axaneco (Gast) - 3. Nov, 10:24

Beispiele?

Na gut. Früher mussten Frauen im Krieg kämpfen, das tun sie heute auch, in der Bundeswehr zum Beispiel. Ist das transgender? Oder geht transgender nur von weiblich zu männlich?
"Das Verschieben von Merkmalen vom weiblichen zum männlichen Pol, Transgender, wurde in früheren Epochen zum Teil als weit weniger dramatisch angesehen als heutzutage." Welche Merkmale, welche Epoche, welche Dramatik?
"Bei manchen außereuropäischen Völkerschaften gibt es bis heute mehr als zwei Geschlechter" Welche Völkerschaften? Und welche praktischen Auswirkungen auf das Leben in diesen Völkerschaften hat diese Geschlechtervielfalt, von der Grammatik mal abgesehen?

Mir begegnet das ganze Thema immer wieder sehr theoretisch, auch hier, und ich frage mich immer wieder, was denn dieser Genderansatz IN DER PRAXIS bedeutet. Im Alltag. Im ganz normalen Leben fernab in sich geschlossener Diskursblasen. Das würde ich gern mal wissen.
Und wissen würde ich auch gern, wer denn letztlich entscheidet, was "progressiv" und was "reaktionär" ist.
Und letztlich - das ist zugegebenermaßen eine eher technische Frage, die aber in meinen Augen was mit Relevanz zu tun hat, auch wenn ich Zahlen und Relevanz nicht gleichsetzen will: Wieviel Prozent der Bevölkerung Deutschlands, Europas oder auch der erwähnten außereuropäischen Völkerschaften sehen bei sich persönlich denn eigentlich einen Konflikt zwischen Sex und Gender?

netbitch - 3. Nov, 10:56

Du machst ein ziemliches Fass auf, in der durch mein Zeitbudget gebotenen Kürze also erstmal ein paar Ansätze von Antworten.


Transgender: Das hat jetzt nichts mit dem Begriff Gender im Sinne von Geschlechtsrollenverhalten in Abgrenzung von Geschlecht als biologischer Kategorie zu tun, sondern bedeutet tatsächlich körperliche Übergangsformen zwischen Weiblein und Männlein bzw. Verschiebungen im Lauf des Lebens und Zwitter. Gibt es alles viel häufiger als gemeinhin wahrgenommen. Das rief in so um 15nochwas schon mal die Inquisition auf den Plan ("Teufelswerk"), im eigentlichen Mittelalter wurde das aber eher gelassen genommen. Gibt da ganz spannende Forschungen darüber, wie sich bei einzelnen Leuten im Mittelalter Geschlechtsumwandlungen ereigneten (auch ohne OP, sehr langsam über viele Jahre) und wie gelassen und selbstverständlich ihre Umwelt darauf reagierte.



@Völkerschaften: Z.B. in Papua-Neuguinea, verschiedenen Südseeinseln und Sibirien gibt es Ethnien, die drei, vier oder auch sieben Geschlechter zählen, für die es z.T., aber nicht immer vorgegebene Rollen gibt, z.B. werden Transen Schamanen. Aus der Tatsache, dass es die gibt, folgt nicht, dass diese Gesellschaften besser oder schlechter wären als unsere, wohl aber, dass es vom Konsens einer Gesellschaft abhängig ist, was als Geschlechtlichkeit verstanden wird.


Genderansatz in der Praxis: Da geht es um gesellschaftliche Benachteiligung und Bevorzugung von Gruppen, um Ausgrenzung und Hegemonien und was dagegen zu tun ist.

Wieviel Prozent der Bevölkerung sehen einen Konflikt zwischen Sex und Gender? Jede Frau, die sich nicht über sich selbst und ihre Ziele, sondern über einen Mann oder die Beziehung zu ihm definiert ist diesem Konflikt ganz praktisch ausgesetzt (ich nehme an, die Mehrheit aller Frauen der Welt), alle nicht heterosexuellen Menschen ohnehin. Insgesamt eine von der Mehrheitsgesellschaft so wahrgenommene "Minderheit" von ein paar Milliarden Leuten.
axaneco (Gast) - 3. Nov, 11:46

netbitch, danke für Deine ausführliche Antwort. Ich wollte gar kein Fass aufmachen, ich habe halt viele Fragen :-)
Also, Transgender im körperlichen Sinn (etwas verwirrend, weil ja Gender nun gerade nicht biologisch gemeint sein sollte, aber gut) scheint mir dann ein tatsächlich auch zahlenmäßiges Minderheitenthema unterhalb der Milliardenschranke zu sein. Aufgrund der Vielzahl der möglichen körperlichen Ausprägungen könnte man sicher auch auf noch mehr als sieben Geschlechter kommen. In diesem Zusammenhang verstehe ich auch, "dass es vom Konsens einer Gesellschaft abhängig ist, was als Geschlechtlichkeit verstanden wird." OK.
Gleiches habe ich auch verstanden, was alle nicht heterosexuellen Menschen betrifft, wobei die Minderheit hier zahlenmäßig größer sein dürfte. Aber dieses Thema scheint mir auch schon weiter in der Gesellschaft angekommen zu sein, und zwar auch ganz praktisch, siehe eingetragene Lebenspartnerschaft.
Tja, und "Jede Frau, die sich nicht über sich selbst und ihre Ziele, sondern über einen Mann oder die Beziehung zu ihm definiert ist diesem Konflikt ganz praktisch ausgesetzt." würde ich auch unterschreiben. Aber in diesem Satz steckt natürlich ein wichtiges Wort: "sich". Wenn sich die Mehrheit der Frauen sich über ihren Mann definiert, ist das zunächst mal ihre Entscheidung. Ob sie diese Entscheidung freiwillig oder überhaupt bewusst getroffen hat, ist offen. In Deutschland ist das womöglich eher der Fall als in Saudiarabien.
Aber dass Frauen sich selbst in die Lage versetzen, diese Entscheidung zu treffen - ist das dann nicht der praktische Kern des so verstandenen Sex/Gender-Konflikts?

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