16
Mai
2006

Realsatire

Kaum lese ich mal wieder in eines dieser prowestlichen Blogs hinein, werde ich von Lachen geschüttelt:

"es ist eine schande wohin europa steuert.
denke ich an europa sahe ich mehr schatten als licht.

wie kann man als einzelner dagegensteuern? gäbe es wenigstens eine liberale partei in deutschland, könnte man sich in dieser engangierent einbringen. aber so - überall linkes gedankengut wohin man blickt. " - Rechtschreibfehler so vorgefunden -


Das zeigt am Genauesten, wie bestimmte Leute gestrickt sind. Es gibt in Deutschland eine explizit liberale Partei, die FDP, es gibt zwei de facto liberale Parteien, FDP und Grüne, und der Gegensatz zu liberal ist bekannterweise nicht links. Was folgt also daraus?

1) Der Verfasser oder die Verfasserin hält Liberalismus für etwas Anderes, als der Volksmund, die Politikwissenschaft und das Wahlvolk.

2) Die Tatsache, dass eine Islamkritikerin gegen die repressiven europäischen Asylgesetze verstoßen hat und deswegen ein Land verlassen muss, in dem sie bislang schon an Leib und Leben bedroht wurde, unde zwar von Islamisten, diese Tatsache ist irgendwie links (verwechselt da vielleicht jemand was mit link?). Demzufolge sind entweder die für das Draußenhalten von MigrantInnen aus der EU gemachten verschärften Einreisebestimmungen links (demzufolge wären die MultikulturalistInnen und AntirassistInnen rechts) , oder die Islamisten sind Linke. Vielleicht ein politisches Koordinatensystem unter dem Einfluß von Meskalin entworfen?

3) Wenn "liberal" das Gegenteil von "links" bedeutet und "links" nicht für den unter 2) erwähnten Schwurbel steht, "links" also antirassistisch, internationalistisch, feministisch, pazifistisch, umweltbewusst und in weitem Sinne sozialistisch meint, und "liberal" wäre das Gegenteil davon, dann wäre "liberal" also was? Eben.

Deutlicher kann es eigentlich niemand machen, dass "liberal" bei bestimmten Leuten nichts mit Liberalismus zu tun hat, sondern eine Metapher für neokonservativ bis rechtsradikal.

Trackback URL:
https://netbitch1.twoday.net/stories/2014538/modTrackback

noergler - 16. Mai, 13:15

Das kann Mr. Liberal, ein Fahnenschwenker des unfreiwilligen Humors, im Rahmen seines punktgroßen Horizonts nicht verstehen. Aber ich verstehe ihn:
Jeder, der nicht dafür ist, daß - ohne jegliche Beschränkung durch Gesetz, Moral oder sonstige Übereinkunft - Stärkere mit Schwächeren alles, aber auch wirklich alles machen können was sie wollen, ist "links" - ein Gesellschaftsmodell, dem ich die Vorstellung inexistenter Strafverfolgungsbehörden bei der Diskussion mit ihm abgewinnen könnte.
Ich durfte mich so frei äußern, da er das auch wieder nicht versteht.

che2001 - 16. Mai, 13:45

Agendasetting

Die Agenda ist interessant, die da herauskommt:

antirassistisch, internationalistisch, feministisch, pazifistisch, umweltbewusst und in weitem Sinne sozialistisch - das Gegenteil wäre, einzeln aufgedröselt, rassistisch, wahlweise nationalistisch oder imperialistisch oder kosmopolitisch in einem kalten, investormäßigen Sinn, patriarchal, bellizistisch bzw. militaristisch, umweltzerstörend sowie marktradikal und antisozial.

Hey, da erscheinen die Elemente der Gegenaufklärung in einem ganz neuen Licht!
netbitch - 16. Mai, 16:07

noergler, ein punktgroßer Horizont, ist das nicht ein schwarzes Loch? Und dessen Ausdehnung exakt null, seine Zerstörungskraft aber unvorstellbar?
politischinkompetent - 16. Mai, 14:06

Volltreffer - versenkt! ;-)

Schön zusammengefasst, dass sich da rechtslastige und rechte Ratten gerne selbst als links verkaufen wollen. Siehe nur so "netten" Müll wie die ebenso rechtslastige "Internationale Gesellschaft für Menschenrechte", die Menschenrechtsverletzungen bevorzugt in sozialistischen Staaten anprangert, nicht aber in den USA. Oder die verlogene, arbeitgeberfinanzierte "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", wo das einzig wirklich neue ist, dass deren Verständnis von "sozial" nichts mit dem eigentlichen Begriff zu tun hat. Sozial ist da, was Unternehmen und Konzernen den Allerwertesten nicht nur küßt, sondern vorher noch mit Sahne füllt. Gegen die radikalen Ergüsse so mancher, die sich liberal bis libertär schimpfen, erscheint selbst manch saufende Dummglatze noch fast pazifistisch...

Ergo: Man kann nicht so viel essen, wie man beim Anblick dieser Leute und ihrer dümmlich-widerwärtigen Schmierereien kotzen möchte...

MfG

Daniel

noergler - 16. Mai, 16:41

Daniel, ich glaube nicht, daß Mr. Liberal sich als links verkaufen wollte.
walhalladada - 16. Mai, 14:37

Einfach enervierend...

dieses gevagte Vakuum aus Hohlpathos und verschissener Windelmetaphorik....

Allein die Beifallsstürme, die Westerwelles
Bemerkung veranlasst hat, " Frau Leyeyden wolle wohl den Bundesadler in einen Storch verwandeln....?

...zum Erbrechen nekisch!

workingclasshero - 16. Mai, 15:12

Tja, früher wollten wir Schwerter zu Pflugscharen, heute fordert man Adler zu Störchen. Ich bin ja eher für Schwerter zu Zapfhähnen.
noergler - 16. Mai, 16:39

netbitch, in Physik findet man mich eher schwächelnd vor. Ich hatte mich nur spontan daran erinnert, daß mir an der Uni mal von der studentischen Avantgarde des Proletariats vorgehalten wurde, ich hätte nicht den richtigen Klassenstandpunkt. Ich habe geantwortet: Ein Standpunkt besitzt einen Radius mit der Ausdehnung null.

wagalaweia, der Adler-Storch-Spruch ist nicht wirklich der Bringer, aber das Beste, was ich je von Westerwelle gehört habe.
zeichensatz - 16. Mai, 15:09

Tja, nicht überall, wo liberal drauf steht ist auch liberal drin. Wenn man mal spaßeshalber das Programm der FDP aus den frühen 70er Jahren mit dem heutigen "Programm" der Partei vergleicht, fällt's einem wie Schuppen aus den Augen.

che2001 - 16. Mai, 15:17

Da wären wir beim Programm von Dr. Dean.
Rayson - 16. Mai, 20:35

Ich verstehe nicht, was Herrn "Tewe" in die beneidenswerte Position gebracht hat, als pars pro toto herangezogen zu werden.

Die Eignung als leichtes Opfer? Die Tatsache, dass Statler ihn nicht löscht? Der Umstand, dass er keinen eigenen Blog angibt, sein Hintergrund also schwerer nachprüfbar ist?

Und das alles in einem Blog, dessen Autoren nicht gerade eine restriktive Einwanderungspolitik vertreten? Fragen über Fragen....

netbitch - 16. Mai, 22:37

Nun, ganz einfach. Er vertritt eine schwurbelige Mischung aus Positionen, die dem entsprechen, was als gemeinsamer Nenner etwa zwischen Gegenstimme, Kewil, Lizas Welt, PI und diversen anonymen Kommentatoren oder Trollen aus der Neocon-Ecke übrigbleibt. Statler himself ist da zunächst selber gar nicht drin - solange er sich nicht selber einbringt.
kirjoittaessani - 16. Mai, 23:49

Liberal

…heißt ja zunächst nur, daß der Staat sich aus möglichst vielem heraushalten soll — jedenfalls kenne ich den Begriff so. Die Liberalen gibt's dann in zwei Geschmacksrichtungen, nämlich links- und rechtsliberal. Wenn denn einer rechtsliberal ist (und dann vielleicht noch am Rand, nein, nicht an dem zur Mitte hin), dann verwundert es nicht weiter, wenn er die ganze Welt voll sieht von fiesen Linken.
Die erwähnte Inexistenz von Strafverfolgungsbehörden könnte man durchaus als (zugegebenermaßen extreme) rechtsliberale Position betrachten. Daß das alles fürchterliches Geschwurbel ist, ist dabei natürlich unbestritten. Ob man eine rechtsliberale Position vertreten kann, ohne zu schwurbeln, kann ich momentan auch nicht sagen; denkbar wäre es aber.

netbitch - 17. Mai, 10:03

Nun ja, zu liberal gehört noch viel mehr, nämlich Gewaltenteilung, Rechtsstaat, eine Justiz, bei der Menschenwürde und Resozialisation im Vordergrund stehen, Menschen- und BürgerInnenrechte, Trennung von Religion und Staat, Respekt für Minderheiten jeder Art, Freiheit von Religionsausübung, Freiheit der sexuellen Gewohnheiten. Rechtsliberale verbinden dies dann mit Wirtschaftsliberalismus, Linksliberale hingegen mit Sozialliberalismus bzw. Sozialstaatsmodellen in der Tradition des sozialen Marktwirtschaft. Meistens steht bei Rechtsliberalen die Wirtschaft im Vordergrund, bei Linksliberalen hingegen die eben erwähnten Rechte und Prinzipien.

Und dann ergibt sich doch ein etwas anderes Bild. Leute, die wirtschaftsliberale Positionen vertreten, aber in keinem anderen der genannten Punkte liberal sind, kann mensch die noch Liberale nennen?
workingclasshero - 17. Mai, 10:52

Am rechten Rand der Liberalen formiert sich etwas, das gleichzeitig wirtschaftsliberal ist und den Islam als Reich des Bösen betrachtet. Funktionell gehts wohl darum, Sozialabbau und Deregulierung betreiben, den Volkszorn aber auf eine klar stigmatisierte Gruppe ablenken zu können.

http://de.wikipedia.org/wiki/Pim_Fortuyn
che2001 - 17. Mai, 14:05

@netbitch: Leute, die wirtschaftsliberale Positionen vertreten, aber in Fragen Innen- und Rechtspolitik, Abtreibung, Homosexualität, Familienpolitik usw. konservativ sind, nennt man anderswo Torys oder Gaullisten und rechnet sie zu den klassischen Konservativen. Wirtschaftsliberal alleine ist kein Alleinstellungsmerkmal einer liberalen Position.

@kirjoittaessani - ist Dein Name finnisch?
noergler - 17. Mai, 18:13

Wer wird stigmatisiert?

@ workingclasshero "Am rechten Rand ..."

Schon richtig, man braucht eine klar stigmatisierte Gruppe, um die Mehrheit über den Löffel zu balbieren. Nur: Wer ist diese Gruppe? Die Muslime? Keinesfalls! Die paar islamophobischen Schreihälse, kewil und sowas, zählen nicht, denn außer uns hier haben die keinen, der ihnen zuhört. Ohne Che et al wären die hierzulande ganz alleine auf der Welt.

Gibt es etwa eine Bundestags-Partei oder Verband oder Medienkonzern, irgendeine gesellschaftlich relevante Gruppe in diesem Land, die die Muslime oder den Islam stigmatisiert? Nein.

Aber als der vorige Bundeskanzler, der große Sozialabbauer und Deregulierer, zum "Aufstand der Anständigen" gegen "Antisemitismus" und "Rassismus" aufrief, da waren alle da: die Bürger, die Parteien, sämtliche Medien, die Arbeit"geber"verbände, die Gewerkschaften, Sozialverbände, Kirchen. Eine solche Einigkeit gab es noch nie. Erstaunlich, nicht?

Wir sehen: Die Stigmatisierten sind die Neonazis. Sie werden gebraucht, damit sie den braunen Trash abgeben, den fraglos verabscheuungswürdigen Hintergrund, vor dem die Abkocher und Abzocker, die nach unten Treter und nach oben Umverteiler glänzend sich abheben, um sich jede Sauerei und jede Noch-mehr-Aneignung leisten zu können.

Ich meine damit nicht, daß man nun für Antisemitismus und Rassismus sein soll. Aber etwas mißtrauisch werde ich schon, wenn von oben die Parole ausgegeben wird: 'Ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Anti-Antisemiten und Antirassisten', und sich daraufhin das Gesamtvolk, vom Bentley-Fahrer bis zum 1-Euro-Jobber harmonieselig in den Armen liegt.
workingclasshero - 17. Mai, 18:22

Klartext

Ähem, ich muss jetzt wohl mal ganz deutlich aussprechen, was ich schon einige Zeit durch das Posten von Links versuche, was aber scheinbar nicht ankommt. Also ganz klarer Klartext: "Am rechten Rand der Liberalen formiert sich etwas, das gleichzeitig wirtschaftsliberal ist und den Islam als Reich des Bösen betrachtet. Funktionell gehts wohl darum, Sozialabbau und Deregulierung betreiben, den Volkszorn aber auf eine klar stigmatisierte Gruppe ablenken zu können." bezieht sich auf die derzeitige politische Realität in den Niederlanden, und in diesem Kontext sind Fortuyn, van Gogh und Ali/Magan zu verorten. Die neokonservativen Politautisten, die sich teilweise in der deutschen Blogosphäre tummeln,versuchen dieses Erfolgsmodell zu kopieren, was nicht klappt. Was Du bezogen auf Deutschland sagst, ist natürlich hundertpro richtig.
kirjoittaessani - 18. Mai, 01:28

@netbitch: Hmja, eigentlich sollten diese Punkte wohl dazugehören, aber bei einigen weiß ich nicht so recht, ob sie bei den Rechts- oder meinetwegen Wirtschaftsliberalen so weit verbreitet sind. Wenn jemand sie dagegen alle unterschreibt, ist er dann nicht schon fast automatisch linksliberal? Zugegeben, das ist jetzt Wortklauberei. Ich wollte eigentlich nur sagen, daß liberal ein recht weites Feld abdecken kann, eben auch hin bis zu den Neokonservativen.

@che2001: Ja; er ist aber auf finnisch kein Name.
che2001 - 18. Mai, 08:47

Und was heißt es übersetzt?
kirjoittaessani - 20. Mai, 00:44

Etwa während ich schreibe oder als ich geschrieben habe.
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