16
Jan
2011

Wie der Poststrukturalismus damals Vernunft und gesellschaftliche Realitäten zurück in die linksradikaleFrauenbewegung brachte

Dunnemals als Küken im FrauenLesbenzentrum war es ja oft gar nicht witzig. Da wurden mehr oder weniger moraltheologische Debatten geführt, die eigentlich keine brauchte. Mal ging es einen ganzen abend darum, ob das Tragen von Pelzen in Ordnung sei oder nicht, und wenn ja, was für ein Pelz, vielleicht nur ein alter, ererbter, wo das Tier schon gestorben ist bevor wir selbst geboren wurden, und dann wurde das auf Leder ausgedehnt, ob statt Leder (und die Ladies waren zur Hälfte in Leder gekleidet, von einigen wusste ich, dass privat auch gepeitscht wurde) nicht nur Rubber,Lack oder Latex getragen werden dürfte, und ob es im Kommunismus noch Seidentücher gäbe, die wären doch überflüssiger Luxus.


Die praktische Arbeit, die die Schwestern machten war ja wirklich sinnvoll - Frauennotruf, Frauentaxi, Vergewaltiger-wir-kriegen-Euch-Kampagne, Unterstützung des Frauenhauses, Frauenbuchladen - aber die Diskussionen waren großenteils grauenvoll. Bei eher literarischen Diskussionen mit Seminarcharakter, z.B. über Simone de Beauvoir, Marylin French oder Susan Brownmiller gab es auch echte Höhenflüge, aber grottig wurde es, wenn es ans Eingemachte ging.


Ich erinnere mich da etwa an die Debatte über den weiblichen Orgasmus, die davon ausging, dass der G-Punkt ein Mythos der 70er Jahre sei. Im Kern stand die, anders kann ich das jetzt nicht sagen, ideologische Vorstellung, dass es keinen vaginalen, sondern nur einen klitoralen Orgasmus gibt. Demzufolge wäre es unmöglich, dass ein Coitus mit Penetration eine Frau wirklich befriedigen könnte. Demgegenüber sei Cunnilingus das Höchste der Gefühle. Das wurde tatsächlich nicht als persönliche Meinung oder thematische Annäherung geäußert, sondern als politisches Programm. Die patriarchale Zurichtung der Frau als Gebärerin, die im Missionarsstellung-Rein-Raus-Mackersex steckte, wurde diametral umgedreht, die Naturalisierung aber beibehalten. Die Leugnung des G-Punkts beinhaltete eine biologistische Herleitung der wahren Natur weiblichen Sexempfindens aus der weiblichen Anatomie, und dann war halt Cunnilingus der natürliche Weg einer Frau zum Lustempfinden. Ich verstand ja so einige arme Hascherl, die, nachdem sie von eher dumpfen oder auch einfach nur völlig ungeschickten und unerfahrenen Kerlingern gestumpfpoppt worden waren im lesbischen Coming Out die Erfüllung und Neuwerdung erlebten, aber das Ganze als politisches Programm, in dem es dann auch politisch korrekten und unkorrekten Sex gab, das war dann etwas too much. Ich lies dann auch Gesichtsausdrücke entgleisen, als ich sagte, dass es den vaginalen Orgasmus gibt hätte ich nunmal empirisch, und ´türlich würde ich gerne geleckt, aber auch hin und wieder heftig durchgestoßen, und ansonsten gälte der Satz der Prophetin: "Wer leckt, dem soll geblasen werden."


Von da ab wurde ich tatsächlich von einigen Kampflesben als "Schwanzlutscherin" bezeichnet, und das war durchaus als Schimpfwort gemeint. Und dann kam Butler.

Die Diskussion um Gender Troubles brach tatsächlich die blöden Biologisierungen und Naturalisierungen auf. Gab es Transgenders und gab es rein soziale Definitionen von Geschlecht, dann waren auch völlig andere Gesellschaften und Verhaltensmuster als Heteronormativität und ihre 180prozentige Umdrehung möglich. Foucaults Dispositive der Macht wurden diskutierbar und plötzlich sogar wieder der alte Engels mit seinem Ursprung der Familie. Und dazu brachten einige Lederlesben mit BDSM-Praktiken eine andere Art von Schwung in die moralinverstaubte Bude. Gender Troubles brachte die Rettung, durchaus auch von frauinneninternen Selbstbespiegelungen zurück zu einem klassenkämpferisch ausgerichteten Feminismus.
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