24
Nov
2013

Ein Lied, zwei drei

Zur Melodie des Lieds von der Partei:

Die Moral, die Moral, die hat immer Recht....

Ich kann mich lebhaft daran erinnern, dass in den Neunzigern das Thema "Sexismus in der Musik" in der Linken zu regelrechten Hexenjagden führte. Ein Scorpions-Cover, das eine spärlich bekleidete Frau und einen Mann in schwarzer Lederkluft zeigte, die sich knutschend in den Armen lagen bot Anlass zu einem Boykottaufruf gegen diese Band, Zitate aus Songtexten von IceT durften grundsätzlich in linken Szenepublikationen nirgendwo gedruckt werden, weil der mit "Evil Dick" sich zum schlimmsten Sexisten der Musik überhaupt qualifiziert haben sollte, und mit Sexismusvorwürfen bis hin zur versuchten Vergewaltigung versuchten manche Punkbands andere aus Jugendzentren zu kicken, wobei es eigentlich um einen Verdrängungswettbewerb um den Zugang zu Proberäumen und Auftrittsmöglichkeiten ging. Ich erinnere mich daran, dass DJs eine freiwillige Vorzensur praktizierten, bevor sie bei Szeneparties auflegten, dass beim Spielen von "Skandal um Rosi" die Bühne gestürmt und die Verstärker abgedreht wurden und dass es so eine Art Gesellschaftsspiel war, dass auf gewissen Feten Schwestern die Plattenschränke von Kerlingern durchmusterten und diese bei bestimmten, für nicht PC gehaltenen Titeln aufforderten, sich zu rechtfertigen. Die Sexismusdebatten, die darum geführt wurden hatten etwas von Moraltheologie. Die Zensur als zentraler Zugang zur Musik in einer sich selbst als libertär bezeichnenden Szene.

Nicht nur Musik: Schlüsselerlebnis in meinem ersten Semester in Göttingen war die Tatsache, dass eine freie Kinoinitiative den Film "Puppenmord" zeigte und dafür mit einer aufgeblasenen Sexpuppe warb, was ja auch zum Thema der Komödie passt. Prompt wurde zum Boykott des Films aufgerufen und die Puppe zerstört. Mit dem Vokabular der 19 Jährigen aus der Provinz rief ich den Genossinnen die das taten "Ihr Trottel!" ins Gesicht, mich systematisch mit der linken Moralisierung vopn Sexualität auseinanderszusetzen war ich damals noch nicht in der Lage, später umso mehr. Meine Selbstinszenierung als bekennende Schlampe hängt mit dem Verbotsfeminismus jener Jugendjahre zusammen.

Heute, fast 20 Jahre später ist es halt das Thema Rassismus bzw. Critical Whiteness. Als Antirassistin verstehe ich mich weißgöttin ganz entschieden. Aber wenn in einer Welt, in der Tausende Refugees im Mittelmeer versaufen das Wumbaba-Buch, die Tatsache, dass für die Besetzung einer Rolle eines Schwarzen kein schwarzer Schauspieler eigens engagiert wird sondern ein Weißer sich schminkt (was übrigens mit Black Face überhaupt nichts zu tun hat - Black Face meint das ostentativ sich über Schwarze belustigen und Schwarzenklischees dreschen, keine Frage der Rollenbesetzung) oder ein CD-Cover Hauptpthema des Anstoßes sind, dann kann ich nur sagen: Die spinnen, die Moralischen. Das taten sie schon immer. Es wird ein Lachen sein, das sie beerdigt.

Ach ja: Der gerade mal inkriminierte Begriff "Mohr" meint mitnichten und auch nicht mitneffen einen schwarzen Sklaven und ist auch nicht mit von Vornherein diskriminierender Absicht gebraucht, sondern bezeichnete ursprünglich muslimische NordafrikanerInnen berberischer Herkunft ("Mauren") und war wenn nicht respektvoll so zumindest wertneutral. Othello, der Mohr von Venedig, war kein schwarzer Sklave, sondern ein als Admiral die venezianische Flotte befehligender ehemaliger Berberpirat von adligem Rang. Das mal zur Geschichtsvergessenheit gewisser Leute.
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Erlebnisse einer kritischen Hedonistin

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