralischen Frage abgesehen das Ganze äußerst kontraproduktiv für die radikale Linke war und dieser die Sympathien verscherzte, die sie damals in weiten Teilen der westdeutschen Bevölkerung hatte, für Schleyer als Person hält sich mein Mitgefühl in engen Grenzen. Schleyer war in der NS-Zeit ein fanatischer Judenhasser gewesen, der seine eigene Studentenverbindung verbieten ließ, weil diese sich weigerte, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen, er war in der Verwaltung des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren für die Arisierung jüdischen Eigentums verantwortlich gewesen, und es bleibt ein Skandal, dass ein solcher Mann in der Bundesrepublik Deutschland zum Boss der Bosse aufsteigen konnte. Mit einem Gero von Braunmühl, einem Private Pimental oder dem MTU-Manager Zimmermann habe ich Mitleid, wie auch mit Linken, die als angebliche RAF-Leute unter die Räder der Justiz gerieten, ohne wirklich dabei zu sein, wie Peter Paul Zahl, Holger Deilke und Ute Hladki, aber nicht gerade für ihn. Im Übrigen war das damals wirklich eine hysterische Zeit. Als Bundeskanzler Helmut Schmidt die Mitglieder des Krisenstabs bat, unkonventionelle Vorschläge zur Lösung der Krise zu machen, schlug Franz Josef Strauß vor "jede Stunden einen (RAF Häftling) erschießen", ein junger Mann wurde beim Betreten einer Bank erschossen, weil er einen Atomkraft-Nein-Danke-Sticker trug und für einen Terroristen gehalten wurde, und nach der Nacht von Stammheim verbrannten die Eltern links orientierter Jugendlicher die Marx-Ausgaben ihrer Kinder ostentativ auf dem Balkon. Der Buback-Nachruf, in dem zwar von "klammheimlicher Freude" bei der Nachricht vom Tod Bubacks die Rede war, der aber in einem Aufruf gegen die Mordanschläge endete, gab Anlass zur Verfolgung aller, die diesen Text weiterverbreiteten. Diese Repressionsmaßnahmen zerstörten das Leben des Professors Peter Brückner, der sich weigerte, eine Distanzierung von diesem Text zu unterschreiben, zu der von Staats wegen Hochschullehrer genötigt worden. Im Stern erschien damals ein Artikel, in dem über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachgedacht wurde. Das war Deutschland im Herbst 1977.
stefanolix - 10. Sep, 17:36

Die Entführung dieses Flugzeugs durch palästinensische Terroristen und deutsche Mitglieder der Revolutionären Zellen sollte aber der Freipressung von RAF-Teroristen und von Terroristen aus der "Bewegung 2. Juni" dienen. Meine Aussage oben ist also wirklich nicht korrekt, aber ein ziemlich enger Zusammenhang zur RAF ist vorhanden. Ich hatte heute einen F.A.S.-Artikel von Rafael Seligman gelesen, in dem stand: "Als deutsche Terroristen 1976 die jüdischen Passagiere einer Air-France-Maschine [...] selektierten ..." und ich hatte mich an die Forderungen nach Freilassung inhaftierter Terroristen erinnert. OK. Das nächste Mal schlage ich in weiteren Quellen nach.

Deine Behauptung zu Schleyer ("fanatischer Judenhasser") werde ich deshalb in den nächsten Tagen weiterverfolgen und mich auch aus anderen Quellen informieren. Auch mit dem Buback-Aufruf, den Reaktionen und der Zeit danach werde ich mich gern gründlicher befassen. Vielen Dank für die Anregungen. Aber bei meiner Meinung zum Artikel bleibe ich trotzdem.

Trotzdem: Ihr verlangt vom Staat, dass er hohen Ansprüche an die Behandlung der RAF-Gefangenen genügen soll. Ihr geht aber zu wenig darauf ein, wie die RAF-Terroristen mit ihren Opfern umgegangen sind. Selbst wenn Schleyer wirklich ein fanatischer Judenhasser gewesen wäre, rechtfertigte das nicht die Entführung, Folter [ja, das war nach den heutigen Maßstäben Folter!] und Ermordung. Darin sind wir uns doch hoffentlich einig?

Interessant an der Begebenheit bei der Flugzeugentführung ist ja, dass unter den Terroristenkollegen und RAF-Unterstützern ganz offensichtlich fanatische Judenhasser waren. Da würde man sie nicht unbedingt erwarten, oder(?)

@Netbitch, Che2001: Vielen Dank für die Diskussionsmöglichkeit, eine gute Woche und bis bald.

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