8
Dez
2008

Die Akropolis-Intifada

Es zeichnet sich ab, dass die Unruhen in Griechenland mehr sind als nur Autonomen-Krawalle und Reaktionen auf Polizeiübergriffe. Nicht der Vergleich mit den Aktionen nach den Toden von Günter Sare, Conny Wessmann oder Klaus-Jürgen Rattay ist angemessen, auch nicht mit dem Riot in Los Angeles nach der brutalen Mißhandlung von Rodney King, sondern eher schon mit dem Pariser Mai oder dem, was in den Achtzigern so in Palästina abging. Nach etwa zwanzig Jahren, in denen in Westeuropa die Klassenfrage als nicht mehr zu stellen, zumindest aber als nicht mehr massenwirksam auf die Straße zu tragen galt, genügen wenige Wochen Finanzkrise, um in einem alten EU-Staat den sozialen Aufstand auf die Tagesordnung zu bringen. Wenn die Krise zu einer globalen Rezession führt, was passiert dann in ein paar Monaten? Wird die Revolution wieder eine Sache des Möglichen?


http://www.elo-forum.org/news-diskussionen-tagespresse/32649-todessch%DCsse-jugendlichen-schwere-krawalle-ersch%FCttern-griechenland.html#post337869

http://www.focus.de/panorama/welt/ausschreitungen-griechenland-im-schockzustand_aid_354296.html

http://derstandard.at/?url=/?id=1227288049893

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che2001 - 9. Dez, 13:53

Ich gebe Dir ja völlig Recht, aber zur "Akropolis-Intifada" fällt mir jetzt der Grillteller "Al Aqsa" ein ;-)

netbitch - 9. Dez, 16:53

Ja, in zwei Varianten, halal und koscher :-))
noergler - 10. Dez, 20:27

Im Pariser Mai '68 waren die Arbeiter dabei. Fabriken wurde nicht bloß bestreikt, sondern besetzt. Viel fehlte nicht, und es wäre zur Bildung von Arbeiterräten und der Selbstorganisation der Produktion gekommen.
Von alledem sehe ich in Griechenland nichts. Insoweit scheint mir der Vergleich nicht zutreffend. Aber selbst wenn: In Frankreich hat es nicht gereicht, nichtmal die Novemberrevolution 1918 hat gereicht, die um Lichtjahre weiter war, als jener Mai.

Wenn irgendwelche Gruppen ihrem – berechtigten – Unmut über Mißhelligkeiten des Werkeltags heftigen Ausdruck verleihen, weil der Kapitalismus gerade mal noch mieser ist als sowieso schon, dann trage ich meine Skepsis dagegen, diese Perturbationen der gesellschaftlichen Oberfläche als vor-revolutionäre Situation zu interpretieren, darum wie eine Monstranz vor mir her, eben weil der Unmut nur den Defiziten der Empirie entstammt, so, als sei der Kapitalismus wegen seiner 'extremen Auswüchse' und nicht per se – das heißt: seinem Begriff nach – abschaffungswürdig.

Solange aber bloß Interessen und nicht der Begriff Ursache von Widerstand sind; solange nicht Ware(nfetisch) und Kapitalbegriff als politisch begriffen sind, wird es auch keine transzendierende Politik geben, sondern bloß Interessenskämpfe.

netbitch - 10. Dez, 23:18

Wer einen Kaufvertrag abschließt, sollte das Kleingedruckte lesen, und dann sind meine letzten Bemerkungen des Postings das Kleingedruckte des Gesellschaftsvertrags ;-)

Nach etwa zwanzig Jahren, in denen in Westeuropa die Klassenfrage als nicht mehr zu stellen, zumindest aber als nicht mehr massenwirksam auf die Straße zu tragen galt, genügen wenige Wochen Finanzkrise, um in einem alten EU-Staat den sozialen Aufstand auf die Tagesordnung zu bringen. Wenn die Krise zu einer globalen Rezession führt, was passiert dann in ein paar Monaten? Wird die Revolution wieder eine Sache des Möglichen?

Das heißt, während im und nach dem Pariser Mai zwar niemals eine vorrevolutionäre Revolution herrschte, wurde die Klassenfrage selber aber in den Siebzigern und bis noch in die Achtziger hinein vielfach thematisiert und bedeutete Mobilisierungsschübe bei Unruhen, Streiks und Demos. Seit der Bonner Wende in Deutschland und seit 1989 in Europa war das nicht mehr der Fall. Ich habe nur gesagt, dass sich das jetzt zu ändern scheint und warf die Frage auf, ob nach ein paar weiteren Monaten der Krise wieder die Revolution als Perspektive bei sozialen Kämpfen ins Auge gefasst werden könnte - nicht stattfände. Das sind schon noch Unterschiede.
Weltrevolutionsbuero - 12. Dez, 14:47

http://derstandard.at/?id=1227288339803

Ein Onlineinterview mit der Wiener Grünen-Abgeordneten Maria Vassilakou, die - als gebürtige Athenerin - einige sehr interessante Hintergründe erklärt, die Sie so eventuell nicht in den Zeitungen lesen. Zum Beispiel haben die aktuellen Eskalationen wenig bis garnichts mit der gegenwärtigen Finanzkrise zu tun, sind vielmehr über Jahrzehnte gewachsen und eigentlich doch Griechenlandspezifisch.

che2001 - 13. Dez, 00:48

@"Im Pariser Mai '68 waren die Arbeiter dabei." --- abgesehen davon, dass in Griechenland mittlerweile die Arbeiter streiken, waren dort die ersten Revoltierer neben Studenten und Schülern die Working Poor, die Schicht unter den Arbeitern (mit oft sehr hoher Qualifikation, mit der sie aber nichts anfangen können). Das wirft Fragen zur Neuzusammensetzung der Klasse auf, die analysiert werden müssten.
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