Deine Wortwahl "Definitionsmacht darüber, was Vergewaltigung sei", führt in die Irre (klingt zusammen mit dem Konjunktiv "sei" irgendwie nach Recht auf Begriffsdefinition).
Falls das Recht eines Opfers gemeint ist, eine (wirklich stattgefundene) Vergewaltigung zu benennen und anzuklagen (wie ich vermute), bin ich bei dir.
Ich weiß nicht, auf welche Debatten du dich konkret beziehst. Jedoch ist Vergewaltigung eine tabugeladene Geschichte, bei der die Denke schon mal aussetzen kann: sowohl bei Fehlverurteilungen als auch bei Nadine Lantzsch.
Damit ist auch die Begriffsdefinition gemeint, aber eben keine X-beliebige (also in dem Sinne, dass eine Frau sich eine erlebte Vergewaltigung ausdenkt oder dass eine Situation ohne massive Gewaltanwendung bzw. sexuelle Nötigung mit massiver Gewaltandrohung als Vergewaltigung bezeichnet würde), sondern in dem Sinne, dass das Opfer primär definiert, ob eine Vergewaltigung stattgefunden hat oder nicht. Das ist und war insbesondere in der Vergangenheit bei Vergewaltigungsprozessen durchaus nicht immer der Fall. Vergewaltigung in der Ehe z.B. galt überhaupt nicht als Vergewaltigung, sondern die Frau hatte ihren ehelichen Pflichten nachzukommen.
@Ich weiß nicht, auf welche Debatten du dich konkret beziehst.-> In den Achtzigern und Neunzigern wurden die in der Linken und in feministischen Kreisen landauf, landab geführt, und die Sache mit der Definitionsmacht galt als allgemeiner Konsens. Mein Erschrecken gilt der Tatsache, dass davon scheinbar niemand mehr etwas weiß. Ich hatte bislang diesen Konsens als so eine Art zivilisatorischen Standard vorausgesetzt.
Ich rede nicht von seelischer Grausamkeit. Ich rede davon, dass weit überwiegend männliche Richter anhand anatomischer Untersuchungen beurteilen, was eine Vergewaltigung sei. Und dann heißt es etwa: "Ja, er hat sie geschlagen, ja, er hat sie gefesselt, es sind aber keine Einblutungen im tieferen Vaginalbereich nachweisbar, also hat er sie entweder nicht tief penetriert, oder die Penetration erfolgte freiwillig und einvernehmlich, also ist es keine Vergewaltigung."
Sorry, aber diese von Männern erfolgende kriminologische Definition von Vergewaltigung bewegt sich für mich auf der gleichen Ebene wie Hermann Görings "wer Jude ist, bstimme ich".
Es ist eine feministische Kernposition, die juristische Definition von Vergewaltigung nicht anzuerkennen, wie es eine linke Kernposition ist, die bürgerliche Klassenjustiz zu kritisieren.
Merkwürdig, diese Kommentare zum Thema Definitionsmacht. Ich wage mal die These, dass wir vor fünfzehn oder zwanzig Jahren in der Hinsicht schon viel weiter waren. Der Backlash war erfolgreich.
@netbitch -- mit Vergewaltigungsprozessen habe ich weder Praxis noch mich konkret damit beschäftigt, aber ich habe Zweifel. Beispielsweise hatte ich beim Kachelmann-Prozess den Eindruck, dass das Vergewaltigungsopfer weder öffentlich noch vom Richter, sondern vom Psychodoc unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt wurde. Nicht als Respektlosigkeit missverstehen, bitte. Mangels Sachkompetenz verabschiede ich mich aus der Diskussion.
Konkret war in den frühen und mittleren Neunziger Jahren zumindest in der politischen Linken die Position, dass bei einer Vergewaltigung die Definitionsmacht darüber was eine Vergewaltigung sei beim Opfer zu liegen habe breiter allgemein anerkannter Konsens, und es war jahrelang öffentlich über diese Frage diskutiert worden. Das Thema Sexismus hatte damals in allen linken Debatten ja den weitaus meisten Raum eingenommen.
Wolf-Dieter, um den Kachelmann-Prozess selbst ging es hier gar nicht, sondern um Reaktionen darauf, die zumindest mir die absolute Unkenntnis von Debatten zum Thema Vergewaltigung und wie damit gesellschaftlich umzugehen wäre vor Augen führten, die mir bisher zumindest unter Linken - oder Kritisch-Aufgeklärten - als selbstverständlich angesehen wurde. Es ist bitter, dass eine Diskussionskultur, in der ich mal drinsteckte und Workingclasshero - der öfter mal in mir drinsteckt - Momo, Che, Somlu und etliche Andere - halt auch, die ich als gegebene Selbstverständlichkeit betrachtete mittlerweile anderswo nicht mal ansatzweise bekannt ist. Kannst Du nichts für, ist für mich nur so das Gefühl: Wir haben verloren.
Die feministische Diskussion mag die Vergewaltigung als "pars pro toto" zum Thema genommen haben; aber das könnte am Kern des Problems vorbei führen.
Das Patriarchat hat mit seiner festgelegten Rollenverteilung sicherlich unterdrückenden Charakter. Ich habe aber (bei Diskussionen in den 80ern) eine gewisse Personalisierung rausgehört, die aus jedem Mann konkret einen "Unterdrücker" macht. Brauchen wir nicht zu kommentieren.
Könnte es sein, dass die Diskussionskultur nicht "verloren" ist, sondern sich weiter entwickelt hat?
Eher zurück- und zum Teil auch parallel entwickelt. Diese Parole "Jeder Mann ist ein potenzieller Vergewaltiger" war eine Parole des Zorns, entstanden aus der bitteren Erkenntnis, dass selbst eigene Genossen, die als Lippenbekenntnisse antipatriarchale Haltungen vor sich hertrugen, zu Vergewaltigern werden konnten, aber keine einerseits Verallgemeinerung und andererseits Personalisierung, sondern eher Ausdruck der erschreckenden Erkenntnis, dass frau sich nicht sicher sein konnte. Versuch Dir bitte einmal vorzustellen, wie es ist, sich als Frau allein unter Männern, oder auf dem spätnächtlichen Nachhauseweg mit einem hinter Dir hergehenden und auf Deinen Arsch guckenden Mann in einer Situation zu fühlen, die jederzeit zu einem tätlichen und grausamen Angriff eskalieren kann, nur weil Du in dem Körper lebst, den Du hast, Dich schon gefährdet zu fühlen, weil Du als einzige Frau im Büro noch spät Nachts arbeitest. Männer erleben so etwas nie, für viele Frauen ist es alltäglich. Nun gut, für mich nicht so wirklich, aber das ist der Tatsache geschuldet, dass ich weiß, wie ich einem Angreifer die Knochen brechen kann. Aber "Alle Frauen, macht Kampfsport" kann nun wirklich nicht die Lösung sein, und in einer Gesellschaft, in der diese nötig wäre will ich nicht leben.
Teilweise verstehe ich dich -- als Schüler, bevor ich 1,94m lang war, hatte ich auf dem Heimweg durchaus schon mal Angst vor Schlägertypen. Später nicht mehr, obwohl ich nie ein Kraftmeier war, sondern halt lang.
Die Erfahrung, als Sex-Objekt vorzuhalten, ist an mir vorbei gegangen; das Element der Angst (siehe oben) ist mir aber geläufig.
Ich weiß aber zuverlässig, dass die Mädels (auch) auf den Arsch der Männer achten. Und das ist in Ordnung. Ich tue es umgekehrt auch.
Wortwahl
Falls das Recht eines Opfers gemeint ist, eine (wirklich stattgefundene) Vergewaltigung zu benennen und anzuklagen (wie ich vermute), bin ich bei dir.
Ich weiß nicht, auf welche Debatten du dich konkret beziehst. Jedoch ist Vergewaltigung eine tabugeladene Geschichte, bei der die Denke schon mal aussetzen kann: sowohl bei Fehlverurteilungen als auch bei Nadine Lantzsch.
@Ich weiß nicht, auf welche Debatten du dich konkret beziehst.-> In den Achtzigern und Neunzigern wurden die in der Linken und in feministischen Kreisen landauf, landab geführt, und die Sache mit der Definitionsmacht galt als allgemeiner Konsens. Mein Erschrecken gilt der Tatsache, dass davon scheinbar niemand mehr etwas weiß. Ich hatte bislang diesen Konsens als so eine Art zivilisatorischen Standard vorausgesetzt.
-- Zitat --
sondern in dem Sinne, dass das Opfer primär definiert, ob eine Vergewaltigung stattgefunden hat oder nicht
-- Zitat Ende --
Dir ist schon klar, dass dieser Gebrauch von "Vergewaltigung" mit dem juristischen Gebrauch kollidiert?
Sorry, aber diese von Männern erfolgende kriminologische Definition von Vergewaltigung bewegt sich für mich auf der gleichen Ebene wie Hermann Görings "wer Jude ist, bstimme ich".
Es ist eine feministische Kernposition, die juristische Definition von Vergewaltigung nicht anzuerkennen, wie es eine linke Kernposition ist, die bürgerliche Klassenjustiz zu kritisieren.
@netbitch -- mit Vergewaltigungsprozessen habe ich weder Praxis noch mich konkret damit beschäftigt, aber ich habe Zweifel. Beispielsweise hatte ich beim Kachelmann-Prozess den Eindruck, dass das Vergewaltigungsopfer weder öffentlich noch vom Richter, sondern vom Psychodoc unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt wurde. Nicht als Respektlosigkeit missverstehen, bitte. Mangels Sachkompetenz verabschiede ich mich aus der Diskussion.
http://asbb.blogsport.de/2008/03/14/ueber-definitionsmacht/
http://arranca.org/ausgabe/27/definitionsmacht-und-vergewaltigungsdebatten?quicktabs_1=1
Das Patriarchat hat mit seiner festgelegten Rollenverteilung sicherlich unterdrückenden Charakter. Ich habe aber (bei Diskussionen in den 80ern) eine gewisse Personalisierung rausgehört, die aus jedem Mann konkret einen "Unterdrücker" macht. Brauchen wir nicht zu kommentieren.
Könnte es sein, dass die Diskussionskultur nicht "verloren" ist, sondern sich weiter entwickelt hat?
Die Erfahrung, als Sex-Objekt vorzuhalten, ist an mir vorbei gegangen; das Element der Angst (siehe oben) ist mir aber geläufig.
Ich weiß aber zuverlässig, dass die Mädels (auch) auf den Arsch der Männer achten. Und das ist in Ordnung. Ich tue es umgekehrt auch.