Beobachter (Gast) - 17. Nov, 16:12

"Da es uns Feministinnen darum geht, eine neue, gerechtere Welt zu errichten als die Bestehende und alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen die Frau bzw. der Mensch an sich ein erniedrigtes und verachtetes Wesen ist so gibt es hier auch keinen Anlass, die eigenen Grundlagen neu zu überdenken."

Als man den Philosophen Fichte mal darauf hinwies, dass seine Philosophie nicht mit den Tatsachen übereinstimme, antwortete er: "Um so schlimmer für die Tatsachen". Genau so klingt das hier auch.

Wir wissen ja aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts, wohin diese unreflektierten Versuche, die Verhältnissse umzustürzen, führen können, oder besser gesagt: eigentlich immer geführt haben.

Es reicht eben nicht aus, die richtige Gesinnung zu haben, wenn man gleichzeitig eine falsche Realitätswahrnehmung hat.

netbitch - 17. Nov, 17:25

Und wer die ríchtige Realitätswahrnehmung hat entscheidest Du?
noergler - 18. Nov, 17:40

Im Feudalismus hätte Beobachter – der stark nach El_Multinicko klingt, obzwar dieser Konservativismus der dummen Kerls pandemisch ist – erklärt, man sehe doch und könne buchstäblich mit den Händen greifen, dass der Wert aus dem Boden kommt, weswegen sog. „Arbeit“ nur ein Akzidens sei, eine ledigliche Assistenzfunktion des Substantiellen. Dies sei bekanntlich schon immer so gewesen und auch überall der Fall und es sei auch nicht vorstellbar, dass dies jemals sich ändere: Der Mensch erhält sich durch das, was aus dem Boden kommt.

Doch irgendwann wollten die Bürger diesen interessegeleiteten Scheiß einfach nicht mehr hören. Man sieht, wohin diese unreflektierten Versuche, die Verhältnisse zu lassen wie sie sind, führen können, oder besser gesagt: eigentlich immer geführt haben. –

Überall gibt es Mord und Totschlag. Wenn ich das uncool finde, leide ich dann an Mordophobie? Was sagt der Anthropologe? –

„Es reicht eben nicht aus, die richtige Gesinnung zu haben, wenn man gleichzeitig eine falsche Realitätswahrnehmung hat.“
Du mußt Dich nicht so verbiegen, Beobachter. Denn was Dir in Wahrheit stinkt, ist Netbitchs realistische Wahrnehmung der Wirklichkeit mitsamt ihrer Schlußfolgerung, dass da manches besser anders wäre. Da schnappt Deine Kritikophobie, im Volke besser als „biologischer (harhar) Antikommunismus“ bekannt, vollautomatisch ein. Dass da unvermeidlich „die Geschichte des 20. Jahrhunderts“ aufgerufen wird, ist ein allfälliges Stereotyp, das jegliches Nichteinverständnis als eine „Gesinnung“ denunziert, in deren Hintergrund schon der Gulag lauert.
Bitte mal bei aller politischen Vehemenz die Realität zur Kenntnis nehmen: Das Grauen wurde historisch immer von den Paladinen des Bestehenden veranstaltet, nie von den Kritikern. –

„Es finden sich keine oder kaum Kulturen, die Jungen und Maedchen gleich sozialisieren (...)“. Entgegen Deiner Intention dürfte das Wasser auf Netbitchs feministische Mühlen sein, denn dass es solche Kulturen gibt; dass es also möglich ist, ist die entscheidende Erkenntnis.
„Keine oder kaum“ – Oh Jahrhundert, oh Wissenschaft!
Nebenher könnte man auch dem Gedanken Raum geben, was wahrhaft allen Kulturen gemeinsam ist: dass sie den Stand der Freiheit allererst noch vor sich haben. Und da könnte so mancher Hund begraben sein. –

"Um so schlimmer für die Tatsachen" wird nicht Fichte sondern Hegel zugeschrieben. Wenn man in den Philosophen rumrührt, sollte der Löffel lang genug sein. Durch die Art und Weise, in der Du den Sinn dieser Anekdote nicht verstehst, aktivierst Du den in diesem Blog gelebten Bildungsauftrag:

Die Erkenntniskritik der Tradition stellt in der Formulierung des immanent Widersprüchlichen zugleich negativ die Figur des Anderen des Widerspruchs. Wenn die Empirie, die Tatsachenrealität unter der Formbestimmung der contradictio steht, dann zugleich unter dem Telos der Aufhebung der Kontradiktorik, da diese, qua Widerspruch, nicht stabil, nicht „bei sich selbst“ bleiben kann. Der Widerspruch wird entweder „aufgehoben“ – oder er kollabiert in der Katastrophe, ein Gedanke, dessen zweiter Teil Hegel verständlicherweise geradezu perhorresziert. Das ist die Konsequenz, die er nicht will, die er verbirgt, und der er kraft der von ihm entfesselten Logik doch nicht entgeht. Man muß etwas graben bei ihm, aber dann findet man den Abgrund: Was, wenn am Ende die Rechnung nicht aufgeht?

Möglich, dass wir in einer Zeit leben, die darauf die Antwort gibt. Denn so viele Rechnungen, die nicht aufgehen, hatten wir noch nie – schlimm für die „Tatsachen“, zu denen zuvörderst die Menschen selbst gehören.

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