stefanolix - 12. Sep, 10:47

Isolationshaft

Zuerst vielen Dank an Netbitch für die Moderation. Vielen Dank auch an Che für die langen Erklärungen und eine klare Aussage zu Schleyer. Ganz offenbar ist die Wertung der RAF-Aktivitäten und auch die Möglichkeit des Sich-Hineindenkens sehr stark von der Sozialisation der Diskussionsteilnehmer abhängig.

Ich bin eben teilweise bürgerlich, teilweise christlich und teilweise durch die Kinder- und Jugendzeit in der DDR geprägt -- auch wenn ich Che2001' Ausführungen lese und weitere Quellen zu Rate ziehe, werde ich nie die Erfahrung ersetzen können, die er wohl mit nahezu allen linken Gruppierungen hat. Ich kann (und will) mich auch nicht in die Unterstützer und das Umfeld hineindenken, weil diese gesamten Verbrechen nicht zu rechtfertigen sind. Darin bin /ich/ nun mal radikal, tut mir leid.

Inzwischen wurde auch in der anderen Diskussion viel gesagt. Den Stil des Kommentars von 'ralph' akzeptiere ich nicht. Aber im Kern ist die zeitweise Isolationshaft genausowenig rechtsstaatlich wie die Zustände, die im taz-Artikel über Stammheim beschrieben sind.

Che schrieb über Mitleid: auch dazu gäbe es viel zu sagen. Instinktiv habe ich mit denen Mitleid, die zufällig als [teilweise scheinbare] RAF-Sympathisanten in die Mühlen des Staates oder der Medien gerieten. Auch in der DDR gab es Menschen, deren Leben zerstört wurde, weil der Staat sie an einem falschen Ort angetroffen hatte. Und ich finde, dass Heinrich Bölls "Katharina Blum" ein mutiges Buch war. Für die wirklichen Täter und Mittäter meine ich: sie sollen auf jeden Fall rechtsstaatliche und menschlich angemessene Behandlung erfahren, aber sie haben kein Mitleid verdient.

Netbitch schrieb, dass es ein liberaler Minister war, der wieder für angemessene Haftbedingungen sorgte. Auch zur Behandlung der toten RAF-Terroristen nach dem Selbstmord ist ja eine interessante Passage in dem taz-Artikel enthalten. Wenn ich in dieser Situation gewesen wäre, hätte ich auch eher an die Lehre aus der Antigone gedacht, als dass ich die Toten über den Tod hinaus verfolgt hätte.

che2001 - 12. Sep, 11:47

Tja, Stefanolix, zwischen uns ist eben sehr wohl eine sachliche und faire Diskussion möglich, und ein Pflegen des rationalen politischen Diskurses ist in dieser wirren und chaotischen Welt ja sehr nötig. Zu dem taz-Artikel möchte ich anmerken, dass er ja auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Wenn man "Stammheim" von Pieter Bakker-Schut liest (für mich das eigentliche Standardwerk zum Thema, und nicht "Der Bader-Meinhof-Komplex), so stellt sich das schon etwas anders dar.
Einerseits gab es natürlich die Steuerung der RAF aus dem Knast heraus und die Anwälte, die Waffen u.a. in Kassibern einschleusten, andererseits aber auch Verfahrensbrüche seitens der Bundesanwaltschaft.
Auch in dem taz-Beitrag geht es aber in erster Linie darum, dass die eigentliche Bader-Meinhof-Gruppe in Stammheim ihre Haftbedingungen propagandistisch skandalisiert und inszeniert hat und dass der Herr Bubeck als Person stets integer und um ein rechtsstaatliches Verfahren bemüht war. Das heißt noch lange nicht, dass es im Zusammenhang mit der RAF immer und überall rechtsstaatlich OK zugegangen ist. Dass Ulrike Meinhof vor Stammheim Isolationshaft mit ununterbrochenem Dauerlicht ausgesetzt war (netbitch nannte das schon), das wird dort erwähnt, ebenso wie die Tatsache, dass verfahrenswidrig der Besucherraum abgehört und Bader in dieser Hinsicht belogen wurde. Es wären noch mehr Dinge zu nennen, ich erinnere mich zum Beispiel an Bernd Rössner (oder Rösler? Ich weiß nicht mehr, ob ich den Namen richtig in Erinnerung habe), der Ende der 80er Jahre schwerste Deprivationsschäden hatte, die auf Isolationshaft zurückzuführen waren. Dann das Celler Loch.....

Das Ganze ist eine komplizierte, verwickelte Angelegenheit, die bis heute nicht vollständig aufgearbeitet wurde. Das in der taz erwähnte Buch wirft darauf eine interessante Perspektive, aber es ist auch nur eine Facette von vielen und auch nicht unumstritten.

vgl. hier, wobei auch auf Einiges im Diskussionsverlauf schon Angesprochene nochmal ein gewisses Lichtv geworfen wird: http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3937667105

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/15/15715/1.html

http://www.graswurzel.net/271/schwipper.shtml


Dass die Frage, was da nun wirklich los war und ob die Leute fair behandelt wurden oder nicht, loszulösen ist von der Beurteilung der RAF selber ist für mich hierbei unstrittig. Ich rechtfertige auch keine Morde und habe das auch nie getan. Insofern kann ich den hysterischen Ausbruch des Herrn Ralph nur unfreiwillig komisch finden; dass mir unterstellt wird, ich trüge schlechtsitzende Anzüge, ist allerdings schon ein ziemlicher Hammer ;-)
netbitch - 12. Sep, 15:43

@stefanolix: Ich schätze mal, dass das für Dich als Ossi unter zeithistorischen Gesichtspunkten ganz anders wahrgenommen wird als das bei uns im Westen der Fall war, ähnlich wie wir keinen Bezug zur Stasi haben.

@che: Als liebenswürdig-naiv würde ich mich auch nicht bezeichnen. Aber zu Rostock sollte jemand lieber den Mund halten, der nicht weiß, was für eine Rolle Leute wie wir zu diesem Zeitpunkt gespielt haben.
che2001 - 13. Sep, 09:38

Back to Kampusch

"Frontal" von gestern abend macht die Sache etwas klarer. Demzufolge war der Fernsehauftritt bis ins Letzte einstudiert und vorchoreografiert, psychologisch vorbereitet und Alles, eine gezielte Inszenierung, die gemacht wurde, um Natascha künftig vor Sensationsreportern und Paparazzi zu schützen.
loellie - 13. Sep, 10:46

Und genau das ging mir auch die ganze zeit durch den kopf.

Einerseits haette es durchaus sein koennen, dass der Auftritt ihre Art des verarbeitens ist, andererseits ist es wohl unmoeglich in ihrer Situation der Presse zu entkommen, es sei denn sie versteckt sich. Und "versteckt" war sie nun wirklich lange genug.

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