noergler - 11. Aug, 02:51

Dean ist für mich keine Unperson. Er stellt sich nur ungeschickt an. Wenn ich ein Minenfeld sehe und dann noch ein zweites mal da reinrenne, dann ist das ungeschickt. Es ist noch mehr als das; dazu weiter unten.

Deans damalige Argumente gegen einige steile Butler-Thesen sind auch die meinigen. Ich war seinerzeit noch in der Erarbeitungsphase und hatte bereits eine riesige Lektürearbeit hinter mich gebracht, auch Texte der deutschen Butleristinnen. Zu einer Verarbeitung und Veröffentlichung in einem Kommentar kam es dann nicht mehr.
Meine am Wissenschaftsbegriff der Tradition orientierten Auffassungen zu Butlers Emanationen stehen, zurückhaltend gesagt, diametral zu dem, was Momorulez, Che und Netbitch dazu meinen.
Butler assoziiert entlang ihrer Emotionen. Kann man machen, ist aber nix Wissenschaft. Der eine oder andere Gedanke von ihr, sofern sie denn mal einen hat, ist allerdings originell und wichtig. Das Blöde ist nur, dass man sich bei Butler durch Tonnen von objektiv unverständlichem Käse hindurchwühlen muß, bis man mal was findet. Adornos Dictum "Wahr ist einzig der Gedanke, der sich selber nicht versteht" wurde da unverstanden ins System erhoben.

Nun zu Dr. Dean:
Nicht mehr nur ungeschickt, sondern inhaltlich scheiße ist sowas wie die Aussagen zum "schicken Schwulsein". Für sich genommen und isoliert sind sie sogar inhaltlich richtig. Sie sind dennoch falsch, weil solche Äußerungen nur wenig Sensibilität für Relationen und Valeurs verraten. Die Brachial-Erfahrungen von Lesben und Schwulen bestehen in der Breite nämlich nicht darin, dass man sie als schicke Leute anhimmelt. Tatsächlich werden sie angehöllt. Die Erfahrungen bestehen darin, dass sie verlacht, ausgegrenzt und angefeindet werden. Im Iran finden sie sich tot an Laternenmasten wieder. Auch in manchen Staaten Afrikas gelten sie als das zu terminierende Böse. Konsequenterweise werden sie dann auch terminiert.

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Die Debatte über "Disco" ließ mich fundamental Neues lernen. Momorulez Hartnäckigkeit; seine unter Qualen exekutierte Intransingenz mir gegenüber war nicht umsonst. Danke dafür! Ohne das würde ich dümmer sterben.

Hierzulande bestreitet die humorlose Dumpfbacke Bully Herbig ganze superwitzige Filme mit einer Schwulenveräppelung, deren Inhalte er sich sich aus den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts abgeschaut hat.
Das zeigt: Auch dort, wo man sie nicht umbringt, sondern sie lediglich spüren läßt, dass man das am liebsten täte, und es nur aus Furcht vor dem Staatsanwalt unterläßt, ist es nicht lustig, wenn die personale, soziale und intime Identität der permanenten Radikalabwertung sich ausgesetzt sieht. Ich darf mich zitieren: "Die Diskriminierung zerstört den Diskriminierten." Das wissen auch die Diskriminierer. Deshalb tun sie ja.

Das
http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/umstrittener-bischof-gibt-auf
ist mal eine gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass es solche Larven und Lemuren überhaupt gibt.

Hier

http://www.queer.de/detail.php?article_id=9990

ist dokumentiert, wie ein psychisch Kranker aus der RKK-Kinderfickerszene Schwule als psychisch krank bezeichnet. Was für ein Glück für die Schwulen, dass er sie als therapierbar erachtet! Denn immerhin müssen sie dann nicht gleich an die Laternenmasten. Doch was machen wir mit denjenigen Lesben und Schwulen, welche die versöhnlich ausgestreckte Therapiehand beißen? Was machen wir mit diesen hartnäckig Krankheitsuneinsichtigen? Hhm …

Ein weiterer Gottesmann erklärt:

"Love Parade und Teilnahme an ihnen sind, abgesehen von ihrem abstoßenden Erscheinungsbild, objektiv eine Art Aufstand gegen die Schöpfung und gegen die Ordnung Gottes, sind Sünde und Einladung zur Sünde!" – "Man weigert sich anzuerkennen, dass die Love Parade, abgesehen von ihrem krankhaften Erscheinungsbild, auch mit Sünde zu tun haben könnte und darum, folgerichtig, auch mit dem richtenden und strafenden Gott!"
http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,710758,00.html

Oh ja Dean, das findest auch Du alles gaaaanz schrecklich. Aber dann vermöchtest Du möglicherweise dem Gedanken Raum zu geben, aber tatsächlich vermagst Du das bislang nicht, dass Schwule es ganz schrecklich finden, wenn man ihnen angesichts solcher Gehirnjauche erklärt, sie würden sich doch auch recht gerne im Schicksein des Schwulseins sonnen. Das nämlich sieht nach Aufrechnung aus: Schon richtig, die Schwulen haben gewisse Nachteile zu erleiden, aber man bedenke doch auch die schickischicki Vorteile!
Dass Momorulez da in den Wut-Mode schaltet, scheint mir verständlich.

Und dann erst die Lesben, die in den Schwulitätsdebatten sowieso immer hinten runter fallen: Sind sie nicht in für Männer bestimmten Pornofilmen begehrte Darstellerinnen (wobei die Darstellerinnen keine Lesben sind), denen die Männer dann noch ihre masturbierende Referenz erweisen? Ich hol mir auf die Lesbe einen runter; was wollen die Votzenleckerschlampen denn noch? Und einmal richtig durchgefickt kriegen wir sie eh auf Kurs.

Was mir aber, Dean, dann maximal nicht gut an Deinen Einlassungen gefällt, ist diese oberpeinlich geschauspielerte Manier der pseudohündisch prätendierten Unterwürfigkeit. Dass Du Deine Postings als "wertlos" etc im Wege eines geheuchelten Kriecherums bewertest, kauft Dir zu Deinem eigenen Glück hier keiner ab. Du meinst, damit strategisch vorzugehen. Das tust Du auch. Nur ist diese Strategie fürn Arsch, weil jeder es merkt.

Hör auf, diese Unehrlichkeit auf den Tisch des Hauses zu kotzen. Du hältst das für tricky. Es ist es aber nicht hier, wo man sich die Hose nicht mit der Beißzange anzieht. Hast Du das nötig? Ich meine, nein.

Im Felde der Kritik des Neoconnardentums sind Deine Beiträge von unschätzbarem Wert. Wie wär's denn mal wieder damit?

che2001 - 11. Aug, 15:08

Dafür, dass ich Dean nicht als Unperson betrachte ist schon die Tatsache Gewähr, dass er immer noch auf meiner Blogroll steht. Das Meiste, was ich noch zur Thematik zu sagen hätte haben Nörgler und Netbitch schon gesagt, insofern fasse ich mich kurz und ergänze lediglich da, wo ich die Dinge etwas anders sehe.

Was Butler angeht, habe ich von der sehr wenig gelesen und beziehe mich hauptsächlich auf "Hass spricht", was ich allerdings für eine fulminante Auseinandersetzung mit sexistischer und rassistischer Sprache, aber auch mit dem Thema Sprache als Realitätskonstruktion halte. Meine Thema ist mehr die Butler-Rezeption in der Geschichtswissenschaft, d.h. Geschichtsforschung nach dem linguistic turn. Das ist eine sehr handfeste Angelegenheit, da geht es zum Beispiel darum, die Kulturgeschichte des Wäschewaschens oder des Essens und Trinkens, der Hygiene und der Kinderererziehung für nicht weniger wichtig zu halten als die im tradierten Sinne politische Geschichte und die Frage, von wann bis wann welcher Krieg gedauert hat oder genaue historische Daten sich reinzupauken als historisch angewandte Mathematik abzutun und für zweckundienlich zu halten.

Nur ist Dein Butler-Gedisse, Dean, ja niemals sachlich auf Butlers Schriften oder die weitere Butler-Rezeption bezogen gewesen, sondern war ein allgemeines Niedergemache und für lächerlich erklären und ein Verwechseln der Landkarte mit dem Territorium dergestalt, als dass die Moralinsäure und Aggressivität irgendwelcher studentischen Gruppen die sich auf Butler bezogen Butler angelastet wurde. Und überhaupt nervte es sehr, wenn Du Leute, die Du selber erklärtermaßen nicht gelesen hast für unwissenschaftlich, überbewertet oder überholt erklärtest und das ausgerechnet mit einigen der wirkungsmächtigsten Philosophen der Geistesgeschichte wie Marx, Horkheimer und Adorno anstelltest. Predigten waren Deine Kommentare, die Du so als Dean brachtest allemal - mit den Ausrufezeichen, dem Fettdruck, der Kleinschreibung, dem manifestartigen Verlautbarungstonfall waren die so dermaßen aufgesetzt, dass ich irgendwann die Lust verlor, da noch hinzulesen.


Und um Schwulität als Solche geht es bei der aktuellen Auseinandersetzung ja nicht, sondern darum, wie falsche Projektion, Vereinnahmung subjektiver Sichtweisen durch ein konstruiertes Allgemeines, Diskriminierung von Minderheiten durch die Mehrheit usw. funktionieren. Man ersetze in der Sentenz "Schon richtig, die Schwulen haben gewisse Nachteile zu erleiden, aber man bedenke doch auch die schickischicki Vorteile!" mal das Wort "Schwule" durch "Juden". Alles klar?

Und in Anbetracht der Deutlichkeit, in der Momorulez immer und immer wieder seine eigene Wahrnehmung und auch seine eigenen Empfindlichkeiten artikuliert hat bist Du eigentlich nicht nur ein zweites Mal auf eine Mine getreten. Dein Vorgehen ist mehr so wie auf einen roten Knopf mit der Aufschrift "Nuke" zu drücken und sich zu wundern, was dann passiert.
netbitch - 12. Aug, 00:00

Ich hätte es nicht besser formulieren können. Abgesehen davon, dass ich Dean für seine Generalangriffe auf Feministinnen - ich bin Eine, und wahrlich sehr im Dissens mit deren Mainstream und begeisterte Männerfickerin, keine Männerhasserin, und völlige Gegnerin dieser Männer-tun-Frauen-Übles-Haltung - echt hätte eine dongen können, ist diese Feminismus-Dekonstruktionismus-Antiimperialismus-Antipatriarchats-MarxAdornoFoucault-Ablehnungshaltung tatsächlich höchst reaktionär und nimmt vor allem nicht zur Kenntnis, was von links in den letzten 50 Jahren so entwickelt wurde. Ignoranz als Programm. Dean, Du wolltest ja Antworten haben. Ich wollte nicht antworten, weil das wenig mit mir zu tun hat. Aber hier antworte ich mal. Und, übrigens: Noergler, Workingclasshero (schmatz!) und Che haben sich an den Positionen von Momo in unterschiedlicher Weise abgearbeitet und eigene Gedanken in Frage gestellt. Mit unterschiedlichen Ergebnissen, zum Beispiel nimmt Noergler zu Butler und nehmen Che und ich zu Hartmann und Cassandra völlig andere Positionen ein als er. Bei Dir ist aber eine kritische Auseinandersetzung nicht wahrnehmbar.
workingclasshero - 12. Aug, 00:32

Nachdem ich hier schon mit "schmatz" begrüßt wurde, und ich gebe zu, dass ich meiner Liebsten über die Schulter sah, als sie das schrub sag ich auch mal was dazu. Eigentlich sind wir seit langen Zeiten Bündnispartner. Und andererseits kloppst Du das komplett in die Tonne, wenn Du linke Positionen, die nicht Deine eigenen sind veralberst, veräppelst, lächerlich machst. Das ist Dein Hauptproblem: Du verachtest Ansätze, die nicht Deinen eigenen entsprechen. Und sorry, als radikaler Linker, der schon mal wegen Landfriedensbruch im Knast saß: von meiner Position aus sind die Abstände zwischen Deiner Soziale-Marktwirtschaft-Position und den Neoconnards auch nicht so riesig.
Katzenblogger (Gast) - 12. Aug, 14:14

Noergler, ich verstehe deine Kritik - in Bezug auf meine Butlerpostings und meine Haltung als Katzenblogger dazu. Ja, könnte man so sehen.

Immerhin habe ich mir damals einige (evtl. sogar häretische) Gedanken zu Butler und ihren Thesen gemacht, mir dabei etwas Mühe gegeben und sicher ist bzw. war auch aus meiner jetzigen Perspektive nicht alles falsch, was ich damals geschrieben hab. Butler ist mir in vielen, sehr vielen Punkten unverständlich, nach wie vor. Ich kann aber nun besser verstehen, warum es bedeutend <ist, was sie schreibt und schrub.

Inzwischen halte ich die Position vom "Pointenerklärer" für korrekt - in Bezug auf meine damalige - ähem - Butlerkritik. Dazu einige Punkte:

1. Ich hatte (und habe) zu wenig Fundament, um Butler so scharf anzugehen. Der Punkt wiegt schwer.
2. Inzwischen achte ich es deutlich höher als damals, wenn ein Autor (sorry for that if you don't like it) von mir als "sehr anregend" eingeschätzt wird.
3. Mein damals gern genutztes Argument mit der "Unwissenschaftlichkeit" hat sich bei mir inzwischen etwas abgeschliffen, aus mehreren Gründen: Mittlerweile finde ich es unfein (und meine Neigung, Widerspruch zu formulieren, oft zu rücksichtslos) eine politische Autorin und einer Wissenschaftlerin (gleich welchen Typs) mit dem Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit abzukanzeln. So sehe ich es jetzt: Es gibt in der Wissenschaft sehr unterschiedliche Stile. Viele davon, obwohl teils sogar entgegengesetzt, haben ihre Berechtigung und wissenschaftliches Fortschrittspotential. Der von mir immer noch sehr geschätzte empirisch-überprüfende Stil bei der Suche nach Wahrheit, Erkenntnis, Erklärungs- und Prognosefähigkeit kann und darf nicht der einzige Stil sein, im akademischen Betrieb, und schon garnicht bei der Diskussion um sozioökonomische oder politische Fragestellungen. Man könnte es so sagen: Ich bin etwas toleranter geworden - und meinem Wertungsvermögen gegenüber misstrauischer.

Wer mag, kann darin eine Weiterentwicklung sehen. Sicher spielte auch eine Rolle, dass ich Katzenblogger sinnlos explodierende Tretminen umgehen wollte - aber das ist es nicht allein.

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