"Die Methode Frau" titelt die "Zeit" und meint damit die Strategien, mit denen sich Frauen in der Arbeitswelt durchsetzen und die Veränderungen in dieser Arbeitswelt, die sich durch die Präsenz von Frauen in Jobs, die früher Männerdomänen waren ergeben.
http://www.zeit.de/2010/36/C-Arbeitswelt
Nicht unspannend zu lesen, aber "die Arbeitswelt wird weiblicher" hat leider Begrifflichkeiten zur Voraussetzung, die schlicht biologistisch sind. Als Ende der Achtziger von Angloamerikanien aus die Gender-Debatte ihre Verbreitung nahm ging es um Dekonstruktion; Gender meinte eben nicht das biologische Geschlecht, sondern ein Bündel von Verhaltensweisen, die insgesamt als progressiv, regressiv oder reaktionär angesehen werden. In diesem Sinne gibt es in der Gender-Perspektive keinen Macho, sondern nur jemanden, der sich egozentrisch, narzisstisch, ellbogeneinsetzend und unreflektiert verhält. Sind zwar überwiegend Männer, die sich so verhalten, es wird aber auch nicht schöner, wenn Frauen das tun. Verhaltensweisen gerade nicht an ein biologisches Geschlecht zu knüpfen soll es ermöglichen, Rollenstereotypen zu überwinden. In diesem Sinne würde die Arbeitswelt nicht weiblicher, sondern egalitärer, weniger hierarchisch, empathischer, und dazu tragen Frauen erheblich bei. Per se "weiblich" sind diese Dinge aber nicht. Mit den besten Absichten transportiert die "Zeit" hier einen unhinterfragten Sexismus. Es ist ja gang und gäbe, Verhaltensweisen als "männlich" und "weiblich" zu definieren. Was ist aber, wenn das Gleiche jetzt auf Ethnien oder Herkunftsmilieus übertragen würde, sagen wir mal, wir nennen die maximale Wahrnehmung aller Vorteile, die sich aus dem Sozialstaat ergeben "Die Migrantenmethode"? Ganz recht, das wäre noch viel schlimmer als Sarrazin, das wäre blanker Rassismus. Mit angeblich geschlechtsrollenspezifischen Verhaltensweisen machen wir das alltäglich, und niemand scheint etwas daran schlimm zu finden. Wobei ich mir das Thema Sozialstaatsabschöpfung auch mal unter einem ganz anderen Aspekt anschauen möchte.
Ein Buch, das in den Neunzigern in Doitschland lange Zeit die Bestsellerlisten anführte war "1000 ganz legale Steuertipps" von Konz oder Klontz oder so. Wer bis hin an die Grenze zur Steuerhinterziehung das deutsche Steuersystem für sich ausnutzt, Gesetzeslücken und Grauzonen nutzt usw. gilt als gerissener Fuchs, wer das nicht tut, sondern genau so viel Steuern zahlt, wie das Finanzamt von ihr verlangt und das selber in Ordnung findet als eher weich in der Birne. Warum gibt es keinen Bestseller, der erklärt, wie mensch die Bestimmungen des Sozialgesetzbuch 3 optimal für sich nutzt und auch mit Hartz4 noch halbwegs gut fährt, eine Scheinehe mit einer kinderreichen Person verschafft da ja Vorteile etc.? Analog dem Steueroptimierer müsste mensch doch angesichts solcher Schläue anerkennend durch die Zähne pfeifen und sagen "Jau, da ist jemand aber gerissen!" Das passiert nicht, weil der Blick der Massen da bereits völlig vernebelt ist. Niemand gönnt es den Armen, wenn diese Vorteile für sich zu nutzen verstehen, dann sind sie nicht nur arm, sondern böse. Sind sie aber noch dazu keine Doitschen, dann sind sie nochmal eine Ecke böser; der muselmanische oder schwarze oder gelbe Hartz4-Trickser ist dann noch einmal eine Ecke böser. Ich nenne diese Form von falschem Bewusstsein, das bei 90% der Bevölkerung ausgeprägt sein dürfte strukturellen Antisemitismus. Und der ist der Grund, weswegen es bei den Armen in diesem Lande zu keiner sozialen Erhebung kommt.