9
Jun
2008

Liebe Wirtschaftsliberale!

Seid Ihr eigentlich so schlechte Verlierer, dass Ihr gar nicht merkt, wenn Ihr gewonnen habt?


http://www.antibuerokratieteam.net/2008/06/03/der-abbau-von-vorurteilen/#comments

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N-U-B - 9. Jun, 19:03

Weshalb gewonnen? Mein Eindruck ist eher, die gesellschaftlichen Kämpfe, Verteilungskämpfe, Auseinandersetzungen Sozialismus vs. Kapitalismus gehen unbeirrt weiter, auch weltweit.

netbitch - 9. Jun, 22:37

Klar tun sie das; Fukuyamas "Ende der Geschichte" hat nie stattgefunden. Aber ich würde nicht sagen, dass die Linke auf dem Vormarsch ist, und Che hat schon Recht, wenn er konstatiert, dass liberale Deregulierung die letzten Jahrzehnte als bewegende Kraft der Politik und Wirtschaft prägt. Die Selbstwahrnehmung der Blogliberalen als marginalisierte anachronistische Minderheit steht meiner Perspektive, dass diese eigentlich ein zugespitzter Mainstream sind entgegen.
N-U-B - 10. Jun, 18:14

Da wir ja bei den G8-Staaten nicht über reine Formen eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems reden, sondern über Mischformen und mehr oder weniger ausgeprägte Sozialstaaten, ist es schwierig zu sagen, welche Ideen da nun "alles" dominieren oder im Vormarsch sind. Es ist teilweise so, teilweise so. Das aufzudröseln würde meinen Kommentar auch sprengen. Auf der einen Seite wird Banken oft sehr freie Hand gelassen, im Rahmen der Globalisierung agiert Großkapital schrankenlos und nach eigenen Regeln, andererseits haben die Sozialstaaten recht hohe Steuer- und Sozialabgaben, wenn man die Abgaben an den Staat insgesamt und im Kontext mit Arbeit zusammenfasst und auf die Staatsquote schaut. Fragt sich jeweils bloß, was für die Menschen dabei rumkommt, vor allem für die, die es nicht so gut haben. Viel Staat ist dabei ja nicht automatisch auch sozial, wenig womöglich nicht immer unsozial. Ich stimme Dir aber zu, dass viele Firmen in den letzten Jahren sehr stark auf Profitmaximierung, Deregulierung und Standortverlagerung gesetzt und damit, wenn man so will, neoliberal vorgegangen sind. Zudem scheint es bereits Kanzler Schröder ein Anliegen gewesen zu sein, Großkonzerne zu unterstützen. In der Gesamtbetrachtung wäre es aber falsch von reinem Kapitalismus zu sprechen, so wie es falsch wäre, von reinem Sozialismus zu sprechen, es geht definitiv um Mischformen, deren jeweilige Effektivität und deren Nutzen für die Menschen im Einzelfall zu diskutieren wäre. Z.B.: Was bekomme ich mal raus für die Rentenbeiträge in die gesetzliche Rente? Steht einem, der länger gearbeitet hat, mehr Arbeitslosenunterstützung zu? Etc.

Dadurch, dass wir es mit Mischformen zu tun haben und zumeist mit demokratischen Rechtstaaten, was manche auch als Zeichen für eine funktionierende Demokratie werten würden (keiner hat absolute Macht), wird das Diskutieren in Kategorien Kapitalismus vs. Sozialismus sicher nicht einfacher, weil dies ja zunächst mal sehr absolute Kategorien sind. Mir wäre auch wichtig, dass "Etwas wird verkauft als..." (sozial z.B.) nicht die Identität "etwas ist..." bedeutet.
antibuerokratieteam.de - 9. Jun, 20:52

Ach Menno!

"Wirtschaftsliberale"... sollte doch eigentlich in den vergangenen 3 Jahren auch bis hierher durchgedrungen sein, dass wir für'n Liberalismus stehn, der sich für Vertragsfreiheit in *allen* gesellschaftlichen Bereichen (eben auch, aber eben nicht nur in der Wirtschaft) einsetzt...

Ist das eigentlich SO schwer zu realisieren?

netbitch - 9. Jun, 22:44

Überhaupt nicht schwer. Aber es gibt Liberale, die in erster Linie Menschen- und Bürgerrechte im Fokus ihres Interesses sehen und sich mit ökonomischen Fragen nicht oder marginal befassen und Linksliberale, die Liberalismus mit Keynesianismus oder Sozialstaatlichkeit kombinieren bzw. Ordoliberale, für die eine verbindliche Grundordnung des Wirtschaftens, an der sich Marktwirtschaft zu orientieren hat im Vordergrund steht und nicht das "freie Spiel der Kräfte". Diese "Ordo" ist etwas Anderes als Hayeks "spontane Ordnung". Dass Ihr Liberale nicht nur in der Ökonomie, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Fragen seid bestreite ich ja nicht.
che2001 - 12. Jun, 12:10

NUB, Dein Kommentar versachlicht das Ganze sehr gut, ich erlaube mir mal, ihn in die andere Debatte zu verlinken.
netbitch - 14. Jun, 17:02

Abschließender Kommentar zu einer unsäglichen Debatte

Mensch kann auch als LinkeR von Hayek profitieren. Die "spontane Ordnung", die Spieltheorie,die Überlegungen zur Wissensgesellschaft, all das sind Dinge, mit denen undogmatische Linke eigentlich sehr viel anfangen könnten. Nur hinsichtlich der konkreten politischen Ansichten klappts halt nicht. Ich traue Statler genug Ironie zu, diese Bombe bewusst in der eigenen Fankurve zu platzieren. Diese wiederum hat überwiegend ein Wahrnehmungsproblem. Für die sind Linke nämlich nicht nur Leute, die sozialistische, feministische, ökopazifistische Standpunkte vertreten oder sich entsprechend politisch organisieren, sondern sie haben bestimmte kollektive Charaktereigenschaften bzw. Mentalitäten (so, wie für den deutschen Spießer Juden auch nicht einfach nur an etwas anderes glaubten, nebenbei gesagt, das ist nämlich haargenau der selbe Mechanismus), die ihnen zugeschrieben werden. Für unsere ach so liberalen Freunde sind Linke autoritär, kollektivistisch, freiheitsfeindlich, zwanghaft und bürokratisch. Das Bild davon, wie der/die Linke zu sein habe, wird geprägt von der DDR und vielleicht noch Gestalten wie Castro und Chavez plus dem, was Leute wie Hayek geschrieben haben, die natürlich noch die tatsächlichen und ursprünglichen Stalinisten im Auge hatten. Wie die westliche Linke drauf ist, zu der T.Albert, Che, Momo, Workingclasshero oder ich zu rechnen sind, das ist ihnen aus persönlichem Erleben nicht bekannt. Wenn dann Che oder T.Albert darauf hinweisen, dass diese westliche Linke ein undogmatisches buntes Völkchen ist und mit einer chaotischen Punk- und Hippiehorde mehr zu tun hat als mit dem Bild von "den Linken", das die im Kopf haben, und das es bei dieser Linken so etwas wie ein Staatsmodell, einen Gesellschaftsentwurf, eine konkrete Utopie gar nicht mehr gibt (und sie daher auch keine autoritäre, diktatorische Gesellschaftsordnung anstreben), dann ist die Antwort bestenfalls "schön, das es auch solche Linke gibt, es wäre besser, wenn alle Linken so wären". Aber dabei bleibt das festgefügte Linkenbild unverändert in den Köpfen und wird kein Stück relativiert. Die Botschaft ist nämlich eigentlich gar nicht angekommen. Sie lautet tatsächlich. "Es gibt nicht auch solche Linke, sondern die weit überwiegende Mehrheit der undogmatischen Linken im Westen, die sogenannte linke Szene ist solch eine bunte Boheme". Die sind heute zwar politisch bedeutungslos, brachten es aber in den Siebzigern und Achtzigern locker auf über 100.000 Leute (am Rande: etwa doppelt so viel, wie die FDP Mit- und Ohneglieder hat). Diese Erkenntnis darf auf keinen Fall zugelassen werden, ebensowenig wie die Tatsache, dass Enteignungen, Verstaatlichungen usw. zur Zeit so wenig drohen wie der Einmarsch der Hunnen oder die Wiedereinführung der Spanischen Inquisition. Denn die Feindbildprojektion dient dazu, ein elitäres Bewusstsein und ein Wir-Gefühl aufrechtzuerhalten. Es ist auch eine rationalisierte Angst vor Unterschichten, Ausländern, Subkulturen und toughen Frauen. Die Diskussion über Texte und Autoren hat deshalb den Charakter einer Exegese der wahren und reinen Lehre und ist deshalb von historischen und ökonomischen Zeitumständen und Interessenlagen völlig losgelöst, weil sie nur einem Ziel dient: Der totalen Identifikation im eigenen Kollektiv. Dass dies über liberale Inhalte geschieht ist ein Treppenwitz. Sie zelebrieren ihre liberalen Vorstellungen so, wie die FDJ es mit dem Sozialismus gemacht hat.
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