11
Jun
2005

Das Schlampentum

Es ist ein paar Jahre her. Da kam dieser Kollege von der Partnerfirma an unseren Messestand. Er war etwa zehn Jahre älter als ich, also Anfang vierzig, mittelgroß, schlank, breitschultrig, gutausehend. Er verstand es auch, sich geschmackvoll zu kleiden, anders als diese Yuppieaffen in der NE, die sich zwar über Gebühr teuer anziehen, aber trotzdem mein Auge "aua" schreien lassen. Er trug ein dunkles Jackett eines französischen Edelcouturiers über einem schwarzen Baumwollpullover, dunkle Canvashosen von Land´s End, schwarze Budapester, Schweizer Uhr. Alles an ihm wirkte gediegen, öhne schnöselig zu sein. Also, er kam lässig an meinen Demopoint geschlendert und fing einen Smalltalk mit mir an. Wieviele Kunden sich für unsere Produkte interessieren würden, wie ich mit dem Chef auskäme, ob ich den und den von HP schon gesprochen habe und so weiter. Es war ihm anzumerken, dass es ihm nicht um das ging, was er sagte, und er kam schnell zum Wesentlichen: Ob ich Lust hätte, heute abend mit ihm auf diese Afterworkparty zu gehen. Dabei lächelte er charmant, und der gegen den Gauloises-Geruch genommene Kaugummi wanderte hinten im Mund von einer auf die andere Seite.
"Was soll ich da?" fragte ich zurück und lächelte mit sehr viel Zähnen. "Weißt Du, die meisten Leuten melden sich als Standbesatzung ja nur wegen der Messeparties," erklärte er, "da geht immer unheimlich viel ab. Das ist so ähnlich wie mit Ski und aprés ski." "Ah, so, nach den Feten wird gefickt, und Du willst mich abschleppen?" fragte ich mit breitem Grinsen zurück. Nachdem er sein Kinn vom Fußboden aufgehoben und die rote Gesichtsfarbe schrittweise abgepumpt hatte, meinte er, so offen habe er das aus dem Mund einer Frau noch nie gehört, selbst eine Frau mit ernsthaften Absichten würde diese niemals direkt verbalisieren. "bin ich jetzt eine Verbalschlampe?" fragte ich, um meinen unschuldigsten Gesichtsausdruck bemüht, zurück. ER lachte und meinte dann: "Schau Dir mal all diese Messegirls an, auch Deine jüngeren Kolleginnen. Die flirten ständig mit Kunden, nicht, weil sie mit denen etwas anfangen würden, sondern um des Jobs willen. Lächeln in der Stimme, gurren, Augenklimpern, zufällig im Kundengesprächen das Top verrutschen lassen und die Schulter entblößen, oder gar einen BH-Träger zum Rutschen bringen, alles reine Vertriebsstrategie. Sex sells. Und auf den Parties geht das weiter, wenn das nicht die Standparty des eigenen Teams ist, lassen die sich von wichtigen Kunden etliche Caipis ausgeben, graben die ordentlich an, und am Ende läuft nichts. Business as usual. Das sind für mich Schlampen. Du hingegen hast Deine Reize, setzt sie aber nicht instrumentell ein. Du verkaufst ein Produkt, aber nicht Dich mit. Du verbalisierst Sex und durchkreuzt damit das ganze Sex-sells-Spiel. Du magst abgebrüht sein, aber keine Schlampe. Was das Abschleppen angeht: Sex nach zehn Stunden Messestand wäre mir viel zu anstrengend."

Wir hatten einen köstlichen Abend und beobachteten nach dem Motto "Expeditionen ins Tierreich" das yuppe Publikum und sein Balzverhalten.
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