11
Jan
2019

Über Körperlichkeit, Fitnesskult, Reha, Bergsteigen und die Gelbwesten

In alten DCT-Zeiten und noch während der Auseinandersetzungen zwischen Linksbloggies und Liberallalas gab es sie regelmäßig, die großen Blogschlachten mit über Hundert Kommentaren. Schnee von gestern, gibt es leider nicht mehr. Frau könnte auch sagen Che von gestern, denn auf Ches Blog findet sich ein Thread, der mit zwei unterschiedlichen Debatten 2011 bzw. 2015 begann und weitgehend mit dem gleichen Personal wie damals jetzt erst zum Abschluss kam. Was da an politischen und popkulturellen Weltbildern und Subdiskursen drinsteckt würde für mehrere soziologische Abschlussarbeiten ausreichen.

https://che2001.blogger.de/stories/1838134/#2710771

Trackback URL:
https://netbitch1.twoday.net/stories/1022663114/modTrackback

workingclasshero - 12. Jan, 19:24

Jetzt, nachdem wir damit keinen Thread beim Che mehr blockieren möchte ich die Diskussion durchaus fortsetzen. Steckt ja wie Du gesagt hast schon so Einiges drin.

Ich nehme das hier nochmal auf: "Diese Linksparteideppen (die zum Glück von allen Linksparteilern abgelehnt werden, die ich kenne) wollen den Sozialstaat in Form des Nationalstaats retten, unter kapitalistischen Bedingungen, wo das irgendwie finanziert werden muss, und deutscher Historie bedeutet das letztendlich aggressive Expansion nach Außen und Abschottung, die sich auch gegen die inneren Volksfeinde richten wird. Davon abgesehen, dass deren Sozialstaatsvorstellungen (genauso wie der heutige) auf autoritären Prämissen fußt und die Armen straft, überwacht und demütigt, im Namen der bisschen weniger Armen. Davon abgesehen, dass parlamentarisches Engagement systematisch den Klassenkampf ausschaltet, kann man bei Agnoli nachlesen. Davon abgesehen dass ein Sozialstaat nur für Deutsche verfassungswidrig ist (so wie die aktuellen Sanktionen für AG2-Empfängern), wenn man denn auf diesen Wisch idealistisch etwas halten mag."


Es ist richtig dass die gilets jaunes eine Grassroots-Bewegung sind und Aufstehen eine Topdown-Bewegung mit allen Problemen die damit verbunden sind, was so ähnlich auch für den women´s march on Washington oder Avaaz gilt. Die politischen Forderungen sind bei Aufstehen und den gilets jaunes durchaus ähnlich. Das Problem bei lacommune scheint allerdings ganz woanders zu liegen. Seine Generation weiß ja leider nicht mehr was ein Bewegungsbündnis mit Minimalkonsens ist. In den Achtzigern hatten wir das ständig, in good old Göttingen haben wir es bis heute: Bündnisse mit einem Grundkatalog an politischen Forderungen die nicht als konkrete Utopie sondern als mittelfristig zu erreichende Ziele gedacht sind und die in der Vergangenheit so unterschiedliche Partner wie Antiimps (das war das RAF-Umfeld), Autonome, Anarchos, MLer, die DKP, Gewerkschaften, Jusos, Grüne und Kirchen vereint haben. Eine solche Ausrichtung dürfte einem jungen Identitätslinken mit der reinen theoretischen Lehre strikter Obersvanz gar nicht vorstellbar sein.

Dann kommt das spezifisch antideutsche hinzu: Jeder politische Aufbruch in Deutschland kann nur böses bzw. nur Wiederholungen der faschistischen oder imperialistischen Vergangenheit Deutschlands hervorbringen, dass die Mehrzahl der Deutschen aus der Geschichte gelernt hat ist nicht vorstellbar. Wenn die Franzosen auf die Straße gehen ist das gut, wenn die Deutschen das täten wird tendenziell eher Scheiße rauskommen, das ist das antideutsche Credo (von dem ich nicht weiß ob lacommune es explizit vertritt). Das hat aber mit links nichts mehr zu tun. Es bezieht sich nicht auif eine empirische Analyse der politischen Ökonomie sondern ist ein Bündel von Glaubenssätzen. Das Antideutschtum ist eine säkulare Religion mit deutlichem Sektencharakter, keine Form linker Theorie. Und natürlich fürchten die linke Theorie mit empirischer Anwendung marxscher Theoreme auf die reale Klassenlage, etwa Wildcat oder Materialien für einen neuen Antiimperialismus wie der Teufel das Weihwasser.

willy56 - 12. Jan, 20:51

Ich denke man kann die Gelbwesten-Bewegung nicht so ohne weiteres nur links einordnen.

S. etwa hier: https://sezession.de/59917/die-gelben-westen-und-das-periphere-frankreich

netbitch - 13. Jan, 18:43

@schatz, ganz recht, der Katalog politischer Programmpunkte bei aufstehen ist vor allem als Skizze für die Eckpunkte einer möglichen künftigen Zusammenarbeit von Die Linke, SPD und Grünen sowie Neuen Sozialen Bewegungen zu sehen, als so eine Art Wunschzettel.

@willy, ich weiß nicht ob sich eine rechtsradikale Zeitschrift als Quelle zur Bewertung eines neu auftretenden politischen Phänomens wirklich eignet. Die Gelbwesten selbst sind aber auch gar nicht Bestandteil der Betrachtung von Workingclasshero.
netbitch - 13. Jan, 19:22

Zu den anderen Punkten von lacommune: Ob die Sozialstaatsvorstellungen der Linkspartei autoritär und social engineering - mäßig sind wäre erstmal zu eruieren, immerhin wollen sie HartzIV abschaffen und nicht zurück zur Gängelung der alten Sozialhilfe. Was Agnoli zur Dialektik von Parlamentarismus und Klassenkampf schrieb schrieb er in den Siebzigern, als der Operaismus in Form wilder Streiks mit politischer Stoßrichtung und Kampfformen wie Werksbesetzungen, Meister verprügeln und bewaffneten Demos mit ostentativ präsentierten Pistolen seine Hochzeit hatte, und da stellt sich schon die Frage wie denn die Kampfformen heute auszusehen haben. Insbesondere war dies eine Zeit des auf deficite spending und Rüstungsspirale gestützten Keynesianismus mit jähem Wirtschaftswachstum das durch eine kleine Rezession gebremst wurde, das ist mit unserem heutigen enthemmten Globalkapitalismus überhaupt nicht zu vergleichen. Die Kämpfe der Siebziger spielten sich ab vor der Perspektive: "Die Gegenwart ist vom Lebenssstandard und den sozialen Garantien besser als die Vergangenheit, die Zukunft wird noch besser, das reicht uns aber nicht, we don´t want just one cake, we want the whole fucking bakery".


BTW und von einem Sozialstaat nur für Deutsche ist bei Aufstehen auch nicht die Rede.
willy56 - 13. Jan, 19:57

Aber inhaltlich ist dazu nichts zu sagen? Ist doch immerhin bemerkenswert, dass bei den Gelbwesten keine Migranten dabei sind und sich das ganze an einer Erhöhung der Benzinpreise entzündet hat; klingt nicht allzu links.
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