21
Jan
2010

Exportweltmeister China

China hat Deutschland als Exportweltmeister abgelöst. Stand jedoch bei der deutschen Produktion vor allem hochwertige, technisch anspruchsvolle Ware wie z.B. Autos, Schiffe, Werkzeugmaschinen und Verfahrenstechnik sowie Heizungs- und Umwelttechnologie im Vordergrund, so macht China den größten Teil seines Geschäfts mit MRO-Gütern (Maintenance, Bureau, Organisation), Spielzeug und Küchenartikeln und Kleinwerkzeugen, Kompaktradios usw. zu konkurrenzlos günstigen Preisen. Ein Grund für diese Günstigkeit ist die Tatsache, dass ein Großteil der Produktion in Zwangsarbeitslagern stattfindet. Die Produktionsbedingungen dort sehen etwa so aus: 17 Stunden tägliche Arbeitszeit, Küchenabfälle in winzigen Rationen als Verpflegung, Aufrechterhaltung der Disziplin durch Güsse mit kaltem oder kochendem Wasser oder heißem Wachs sowie Peitschenhiebe, oft durch Drahtpeitschen, die mit Stahlnoppen belegt sind. Und die Folterware wird von den Deutschen wie blöd gekauft. Vergessen die Zeiten der Südafrika- Chile- und Uruguay-Boykotte. China zu boykottieren, auf die Idee käme niemand. Lieber günstig KZ-Ware kaufen.

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croco - 22. Jan, 15:56

Doch, ich!
Nein, tatsächlich schaue ich immer drauf, dass etwas in Europa herstellt wurde. Mitterweile fehlt aber oft der Hinweis auf das Herstellerland. Oder es steht "designed in germany" drauf.

che2001 - 22. Jan, 18:36

Ich gelte jetzt wahrscheinlich als Snob, wenn ich darauf hinweise, dass mein Geschirr hauptsächlich von Villeroi&Boch, Rosenthal, Bavaria, Kobayashi und Wedgewood ist.
netbitch - 22. Jan, 18:50

Ihr seid beide aber auch sicher nicht mit Otto Normal und Erika Mustermann näher verwandt.
croco - 22. Jan, 20:02

Es gibt machmal schon merkwürdige Gesichter, wenn ich erzähle wo, warum und was ich kaufe. Viele Leute in meinem Umfeld denken aber so wie ich. Da sind ökologisch orientierte Handwerker dabei, Bioladenleute, aber auch andere, von denen man nie annehmen würde. Insofern stimmt es, das ich in keiner Erika Mustermann Welt lebe.
Aber den meisten ist billig-billig wichtig. Und sie fragen sich nie, wo denn die Discounter ihre Ware her haben. Und wer nun daran verdient. Die Gebrüder A. verzichten sicher auf nichts.

che2001 - 23. Jan, 16:37

Mich würde mal interessieren, ob das Fair-Trade-kaufen seit den Achtzigern zu- oder abgenommen hat. Ich erlebte es damals als Normalzustand, aber ich lebte auch in einer Szene, in der das als moralische Norm gesetzt war, man galt da ja schon fast als schlechterer Mensch, wenn man keinen Nica- oder Ökokaffee kaufte. Andererseits haben heute selbst Rewe und Tchibo Transfair-Produkte im Sortiment. Billig kaufen war damals auch noch nicht gleichbedeutend mit Sklavenarbeitsprodukte kaufen. Da gab es Second-Hand-Läden und Flohmärkte, wo gebrauchte Klamotten nach Gewicht bezahlt wurden, das Kilo 10 Mark, und Drei-Tage-Märkte, die Produkte aus Versicherungsschäden (Ladungen entgleister Waggons, Bestände aus überschwemmten oder angekokelten Fabrikhallen usw.) verscherbelten. Da kaufte ich mal für zwei Mark einen hochwertigen Zimmermannshammer, bei dem auch der Stil aus reinem Stahl war, mit Gummibeschichtung. Ich glaube, diese Art Läden gibt es nicht mehr.
Lemmy Caution - 27. Jan, 12:47

fassen wir also zusammen

Wir halten es zwar nicht für nötig, uns über China zu informieren, beschliessen aber einen Boykott aus fadenscheinigen Gründen. Nur der Bruchteil eines Bruchteils der chinesischen Exportgütern wird tatsächlich in Gefangenlagern hergestellt.
Ausserdem sind wir noch Kontrollfreaks, die glauben mit ihrer unvollständigen Information die Welt zu ihrem Besten erziehen zu können.

Unterscheidet sich dieser mindset irgendwie großartig von dem des Kolonialismus/Imperialismus?
Nein.

netbitch - 28. Jan, 13:41

Der Unterschied zum mindset des Imperialismus ist der, dass Letzterer andere Gesellschaften missachtet, um es zu legitimieren, diese ökonomisch auszubeuten. Folge ich Deiner Argumentation, ist es also Missachtung einer fremden Gesellschaft, die Universalität von Menschen- und Bügerrechten zu fordern. Ja, die Kontrollfreaks von amnesty international und Human Rights Watch, das sind schon schlimme Finger, unter denen die Welt unnötig leidet. Im Übrigen bin ich nun gerade zu China sehr gut informiert (hatte dort geschäftlich schonmal zu tun), nur informiere ich mich in der Tat woanders als beim EED. Z.B. hier


http://politik-gesellschaft-china.suite101.de/article.cfm/zwangsarbeit_in_china


http://www.igfm.de/Made-in-China-bedeutet-oft-Zwangsarbeit.487.0.html

http://www.epochtimes.de/articles/2009/04/12/431640.html

http://www.dw-world.de/dw/article/0,,2510514,00.html



Abgesehen davon, dass die Arbeitsbedingungen in der normalen Produktion oft schlimmer sind als in US-Zuchthäusern


http://www.amnesty.de/umleitung/2005/deu05/093?lang=de%2526mimetype%3Dtext/html&print=1


P.S.: warst Du es nicht, der vor Jahren den Militärputsch in Thailand verteidigte und es als westliche Ignoranz und Arroganz bezeichnete, darüber in Europa urteilen zu wollen? Ahmadinedschad sieht ja auch Menschenrechte als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran an.
Lemmy Caution - 29. Jan, 19:40

China begründet seine Menschenrechtspolitik damit, dass man Einheit benötigt, um Menschen aus der Armut zu bringen.
China ist nach wie vor ein sehr armes Land
BIP pro Einwohner und Jahr in Kaufkraft-Parität Dollar: 6.400 $
Zum Vergleich:
Deutschland: 34.200 $
Chile: 14.600 $
Indien: 3.900 $
Vietnam: 2.900 $
Trotz einer vergleichsweise hohen Ungleichheit (Gini Koeffizient für nur Stadtbewohner: 41) kann man angesichts dieser Wachstumsraten davon ausgehen, dass die Aussage der chinesischen Regierung, das 500 Mio Menschen die extreme Armut verlassen haben, nicht so falsch sein kann.

Laut deutschen Wikipedia gibt es 1,4 Mio Laogai Häftlinge. Wie sollen diese Leute "einen Großteil des Exports" erwirtschaften? Nicht eine deiner Quellen quantifiziert den Anteil der Laongai an der Gesamproduktion, geschweige denn am Export. Meine Quelle nennt als Zahl unter 2%.

Man muß China zugute halten, dass die Administration deutlichst projektfähiger ist als das demokratischere, meinungsfreiere aber eben auch korruptere Indien.

Der Westen produziert seit vielen Jahrzehnten eine Menge kluger Schriften verschiedenster ideologischer Provenienz zur Entwicklung von Volkswirtschaften und Gesellschaften. Trotzdem wissen wir nicht, wie sich eine Gesellschaft entwickeln kann. Das hängt nämlich immer von den lokalen Gegebenheiten ab. Und da scheint China in nicht ganz unwichtigen Teilbereichen recht erfolgreich zu sein. Wenn sie ihr Wachstum noch 25 Jahre so durchhalten, haben sie die Erste Welt erreicht. Wär 1980 völlig undenkbar gewesen.

Es gibt eine recht robuste positive Korrelation zwischen dem Wohlstand einer Gesellschaft und Menschenrechten.

Ich bin gegenüber Patentrezepten für Länder mit einem anderen kulturellen, historischen, politischen, wirtschaftlichen, etc. Hintergrund sehr, sehr, sehr skeptisch geworden. Völlig egal, ob die liberal, links-humanistisch oder sonstwie sind.

Versteh dich so, dass wir als Konsumenten China boykottieren sollen, solange sie ihr Laogai-System nicht abschaffen. Und das kann als Patentrezept für die Entwicklung Chinas zum Wohle der Chinesen aufgefaßt werden. Vielleicht hat die chinesische Regierung z.T. recht, wenn sie betont, dass sie in der augenblicklichen Phase der Entwicklung auf die Einheit drängen müssen, damit ihnen das gesamte Land nicht um die Ohren fliegt. Natürlich leisten landeskundige Westler, die detailliert auf Menschenrechtsverletzungen in dem Land aufmerksam machen, eine wertvolle Arbeit. Das schlechter informierte Außen kann aber auch von bestimmten innländischen Gruppen zu einer Verbesserung ihrer Situation instrumentalisiert werden. Bezüglich Chile kann ich das besser überprüfen und da erscheinen mir manche Berichte von Menschenrechtsorganisationen zum Mapuche Konflikt als verkürzt.

Natürlich besitzen die Menschenrechte universelle Gültigkeit. Und es ist völlig ok sie einzuklagen. Ein fokussiertes Vorgehen erscheint mir aber für dieses Anliegen deutlich effektiver, als ohne Belege zu behaupten, ein Großteil der Exporte würde in Laongais gefertigt.

Wer dazu Zeit hat, kann China kritisch unter die Lupe nehmen. Aber bitte fundiert und nicht mit Globalanschuldigungen.

Ich bin übrigens gegen Militärputsche, egal wo sie stattfinden. Nur hier sollte man sich die unterliegenden Konflikte, die zur Gewaltlösung führen genauer anschauen. Da wird mir zu viel auf emotiven Buzzwords geritten, ohne zu versuchen, sich in die darunterliegenden Konflikte zu versenken. Zu Thailand hab ich vermutlich keine eindeutige Position eingenommen. War nie in dem Land, aber ein niederländischer Freelancer Freund, mit dem ich öfters in Europa zusammengearbeitet habe, lebt dort. Rob hat auch keine klare Position. Es gibt halt eine Stadtbevölkerung in Bangkok, die sich immer besser ausbildet und stark von dem Wirtschaftsaufschwung profitiert und eine zurückbleibende mehr ländliche Schicht, die eine stärkere Partizipation einfordert. Eigentlich ein Grundmuster. Nur da Stellung zu beziehen, halte ich für sehr schwierig.
netbitch - 30. Jan, 13:27

Zunächst werden wir mal semantisch: Was bedeutet "Großteil?"

Ich meine damit nicht "den größeren Teil", sondern einen Tel, der wichtig genug ist, um relevant für die Preisfindung zu sein. Wie aus einem der oben angegebenen Links hervorgeht, ist die Zahl der Laogais in China Staatsgeheimnis, man kann also davon ausgehen, dass sie um ein Mehrfaches über der bekannten Quote liegt. Dann, auch hier wiederhole ich mich jetzt, unterscheidet sich auch ein nicht unerheblicher Teil der regulären chinesischen Produktion nur unwesentlich von Zwangsarbeit. Ich kenne einen Fall, in dem chinesische Arbeiter, die unter solchen Bedingungen schufteten ihren Job kündigten, der Chef sie auch gehen ließ, die leute aber erst mit einem Bolzenschneider die Kette vorm Wekstor zerstören mussten, weil die Tatsache, dass Arbeiter das Betriebsgelände wieder verlassen organisatorisch nicht vorgesehen war. Dann stellen viele chinesische Industriebetriebe zum Schein ein paar Arbeiter ein, um dann qua Auftragsvergabe in Zwangsarbeitslagern produzieren zu lassen, oder auch in Kasernen, denn die Armee soll durch eigene Produktion zunehmend ihre Kosten selbst tragen. Diese Fälle tauchen in keiner Statistik auf.


BtW: Es gibt keinen Boykott, der nicht unterlaufen wird, die einzige Möglichkeit, einen Boykott wirklich effektiv zu machen, ist das harte Embargo unter Einsatz von Kriegsflotten. Ein Boykott von Laogai- oder mutmaßlichen Laogai- und auch Kinderarbeitsprodukten soll zuallerst wirksam ein Zeichen setzen, dass eine solche Maßnahme den weiteren ökonomischen Aufschwung Chinas nachhaltig behindert halte ich hingegen mit der gesunden plitischen Lebenserfahrung für kaum in Übereinstimmung zu bringen.
Lemmy Caution - 31. Jan, 18:20

Mit deiner "Preisfindungstheorie" nimmst du implizit an, dass der Preis (also Lohn) für Arbeitsstunden von ungelernten Arbeitern in China sich stark elastisch zur Arbeitsnachfrage verhält. In ALLEM was ich je über China gelesen hab (war noch nicht da) steht aber, dass das nicht so ist.
Du gehst von folgendem aus:
Ein Teil der Nachfrage nach Arbeitsstunden ungelernter Arbeit wird dem Markt entzogen also wird für die restlichen Arbeitsstunden ein niedrigerer Preis bezahlt. In China gibts aber überhaupt keinen Mangel an ungelernten Arbeitskräften. Es finden sich immer Leute, die aus den lehmigen Dörfern in die Städte gehen, um zumindest für ihre Kinder ein besseres Leben zu erkämpfen. Also wird die Auswirkung davon, dass ein Teil der Arbeit dem Markt entzogen wird, indem sie in Gefangenenlagern stattfindet, aller Voraussicht nach kaum signifikant sein. Der Lohn ist ziemlich unelastisch gegenüber der Arbeitsnachfrage.

In meinen Turnschuhen steht "Made in Vietnam". Das ist eher der begrenzende Faktor für chinesische Löhne.

Zwischen 1860 und 1890 gabs in Deutschland auch schlechtere Arbeitsbedingungen für Ungelernte als in England. Trotzdem hat uns Königin Victoria nicht die Navy an die Nordsee geschickt.

Eins deiner Links stammte aus Mexiko. Die haben ein politisches Interesse an strengere Regeln für chinesische Importe, da sie als recht stark industrialisiertes Land und starker Fokussierung auf den US-Markt mit ihnen konkurrieren.

Auf Rohstoffpreise haben die neuen industriellen Zentren eine sehr positive Wirkung. Schau dir mal die Entwicklung des Kupferpreises der letzten 5 Jahre an.

Find allerdings auch, dass man in dieser Globalisierung der ILO (International Labor Organization) mehr Raum geben sollte. Konkret üble Fälle müßten bekannt werden, damit Konsumenten-Boykott möglich wird. Japan kannte noch aus der Zeit vor dem Krieg die Idee eines starken Sozialsystems. Und tatsächlich war das auch in den 50ern, 60ern natürlich im Verhältnis zu ihrem niedrigen Entwicklungsstand recht gut entwickelt.

Letztlich bemüht sich aber die chinesische Führung darum, in komplexere Fertigungsbereiche vorzudringen. In Chile kann sich die Automarke Cherry zwar noch nicht wirklich gegen Hyunday durchsetzen, aber marketingmässig sind die sehr präsent.
Deren Solarzellen-Produktion macht ja unseren Produzenten auch eine Menge Kopfzerbrechen. Geh mal nicht davon aus, dass die die Solarzellen in Lagern schnitzen lassen.
netbitch - 31. Jan, 18:40

@"Du gehst von folgendem aus:
Ein Teil der Nachfrage nach Arbeitsstunden ungelernter Arbeit wird dem Markt entzogen also wird für die restlichen Arbeitsstunden ein niedrigerer Preis bezahlt"


Nein, davon gehe ich nicht aus, sondern davon, dass die Laogai-Produktion plus die Zwangsarbeits-ähnliche Produktion in vielen chinesischen Industriebetrieben plus der Einsatz von Militäreinrichtungen als Wirtschaftsbetriebe zusammengenommen einen Einfluss auf die chinesischen Niedrigpreise hat. Wie groß der genau ist interessiert mich nicht. Ich brauche keine mikroökonomischen Rechenexempel, wenn es um Menschenrechte geht.
Lemmy Caution - 1. Feb, 14:16

Du läßt halt alle dynamischen Effekte unter den Tisch fallen.
In Ostasien gibts eine Menge Länder, in denen sich Menschenrechte und Arbeitsschutz ab einem bestimmten Wohlstandsniveau deutlich verbessert haben. Warum sollte China nicht eine ebensolche Entwicklung durchlaufen? Überzeugen werden wir uns gegenseitig ohnehin nicht.
che2001 - 1. Feb, 15:37

Das passierte aber doch nicht einfach so als unmittelbare Folge eines wirtschaftlichen Aufschwungs. In Südkorea ist die Demokratie lange und nicht unblutig erkämpft worden. Unruhen in der Art wie in Athen Ende 2008 waren in Seoul und Busan mehrere Jahre an der Tagesordnung, Studierende und streikende ArbeiterInnen gingen zu Tausenden mit Bambuslanzen und Nunchakus auf die Cops los, die ihrerseits einige Jahre zuvor ein Massaker an DemonstrantInnen angerichtet hatten (207 Tote, hunderte Verletzte). Als bei einem Bombenanschlag gleich 4 südkoreanische Kabinettsmitglieder in die Luft flogen erklärte die Regierung sich endlich bereit zu deeskalieren und demokratische Reformen zuzulassen. Die waren dann auch so gründlich, dass zwei frühere Präsidenten verurteilt wurden, einer, Chun, sogar zum Tode, dann allerdings begnadigt. So eine Amnestiepolitik wie in Chile, Argentinien oder Südafrika wurde gerade nicht gemacht, es wurde abgerechnet, und nicht zu knapp.

Taiwan war bis 1987 eine Militärdiktatur und dann aufholend demokratisiert. Bis dahin hatten SchülerInnen gegenüber dem Lehrpersonal noch den Kotau vollführen müssen. Die Demokratisierung hatte nichts mit wirtschaftlichem Aufschwung, sondern mit dem Ableben eines früheren Präsidenten zu tun. Ob Malaysia eine Demokratie ist möchte ich arg bezweifeln, zumindest ist das plötzliche Festnehmen von Oppositionspolitikern zur allgemeinen Einschüchterung, 9 Jahre Haft für Oppositionsführer Anwar Ibrahim wg. Homosexualität und eine Dauerregierungspartei seit Staatsgründung alles andere als rühmlich. Singapur zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass eine volkserziehende Polizei omnipräsent ist und das Auspeitschen wegen geringer Vergehen (Sachbeschädigung, Vandalismus, Graffity sprühen) an der Tagesordnung ist. Und in China ist die Demokratiebewegung 1989 halt niedergewalzt worden.
Lemmy Caution - 1. Feb, 17:37

Che,

natürlich sind die Proteste absolut notwendig. Nur die liefen bereits seit den 60ern und setzten sich erst in den 90ern durch. Auch in China gibts eine Menge an Arbeits-Konflikten, die aber nicht den Weg in unsere und deren Medien finden. Übrigens auch in einem gewissen neuen OECD Mitglied mit Licht und Schatten, aber das nur am Rande (in deren Medien ists aber präsent).

Solange China mit dem Modell Erfolg hat, wirds nicht geändert. Und Frau Netbitch zeichnet das vor dem Hintergrund meiner Informationen über China (Bücher und 2 Leute, die länger da waren) etwas bis deutlich zu schwarz. Die Mehrheit der Chinesen möchte vermutlich aktuell keinen Wandel. Und dann wirds sehr schwierig bis unmöglich, diesen von außen aufzuoktroyieren. Insbesondere wenn man so ähnlich aussieht wie die Leute, die im 19. Jhdt. den freien Drogenhandel mit Waffengewalt verteidigten.

So eindeutig ist die Amnestiepolitik im Cono Sur auch nicht. Schon so einige Leute sitzen im Gefängnis und die Einstellung zu Pin8 hat sich in den letzten Jahren durch die breite Aufklärung insbesondere im Fernsehen bei der Mehrheit deutlich geändert. Es gibt schon länger Erinnerungsorte und nun ein Museum der Erinnerung, das 1 Woche vor der Präsi-Stichwahl unter großem Medienaufwand eröffnet wurde. In Argentinien gehört die Aufdeckung der an den Verbrechen Beteiligten ohnehin zur offiziellen Volkskultur. Dort finden Happening-artige Veranstaltungen statt, in denen Wohnungen von noch lebenden Menschenrechtsverbrechern markiert werden. Unterstützt von der Kirchner-Regierung, was ok ist. Viele Prozesse wurden auch 2002 wieder eröffnet, nachdem sie 1989 gestoppt wurden.

Malaysia hab ich nicht erwähnt. Mehr Wohlstand als Thailand aber weniger Freiheit.

Ich will ja auch nicht, dass die Marines in Kuba oder Venezuela einmarschieren.
thom - 2. Feb, 10:18

Es leben die Vorurteile

Es leben die Vorurteile, oder wie sagt man sonst zu solchen Artikeln ? Als erstes würde ich mal darum bitten, dieses Land zu besuchen oder alternativ sich ein wenig damit zu beschäftigen. Dann würde man relativ schnell feststellen, daß es dort ein etwas anderes Wertungssystem gibt als auch ganz andere Probleme. Mal bewusst machen, in China leben 20% der Weltbevölkerung. Weiterhin ist es nicht korrekt, daß dort nur minderwertige Waren hergestellt werden. Dieses Land versucht gerade, eine Zeitdifferenz von 40 Jahren Industrieentwicklung aufzuholen, damit es auch was sagen darf. Die Methoden als auch die Beziehung zu Menschenrechten mögen uns an vielen Stellen nicht in den Kram passen, Ihre Kultur ist jedoch mindestens 1000 Jahre älter als unsere. Sie werden dort die gesamte Bandbreite an Produktionsbedingungen und Menschen antreffen, die es in der Welt gibt, von links bis rechts, von bitter arm bis scheiß reich.
Es gilt nicht China zu boykottieren, sondern wenn Sie schon was machen wollen, müssen Sie über die Besitzverteilung in diesem Land nachdenken, und vor allen Dingen, warum das so ist. Denn dort, und nur dort liegt die Ursache.

netbitch - 2. Feb, 13:41

Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass ich geschäftlich in China gewesen bin. Und über Besitzverteilungen in einem Land nachdenken und warum das so ist, das mache ich permanent. Ich reduziere China ja nicht auf den Aspekt, um den es mir in diesem Beitrag geht, aber der ist nichtdestotrotz wichtig.


Btw: Man hätte ja auch im Jahr 1720 in Fußeisen auf das Schiff nach Westindien wartenden Sklaven etwas von der Schönheit und Vielschichtigkeit der spanischen Zivilisation erzählen können.
che2001 - 2. Feb, 14:57

Es gibt tatsächlich eine Debatte darüber, ob es eine Moral oder viele Moralen gibt und ob europäische und asiatische Werte zueinander im Widerspruch stünden. Der Konfuzianismus ist wahrscheinlich ein Hauptgrund dafür, dass China als einzige Kultur der Antike bis heute überlebt hat. Aber relativiert das Menschenrechtsverletzungen? Sicher nicht. Eine ökonomische Vernutzung von Zwangsarbeit ist im Übrigen nichts China-Spezifisches (Galeerenstrafe und Verschickung von Straftätern in Bergwerke und Steinbrüche in unserer frühen Neuzeit wurde damit begründet, dass man die irregeleiteten Kräfte des Landes nutzen wolle, den End- und Höhepunkt der Zuchthausarbeit stellte dann die "Ökonomie der Endlösung" dar), und wie man ein Land wahrnimmt, nun, das ist von vielen Faktoren abhängig. Als ich mal aus einem Tunesien-Urlaub nach Hause kam und meinte, das wäre ein nettes Land mit gastfreundlichen Leuten erwiderte eine Mitstreiterin ziemlich kiebig, dass das ein beschissener Folterstaat wäre. Worauf ich sie dann fragte, ob sie der Meinung wäre, dass japanische Touris, die deutsche Kulturdenkmäler besichtigen oder in Berchtesgaden Ski laufen sonderlich viel von der Realität im Hochsicherheitstrakt von Stammheim oder der berühmten "Folterwache" in Bremen mitbekämen und das ihr Deutschlandbild präge.

Das Ägypten der herrlichen Sonnenaufgänge über der Wüste und der großartigen ehrwürdigen Tempel und gigantischen Pyramiden und gemütlichen Straßencafés und das Ägypten der Müllkinder und der Verhörten, die nackt mit den Händen an einen Fleischerhaken gehängt werden und gleichzeitig Stockhiebe auf Rücken und Fußsohlen und Stromstöße in die Genitalien bekommen ist dasselbe Land. Nicht weit vom Traumstrand von Antalya gibt es Polizeiwachen mit einem Raum, auf dessen Tür "Hinter diesen Wänden gibt es keinen Gott" steht und wo man die Verdächtigen auf die Herdplatte setzt.
Lemmy Caution - 2. Feb, 16:56

Mir gings ja eher um die aus meiner Sicht pragmatische Sicht, ob wir das entsprechend ändern können.
Ich komm mit dem nana (Haushälterinnen)-Unwesen in Chile beispielsweise nicht klar. Ich find das unmenschlich. Da gibts selbst in aus unserer Sicht eher armen Familien häufig Frauen, die da morgens Brote schmieren, aufräumen, nicht wirklich zur Familie gehören und definitiv im Haus Menschen zweiter Klasse sind.

Während ich da espn-baseball-schauend im Bett liegend rufen könnte: Aura. Machst du mir bitte 3 Brote. 1 mit dem weißen Käse, 1 mit dem Gouda und 1 mit dem Schinken. Danke. Aber ich kann das nicht. Die 17-jährige Schlampe ohne wirkliche Schulbildung, die im Zimmer nebenan liegt und irgendwie mit dem 34-jährigen Tunicht-gut liiert ist, macht genau das und die 35-jährige Aura mag die gar nicht. Aber sie machts trotzdem.

Wurd jetzt sogar ein Film drüber gedreht, der Preise gewinnt, den ich aber noch nicht kenne.

Ansonsten hat Aura zumindest ein nach meinem Anschein selbstbestimmtes Sexualleben quer durch einen recht breiten Querschnitt der lokalen Gesellschaft. Sie belustigt meine verklemmte Haltung bezüglich ihrer Rolle im Haus. Aber sie ist auch noch nicht lange in dem Job. Sie benimmt sich ungefähr 5 mal lauter und extrovertierter als sämtliche Familien-Nanas, die ich erlebt hab. Irgendwann wurd sie dann auch gefeuert, weil sie die Arbeit im Haus immer 1 Tag später als vereinbart begann. Me cae bien. Sie ist mir sympathisch.

Solche Strukturen und die unvergleichbar übleren in chinesichen Gefangenenlagern gehören abgeschafft. Fragt sich halt nur wie. Und viel Druck muß aus den Gesellschaften selbst kommen. Wir können das nicht.

che2001 - 2. Feb, 17:08

Ja, und in Indien hat man einen Diener, der einen auf Schritt und Tritt begleitet. Ich sah mal ein Interview mit Sabrina Setlur, in dem sie ihr völliges Befremden und ihr Nichtklarkommen mit diesem Umstand schilderte.
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