22
Feb
2007

Tief in den Sphären des verspannten Denkens

Ich will mein lesendes Publikum ja nicht mit einem Übermaß (oder nennt mensch das Habermaß?) an elfenbeintürmender Theorie langweilen, aber zu den Bizarrheiten einiger Linksversprengter möchte ich mich denn doch noch mal äußern.

Einige Randbemerkungen zu einer anderswo geführten Debatte:


Einige Leute, die sich selbst sehr links sehen, bezeichnen die Mehrheitslinke als antisemitisch. Wenn es um die Israelfeindlichkeit klassischer Antiimperialisten ginge, wäre das ja noch nachvollziehbar, aber es geht noch viel weiter und führt diese angeblichen radikalen Linken über merkwürdige intellektuelle Fallstricke eher in die Nähe der Wirtschaftsliberalen.


Sie selber sind nirgendwo in sozialen Projekten oder Arbeitskämpfen zu finden, sie begründen sogar, warum sie das als Linke nicht tun. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Frage der Identifikation mit sozialen Gruppen und Prozessen.
Die "Identisches" vs. "Nichtidentisches"-Auseinandersetzung setzt bei den "Elementen des Antisemitismus" und den "Studien zum autoritären Charakter" aus der Kritischen Theorie an. Da Identifikation der Massen mit dem Führer, der Partei, dem Volk, dem durch Ausgrenzung Anderer und falsche Projektion gekennzeichnetem Kollektiv zu den Elementen des Antisemitismus gehört, vertraten einige Leute, ich meine, ISF und Ca Ira-Verlag, in der Antisemitismusdebatte Ende der Achtziger die Position, jedes Sich-Identifizieren mit einem Subjekt außerhalb des eigenen Selbst, vor allem, wenn dieses idealisiert und projektiv überhöht wird, berge bereits Elemente des Antisemitismus in sich. Und damit sind all die Guten-Wilden- und Dritte-Welt-Revolutionsromantik-Klischees in dieser speziellen Sicht der Dinge potentiell antisemitisch. Ebenso wird jede Kapitalismuskritik, die willentlich Handelnde nennt und zum Beispiel bestimmte Branchen, Konzerne oder Einzelkapitalisten als Schuldige bezeichnet und Kampagnen gegen diese ins Leben rufen will, weil sie sich besonders ausbeuterisch oder rücksichtslos verhalten, als "strukturell antisemitisch" bezeichnet, weil es das Schaffen von Sündenböcken bedeute, nicht den Kapitalismus als Ganzes zu kritisieren, sondern bestimmte Auswüchse. Dieser Logik nach könne die Linke die politische Ökonomie nur beschreiben und kritisieren, aber politisch erst dann handeln, wenn der Zeitpunkt der Weltrevolution gekommen sei. Aus dieser Paralogik heraus sind alle Linken, die aktiv gegen Ausbeutung oder Sozialabbau kämpfen, strukturelle Antisemiten.


btw: Und heute ist es wahrscheinlich so, dass Leute, die "Antiimperialismus" lesen, dabei automatisch an Ulrike Meinhof & Co denken und deren Antizionismus und von der Existenz eines Neuen Antiimperialismus, der sich in scharfer Konfrontation zu den Antiimps entwickelt hat und nichts mit deren Antiisraelismus zu tun hat, grundsätzlich gar nix wissen und auch nix wissen wollen.

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artur_zz - 22. Feb, 20:18

ic.....

danke für diese erhellenden erläuterungen über den galloppierenden schwachsinn einer toitsch-konsequenten polit-sekte.

ficken ist nach deren definition wahrscheinlich auch "strukturell antisemitisch" weshalb diese leute immer so verhärmt und unbefriedigt aussehen... da wird einem einiges klar.

RJWeb - 23. Feb, 22:29

Kannst Du mir das vielleicht einmal bei einer Tasse Tee (oder besser einer ganzen Kanne ...) auseinandersetzen ?

Spätestens beim Begriff "strukturelle Antisemiten" habe ich nämlich den Faden verloren ...

Sorry xxx

First_Dr.Dean - 23. Mär, 00:40

Wobei für mich auffällig ist, dass diese angeblich "Linken" bzw. Antideutschen sich ihre eigenen autoritären Subjekte suchen, z.B. GW Bush. Der gilt dort inzwischen als geradezu heilige Heldengestalt, deren Politik nie und nimmer kritisiert werden dürfe.

Kritik an hochgradig militaristischer wie mörderischer amerikanischer Außenpolitik sei ja schließlich "Antisemitismus". Oder so.

GW Bush als Ideal bzw. neues autoritäres (Ersatz-)Subjekt der Antideutschen: Das ist doch ziemlich schräg, gell?

Einige Vertreter aus diesem Spektrum sehen in GW Bush tatsächlich eine Art Heilsgestalt im Kampf gegen den "Islamfaschismus". Man bewundert amerkanische Rechtsextremisten wie Daniel Pipes oder Ann Coulter. Diese Antideutschen kaufen sich Winkelemente und Flaggen in amerikanischen und Israelfarben - und verspritzen ihrerseits fleißig Gift, Galle und ekelhaftesten Torsun aufgrund sichtbarer Flaggen, nämlich, sobald Fußballfans, wie zur Fußball-WM, sich für ein paar Wochen Deutschlandwimpel ans Auto stecken.

Sie geben sich dezidiert antifortschrittlich, und greifen beispielsweise mit Lust gerade Gewerkschaftsaktivisten oder Pazifisten an, gerne auch mit bemühten, und dennoch sehr aggressiv vorgetragenen Vorwürfen, dass diese angeblich "Antisemiten" seien. Es kommt nachweislich sogar des Öfteren vor, dass sie (echte!) Antifas auf Demos verprügeln*.

Wo Linke sind, zieht es sie hin. Tja, nur in sozialen Projekten u.ä., da sind sie bislang noch nie gesehen worden.

P.S.
Hat jemand eine gute Idee, warum z.B. der rechtsgerichtete Think Tank "Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik" antideutsche Aktivisten finanziert?

* Bei derlei politischen Schwerpunkten fehlt eigentlich nicht mehr viel, und diese Hardcore-Antideutschen gehen mit Vertretern der "Jungen Freiheit" sowie Vorfeldorganisationen der NPD gemeinsam demonstrieren. Gegen Pazifisten, Linke, Antifaschisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, und überhaupt.

che2001 - 23. Mär, 13:21

Pipes, by the way, ist oder war zumindest Mitarbeiter der US Army Intelligence. Und da wird dann wohl auch deutlich, wessen Interessen in diesen Netzwerken warum artikuliert werden.
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