noergler - 8. Nov, 22:17

Es existiert bereits eine mächtige Institution, die eine rechtfertigungslose, nicht-positivistische Naturwissenschaft betreibt, die auf Beweis- und Überprüfungsmethodologien völlig verzichtet: die Pharmaindustrie.

Diese Industrie ist so radikal antipositivistisch, dass man dort die reaktionären Erbsenzähler der staatlichen Medikamentenzulassungsbehörden geradezu haßt.

netbitch - 8. Nov, 22:26

Nicht nur die: Die Tatsache, dass Noergler und ich hier überhaupt gemeinsam schreiben und uns auf einen Thread beim Don beziehen verdankt sich dem Umstand, dass WirtschaftsunwissenschaftlerInnen Ende der Neunziger Jahre ein Wirtschaftsmodell herbeischwätzten, das außerhalb jeder volks- und betriebswirtschaftlichen Logik "funktionierte" und infolgedessen eine Spekulationsblase erzeugt wurde, die Gewinne losgelöst von realer Produktivität versprach. Schließlich kennen wir uns von Dotcomtod.
che2001 - 8. Nov, 22:53

Ahhhh, das ist back to basics, um mit Billy Bragg zu sprechen!

Dankeschön, Nörgler und NB für diese Konkretisierungen!


@Dean: "Klar hast du recht, wenn du auf die Fragwürdigkeit mancher Einlassungen von Claire hinweist. Die Idee aber, dass ausgerechnet die Vertreter_innen radikaler, poststrukkigenderfeminismen wertvolle erkenntistheoretische oder wissenschaftsmethodologische Erkenntnisse für Naturwissenschaftler anbieten könnten, halte ich für fernliegend."


Das hat aber auch niemand behauptet. Natur- und Gesellschaftswissenschaften funktionieren verschieden, und z.B. der Positivismusstreit hatte zum Ausgangspunkt, dass positivistisch-naturwissenschaftliche Axiome sich eben nicht auf Gesellschaftswissenschaft übertragen lassen. Als man das bversuchte, kamen Sozialdarwinismus und Rassentheorien dabei heraus.

"Vielleicht kann es reizvoll oder sogar produktiv sein, eine rechtfertigungslose, "nicht-positivistische" Naturwissenschaft zu betreiben, die auf Beweis- und Überprüfungsmethodologien völlig verzichtet."

So etwas wird von niemandem impliziert, aber solch hochkomplexe naturwissenschaftliche Disziplinen wie theoretische Physik oder Populationsgenetik sind schon lange nicht mehr positivistisch. Wenn Zufallsfaktoren, die Rolle des Betrachters, alternative Realitäten usw. eine Rolle spielen ist die 1+4=5 Logik, die meinetwegen bei Baustatik noch gilt überhaupt nicht mehr anwendbar. Beweis- und Überprügungsmethodolgien liegen im Übrigen auch vor, wenn gefragt wird, wie eine Schwarze den Blick weißer Männer auf sie wahrnimmt, nur gehen die halt nicht von einer vorgegebenen Standardrealität aus, die zumeist vorher von weißen Männern definiert wurde.

"Ich meine, Schamanismus ist ja auch irgendwie toll. Manchmal."


Anderes Thema.
John Dean (Gast) - 9. Nov, 01:29

Es existiert bereits eine mächtige Institution, die eine rechtfertigungslose, nicht-positivistische Naturwissenschaft betreibt, die auf Beweis- und Überprüfungsmethodologien völlig verzichtet: die Pharmaindustrie.(Noergler)
Oh ja. Oje. Vielleicht nicht völlig - zum Beispiel in Hinblick auf die Wirksamkeit der eigenen Vermarktungs- und Vertriebsmethoden, in Bezug auf die Renditekontrolle beim Kauf von Wissenschaftlern, Selbsthilfegruppen, Politikern, Journalisten usw. usf.

Das ist so Momente, wo ich eine imho allzu unterkomplex positivistisch strukturierte "evidenzbasierte Medizin" geradezu abfeiere. Mit unkritischem Wissenschaftspositivismus lässt sich sehr gut leben, wenn der Gegner z.B. eine kapitalistisch deformierte (bzw. formierte) Pharmaindustrie ist.

(imho)
John Dean (Gast) - 9. Nov, 01:42

Ich habe nichts Anderes getan, als die Behauptungen von Claire gespiegelt (Netbitch)
Aah. Das habe ich überhaupt nicht gepeilt. Ich habe mich schon gewundert, offen gesagt, sogar richtiggehend geärgert, wie jemand wie du solche Aussagen tätigen kann. Diese Ironie verkennende Enttäuschung war auch ein Grund dafür, dass ich formulierungstechnisch so aus der Haut gefahren bin.

Claires Position habe ich ohnehin mehr unter "gut gemeint" und "bewusst provozierend, aber nicht böse" einsortiert, pardon, das soll jetzt nicht abwertend klingen. Da konnte ich mich garnicht aufregen, das ist halt das, was bei einem bestimmten Grad der Vertrautheit mit einer bestimmten Materie fast schon folgelogisch heraus kommt.

Spannender fand ich da schon Savalls Formulierung des Aus-einem-Punkte-Heraus-Kurierens. Ich denke mit etwas Wohlwollen lässt sich daraus eine tatsächlich fundierte - und sogar konstruktive Kritik an bestimmten Vertreter_innen von Poststrukgenderfeminismus ableiten.

Überdies befürchte ich, dass wir alle dazu neigen, die komplexe gesellschaftliche Realität und ihren Reform- bzw. Verwerfungsbedarf auf einige (zu) wenige Punkte zu verengen. Ich würde das bei mir selbst jedenfalls so sehen, und eine gewisse "Einpunktverengung" lässt sich imho in der Shitstormdebatte bei einzelnen Diskutanten locker aufzeigen.

Es gibt so vieles, was wir noch gar nicht sehen - oder zu unklar.
claire de lune (Gast) - 9. Nov, 07:26

Schaun Sie, Froin Claire: Anstatt im Gehäuse ihrer standardisierten Abwehrreflexe immer heftiger um sich zu schlagen, könnten sie Schwulen, Frauen und Schwarzen mal zuhören, was die über ihre Diskriminierungserfahrungen erzählen.
Was haben denn die Schwarzen und die Frauen gemeinsam, abgesehen davon, daß Du Dir sie als Objekte Deiner paternalistischen Weltanschauung ausgesucht hast? Auf der anderen Seite übersehen die Genderisten den Zusammenhang mit den übrigen Erscheinungen, die die Geschlechterfrage betrifft.

Diskriminierungserfahrung: Das bedeutet: Feministen definieren, wer Opfer ist, deuten deren Erlebnisse, mache eine Wissenschaft daraus, riegeln von vornherein jeden Einwurf als "Abwehr" etc. ab. Dabei halten ihre Behauptungen keiner empirischen Überprüfung stand. Lantzschi (die schon wieder) freut sich, endlich eine Sprache gefunden zu haben, mit der sich irgendwelche Unterdrückte ausdrücken können. Ich denke aber, mit Foucault und son Zeug beschäftigen sich Gürcan und Hatem nicht. Die werden von Frau Sow genauso abgekanzelt wie alle anderen auch. Ihre Diskriminierungserfahrungen zählen nicht. Die Segregationserfahrungen von Türken in Dtschl. sind ja auch nichts gegen so eine Lampe.
John Dean (Gast) - 9. Nov, 10:30

Claire, ich denke, in manchem hast du mit deinem Rant recht, jedenfalls finden sich da durchaus Bestätigungen für das, was du sagst. Ich sehe da allerdings einen kleinen Zuordnungsfehler: Die Positionen von Frau L. sind mitnichten deckungsgleich mit "dem" Feminismus, und mehr noch, auch nicht deckungsgleich mit den Feminist_innen, welche sich dem Thema bevorzugt poststrukturalistisch nähern. Ich sehe Frau L. eher als eine Art Einzelfall, eine ziemlich junge, überaus engagierte Frau, die im jugendlichen Überschwang zu Übertreibungen und, ähm, ziemlich einzigartigen und von Emotionen sowie Identitätskonflikten bestimmten Sichtweisen neigt (z.B. "hete hier nicht so rum, du Spasst"). Aber, interessant ist es doch, dass einzelne Damen_innen aus der Lesbenszene sowohl biphobisch wie auch teils hetenhassend durch die Welt laufen - und mit etwas Wohlwollen kann mensch das auch als Ausdruck nicht nur individueller Problemlagen auffassen. Zugleich sollte mensch nicht der Versuchung verfallen, die launischen Äußerungen der Frau L. mit ihrer grundsätzlichen Einstellung zu verwechseln. So kommt sie wohl mit "Heten" an sich durchaus zurecht, und mitunter auch mit männlichen "Heten". Wie gesagt: Ich sehe da mehr den Einzelfall.
Ich denke aber, mit Foucault und son Zeug beschäftigen sich Gürcan und Hatem nicht.
Och, das würde ich jetzt nicht unbedingt so sagen. Vermutlich liegt die "Foucault-Quote" unter Migranten (bzw. deren Kindern) ähnlich niedrig bzw. ähnlich hoch wie bei Nicht-Migranten (bzw. deren Kindern).

Wobei die Quote der "Gürcan und Hatems", die sich vermeintlich vorbildlich als "non-PoC" und somit als klassische Unterdrücker klassifizieren, nochmals niedriger liegen dürfte. Diese Übernahme von speziellen Begrifflichkeiten aus einer höchstspeziellen US-PC/Gender-Szene, in Verbindung mit dem eindeutschendem Herumge-PoC-e ist in meinen Augen kaum mehr als eine Modeerscheinung einer bestimmten Szene von Selbstwerdung maximierenden Mittelschichtskindern, die Protest und moralische Überheblichkeit zur eigenen Angelegenheit machen. Wobei auch hier Vorsicht: So abfällig ich das hier formuliert habe, so sehr haben Frau L. und Noah ganz beachtliche Verdienste, oder anders formuliert, schon eine Reihe wirklich toller Dinge auf die Beine gestellt.

Um so trauriger, wenn man z.B. im "Troll"-Wordtext nachliest, wie derbe und wirklich hässlich wie ungerecht Noah Sow Leute abkanzelt und geradezu feindselig mit Worten in die Fresse haut, die das nicht verdient haben.

Vielleicht - ich tendiere im Moment zu dieser Ansicht - ist das teils aber auch das Ergebnis einer bestimmten, imho ausgesprochen unzulänglichen, abgrenzenden Sprache und Ideologie, die sich selbst als unhinterfragbare Avantgarde der Erkenntnis versteht, wenn es um Geschlechter- und Diskriminierungsfragen geht.

Ich denke, es ist kompliziert - und mensch sollte weder dem Fehler verfallen, individuelle Positionen für typisch zu halten, noch dem Fehler verfallen, aus unzulänglichen Ansichten einzelner Beteiligten zu folgern, dass es sich hierbei generell um politisch Verblendete/Überradikalisierte handeln würde.

Die Welt ist kompliziert - die radikalen Genderstrukkis bemühen sich darum, diese verstehen zu wollen. Und falls mensch sich darüber aufregen möchte, was theoriegespeiste Blindheit und Radikalisierung in Einzelfällen anzurichten mag, verweise ich auf die Fachdisziplin der Wirtschaftswissenschaften, die dort sichtbaren Ideologisierungen und den Beitrag, die diese - ähm - Wissenschaft in Hinblick auf die Gestaltung unserer Lebensverhältnisse in den letzten 10 Jahren geleistet hat.

Das scheint mir das größere Problem zu sein, als ein halbdutzend Blogger/Twitterer mit teils fragwürdigen Ansichten und Auftreten.
claire de lune (Gast) - 9. Nov, 14:52

Hallo James Dean!

1. Der Forschungsbetrieb in den wirtschaftswissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen und in einigen anderen Fakultäten werden durch wirtschaftliche Interessen gesteuert. Deformationen bleiben dann nicht aus. Sozialwissenschaften sind in dieser Beziehung nicht besser als Pharmazie. Im übrigen ist diese Diskussion ein von Nörgler in die Gegend geworfener roter Hering, um die Diskussion vom wesentlichen abzulenken.

Die von den meisten hier wenig geschätzte Alice Schwarzer führt paternalistischen feministischen Opferdiskurs, das aber ohne Schwurbelsprech vor:
a: Definiere Opfer: Muslimische Frauen
b: Definiere, was denen angetan wurde: Unter das Kopftuch gezwungen, zwangsverheiratet, gefoltert, gedemütigt, ehrengemordet, und alles das nur, weil das Mohammed notwendig und richtig findet.
c: feministischer Aktivismus: "Rettet die muslimischen Frauen!" - "Hinschauen!", "Nicht wegsehen!" etc.
d: Proteste dagegen sind "Abwehr", "Verteidigung von Hegemonie, Privilegien, Herrschaft", "Täterschutz" etc.
etc. etc.
Mit Wissenschaft hat so etwas nichts zu tun. Auch wenn man Foucault dazu auffährt.

2. Gerade weil Frau Lantzsch so oft danebenhaut, ist sie die Feministin par excellence. Da findet jeder, was er braucht, entweder Parodie oder Grenzüberschreitungen oder was anderes, das dann auf den gesamten Feminismus verallgemeinert wird.

3. Die Gürcan, Hatem, die Arbeitslosen, Alkoholiker und all die anderen Randgruppen drücken sich mitnichten PC aus. Das sind die, die in "sozialen Brennpunkten" leben, durch RTL2 verrohen und mir "Fick disch, Alda!" zurufen. Es ist auch nicht so, daß weiße heterosexuelle Männer beständig ihre angeblichen Privilegien verteidigten. Frauen sind genauso konservativ. Die amerikanische Tea-Party braucht zum Beispiel überhaupt keine Frauenquote in der Führungsspitze. Denk auch an Frau Eva Herman! Konservative Familienmodelle werden auch von Frauen gepredigt, ohne, daß sie dahin geprügelt wurden. Das ist einfach Sozialisation, die Rollen für Männer und Frauen bestimmt, und eben gerade keine Unterdrückung oder Hierarchie eines durch das andere Geschlecht. Diese Rollen haben für Frauen (und manchmal auch für Männer) gewisse Nachteile.

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