istflut (Gast) - 9. Nov, 14:02

@"... z.B. der Positivismusstreit hatte zum Ausgangspunkt, dass positivistisch-naturwissenschaftliche Axiome sich eben nicht auf Gesellschaftswissenschaft übertragen lassen."

Hm, es wird immer Naturwissenschaft mit Positivismus gleichgesetzt, was falsch, jedenfalls in Teilen falsch ist. Es gibt schon seit Ewigkeiten nicht-positivistische Naturwissenschaft, nämlich den Fallibilismus. Sich auf Beweise, Beweis- und Überprüfungsmethodologien zu berufen, heißt noch lange nicht, Positivist zu sein. Der Logische Positivismus z.B. des A.J. Ayer, dessen 'Language, Truth, and Logic' für viele Englischsprachige den (Logischen!) Positivismus repräsentiert, ist Geschichte. Er selbst erklärte auf die Frage, was - rückblickend - die wirklichen Unzulänglichkeiten jener Bewegung gewesen seien: "Well, I suppose most of the defect is that it all was false!"; Popper (Falsifikation) erklärte den (Logischen!) Positivismus für tot.

Es ist mMn nicht erforderlich, sich in solche "esoterischen" Gebiete wie die Quantenmechanik vorzuwagen, um auf "nicht-positivistische" Naturwissenschaft zu stoßen. Als Sozialwissenschaftler so zu argumentieren, ließt sich fast so wie die ironische Spiegelung oben von netbitch, die john dean zuerst missverstanden hatte. Und Selbst die Quantenphysiker betreiben stinknormale experimentelle Forschung: "Huch, schau hin, das Teilchen ist dahinten rausgekommen bevor es abgeschossen wurde. Da müssen wir wohl mal unsere Annahmen, Modelle, Überprüfungsmethodologien, Hypothesen, Experimente, je nach dem, überprüfen!"

In den Sozialwissenschaften hat sich der Begriff sicherlich mit einiger Berechtigung gehalten, "positivistisch", "Positivismus", letzterer eben als -ismin den Sozialwissenwschaften, die fälschlicherweise(?) Axiome aus der Naturwissenschaft oder gar "Tatsachen", ohne deren epistemologische Brauchbarkeit zu hinterfragen, übernehmen. Es besteht offenbar – Positivismusstreit – die Notwendigkeit, sich abzugrenzen bzw. gewisse Theorien innerhalb der eigenen Disziplin zu kennzeichnen. So scheint mir der Begriff alos gerechtfertigt.

Wir begegnen hier im thread aber wieder jenem Phänomen, dass Begriffe seltsam unscharf werden. Der Logische Positivismus schlägt vor, die Bedeutung von wissenschaftlichen Sätzen als die experimentellen Bedingungen oder Beobachtungen, die ihre Wahrheit verifizieren, zu verstehen. Mach war Positivist, Comte war Positivist, doch hatte Mach wahrscheinlich mehr mit Husserl gemeinsam als mit Comte, und sicherlich noch mehr gemeinsam mit James. Wird angenommen, jemand sei Positivist, wissen wir recht wenig, denn der Positivismus besteht eher als eine Menge von Traditionen, die z.T missverständlich, z.T. in intellektuellem Einvernehmen mit einander verbunden werden. Ansonsten scheint das Wort "Positivismus" überwiegend von Postmodernen, Dekonstruktivisten und der Frankfurter Schule verwendet zu werden als ein Wort, das jenen, den gescheiterten Zweig der Tradition der Aufklärung repräsentiert; es ist das 'Andere' geworden, welches, wie wir alle wissen, falsch ist, ohne zu wissen, was es ist. – Jedenfalls fast nie von denen, die gemeint sind, denn die gibt es gar nicht mehr, oder sie würden versuchen, sich einer genaueren Terminologie zu befleißigen.

John Dean (Gast) - 9. Nov, 17:01

Das ist einfach Sozialisation, die Rollen für Männer und Frauen bestimmt, und eben gerade keine Unterdrückung oder Hierarchie eines durch das andere Geschlecht. (Claire/Georgi)
Ähem: Sind es nicht auch Unterdrückungs- bzw. vorwiegend Unterdrückungsmechanismen, welche Sozialisationsmuster bestimmen, lenken bzw. beeinflussen??

@ Istflut

Ich fürchte, eine wissenschaftsmethodologische Diskussion ist hier (und anderen Politblogs) in etwa so sinnvoll wie ein jahrelanges Studium der Wissenschaftstheorie durch den wissenschaftlichen Praktiker.

Weil: Am Ende kommt es darauf an, was hinten heraus kommt.
;-)

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