"St.Pauli-Fans werden als akademische Mittelschichtkids bezeichnet. Was ich von denen im Hinterkopf habe ist u.a. die Parole 'Wir kriegen Sozi und ihr nicht'. War ja nie auf der Tribüne, aber in der Kurve sind das eher so die Underdog-Stachelpunks, Leute, die man in Amerikanien als white trash oder white scum bezeichnen würde."
Nein, das ist nicht richtig. Ein Großteil der Fans vom FC St. Pauli sind genau dieser Mittelstand: Werber, Menschen aus der Verlags- und IT-Branche, Studenten. Es ist in bestimmten Kreisen mittlerweile schick, sich ein wenig den Anstrich des Underdog oder des White Trash zu geben und sich durchs Dabeisein eine linke Gesinnung zu borgen, ohne doch links zu sein. Wer gibt auch gerne zu, im Grunde und von der Struktur des Denkens eigentlich CDU oder FDP wählen zu müssen? Klingt uncool.
Die Underdogs aus Dulsberg oder Steilshoop findet man wohl eher beim HSV und nur bedingt auf St. Pauli. (Heißt das überhaupt „auf St. Pauli“? Im Grunde kenne ich nur: „Auf Schalke“.)
Das ist übrigens ein Grund, warum ich den FC St. Pauli nur sehr bedingt mag. Mir sind da zu viele Werber und ITler. Momorulez ist da eine gute Ausnahme, weil er diese Aspekte rund um das Stadion und im Stadion selbst eben auch politisch auflädt, was, wie ich vermute, die wenigsten der Fans dort machen. Wie mir auch meine Freundinnen aus Hamburg berichten: es ist eher schick und es ist in FC St. Pauli-Fan zu sein.
Wer noch das Milieu sehen will, der muß zu Eisern Union gehen. (Na ja, stimmt so auch nicht mehr.)
Die nivellierte Mittelstandsgesellschaft" ist natürlich ein ideologisch gebrauchter Begriff.
Momorulez' Satz "Das, was noch in den 80ern ja auch nur halbwahr noch 'nivellierte Mittelstandsgesellschaft' genannt wurde, ..." würde ich so lesen, daß wir im Übergang von den 80ern in die 00er Jahre einen massiven Schnitt in der Gesellschaft bekamen, der bestimmte Schichten hat wegbrechen lassen: sie wurden in den Niedrig- bzw. besser geschrieben: in den Fast-gar-kein-Lohn-Bereich verlagert. Die USA haben das vorgemacht. Das Interessante am Hartz-IV- Projekt: diejenigen, welche noch nicht betroffen sind, aber im Grunde und an sich jederzeit betroffen sein könnten, treten am heftigsten nach unten. Wahrscheinlich weil ihnen die pure Angst im Nacken sitzt. Heute kann jedem sein Reihenhaus oder das Haus mit Garten, die Altbaueigentumswohnung wegbrechen. Das erzeugt dann den nötigen Druck im Kessel.
Ok, so herum betrachtet wirkt es plausibel. Mein Zugang zu dem ganzen Geschehen ist halt ein spezieller; St. Pauli-Fan-Umfeld kenne ich hauptsächlich im Zusammenhang mit Leuten, die auch im Schwarzen Block dabei sind, und dort nicht in der Fraktion mit Ray-Ban-Brille und Carhartt-Klamotten, sondern eher in der Vierkantholzfraktion. Vielleicht gehören die ja zu den Ultras, von denen Momorules schreibt.
Btw. und seit Etwa Mitte der Neunziger hat ja die linke Szene in HH ganz erschreckend abgebaut. Von "Hochburg", die die Stadt bis dahin war kann ja überhaupt nicht mehr die Rede sein.
Ja, das hat es auch gegeben. Der Sänger von Slime war in den 80ern ursprünglich HSV-Fan. Als dort die Fangruppe der Löwen nach rechts driftete und damit einhergehend die Hamburger Nazi-Skins einzogen, politisierten und immer mehr wurden, geriet das da zu hart und zu kraß für die Punk-Fraktion; viele gingen zum FC St. Pauli, hinzu kam die Hafenstraßenfraktion. (Nebenbei: in den 80ern gab es in HH eine ziemliche Hardcore-Rechts-Szene. Als wir mal Neunzehn fünfundachtzig im Osten Hamburgs feierten, machten wir mit denen Bekanntschaft. Stichwort: Savage Army, Heiner Grasshoff, Wacker. War nicht wirklich lustig. Die hatten Baseball-Schläger und wir nicht, und selbst wenn wir welche hätten, nützte uns das wenig. Ich bin aber ein ziemlich schneller und langausdauernder Läufer gewesen. Und sehr sehr unglücklich verliebt dazu. Das macht dann leider manchmal leichtsinnig. Aber beim Anblick dieser Typen überkommt einen eher das Grausen. Und so lief ich.)
Ray Ban-Brille habe ich übrigens auch. Aber schon seit den 80ern.
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Das Auto, der Lancia: richtig cool, volle Zustimmung ...
@"Die hatten Baseball-Schläger und wir nicht" - Wir hatten Tonfas aus solidem Teak und unsere kurdischen Genossen abgesägte Schrotflinten, unsere nigerianischen Freunde Pistolen. Vor uns liefen die Nazis weg. Einmal mobilisierten wir eine Biker-Gang. Da haute auch die Borussenfront ab. Topact: Nazis griffen ein Flüchtlingswohnheim an, in dem ausgrerechnet Leute von der Volksfront für die Befreiung Palästinas untergebracht waren. Die konnten froh sein, wenn das Resultat unterhalb der Intensivstation abging.
Ja, in diesen Fällen ist es besser, gut gerüstet zu sein. Hier in Berlin (und nicht nur da) sind insbesondere die Nationalen Autonomen von übel. Selbst die Frauen dieser Gruppe sind ziemlich hart und gewalttätig drauf.
Nein, das ist nicht richtig. Ein Großteil der Fans vom FC St. Pauli sind genau dieser Mittelstand: Werber, Menschen aus der Verlags- und IT-Branche, Studenten. Es ist in bestimmten Kreisen mittlerweile schick, sich ein wenig den Anstrich des Underdog oder des White Trash zu geben und sich durchs Dabeisein eine linke Gesinnung zu borgen, ohne doch links zu sein. Wer gibt auch gerne zu, im Grunde und von der Struktur des Denkens eigentlich CDU oder FDP wählen zu müssen? Klingt uncool.
Die Underdogs aus Dulsberg oder Steilshoop findet man wohl eher beim HSV und nur bedingt auf St. Pauli. (Heißt das überhaupt „auf St. Pauli“? Im Grunde kenne ich nur: „Auf Schalke“.)
Das ist übrigens ein Grund, warum ich den FC St. Pauli nur sehr bedingt mag. Mir sind da zu viele Werber und ITler. Momorulez ist da eine gute Ausnahme, weil er diese Aspekte rund um das Stadion und im Stadion selbst eben auch politisch auflädt, was, wie ich vermute, die wenigsten der Fans dort machen. Wie mir auch meine Freundinnen aus Hamburg berichten: es ist eher schick und es ist in FC St. Pauli-Fan zu sein.
Wer noch das Milieu sehen will, der muß zu Eisern Union gehen. (Na ja, stimmt so auch nicht mehr.)
Die nivellierte Mittelstandsgesellschaft" ist natürlich ein ideologisch gebrauchter Begriff.
Momorulez' Satz "Das, was noch in den 80ern ja auch nur halbwahr noch 'nivellierte Mittelstandsgesellschaft' genannt wurde, ..." würde ich so lesen, daß wir im Übergang von den 80ern in die 00er Jahre einen massiven Schnitt in der Gesellschaft bekamen, der bestimmte Schichten hat wegbrechen lassen: sie wurden in den Niedrig- bzw. besser geschrieben: in den Fast-gar-kein-Lohn-Bereich verlagert. Die USA haben das vorgemacht. Das Interessante am Hartz-IV- Projekt: diejenigen, welche noch nicht betroffen sind, aber im Grunde und an sich jederzeit betroffen sein könnten, treten am heftigsten nach unten. Wahrscheinlich weil ihnen die pure Angst im Nacken sitzt. Heute kann jedem sein Reihenhaus oder das Haus mit Garten, die Altbaueigentumswohnung wegbrechen. Das erzeugt dann den nötigen Druck im Kessel.
Btw. und seit Etwa Mitte der Neunziger hat ja die linke Szene in HH ganz erschreckend abgebaut. Von "Hochburg", die die Stadt bis dahin war kann ja überhaupt nicht mehr die Rede sein.
Ray Ban-Brille habe ich übrigens auch. Aber schon seit den 80ern.
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Das Auto, der Lancia: richtig cool, volle Zustimmung ...