Es sarrazyniert mal wieder im toitschen Blätterwald
Tante Zeit hat kein wichtigeres Thema, als sich darüber zu echauffieren, dass das Umschreiben von Kinderbüchern, um rassistische Wörter, die früher noch nicht als rassistisch galten zu eliminieren Zensur sei und dass der Lesegenuss, den Leute, die heute alte Säcke sind mit Pipi Langstrumpf und Die kleine Hexe als Kinder hatten für die heutigen Kinder dadurch geschmälert würde, dass diese rassistischen Ausdrücke nicht mehr vorkämen. Psychologisch sehr interessant: Weil heutige Kinder Südseeprinzessin statt Negerprinzessin lesen haben sie nicht mehr den Lesegenuß, den Ulrich Greiner als Bub hatte. Liest sich irgendwie wie eine Mischung aus falscher Projektion und narzisstischer Störung. Der Herr Diez hat dazu ein paar passende und treffende Dinge gesagt.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/georg-diez-zur-neger-debatte-um-die-kleine-hexe-a-878371.html
Die Vorstellung solcher Spracherhalter wie Greiner (kennt heute überhaupt noch wer die Wortbedeutung von "greinen"?), althergebrachte, heute eigentlich nicht mehr verwendbare Ausdrücke müssten erhalten werden würde, wenn sie auf andere Ausdrücke als die hier isoliert verwendeten Formulierungen angewendet würde darauf hinauslaufen, etwa Robinson Crusoe ausschließlich im Wortlaut der ursprünglichen Originalübersetzung zu lesen. Schon Goethes Werther wird heute eher als umständlich und anstrengend zu lesen denn als elegant wahrgenommen. Nehmen wir aber Greiners Spracherhaltungsparadigma so richtig ernst, so müsste das Buch "Wunder der Welt. Die Reisen des Marco Polo" bis heute den deutschen Titel: "Dies sind die Aventiuren des Markus Polus von Venezien, des groszen Landtfahrers, der daselbst viel woanders gewesen ist" tragen, denn so hieß seine deutsche Fassung mal.
Ei der Daus Barde Greiner, mich deucht, so lässt sich das nicht machen.
Zwei von mir viel gelesene Blogger haben sich mit der Materie befasst und sind zu lesenswerten Ergebnissen gekommen. Da ist zunächst Momorulez. In seiner Auseinandersetzung mit dem Zensurvorwurf bezüglich der Kinderbuchumschreibungen stellt er zunächst mal die politisch-historische Dimension von Zensur und die Absurdität der Argumentation sich bedroht fühlender weißer männlicher Bildungsbürgerexistenzen dar. Das ist großes Kino und schon rein sprachlich sehr lesenswert.
http://metalust.wordpress.com/2013/01/22/mal-kurz-was-zu-zensur/
Aber Momorulez wäre nicht Momorulez, würde er nicht sachliches und persönliches bis zur Untrennbarkeit vermengen. Richtige Analyseansätze verschmelzen mit persönlichen Ängsten, die er nicht kontrolliert sondern die ihn kontrollieren. Aus Leuten mit falschen Argumenten werden von grundauf böse Personen, die aus reinem Sadismus agieren. Greiner, Hacks und di Lorenzo werden als notorisch rassistische Sadisten beschrieben, die wahrscheinlich schon auf dem Schulhof die Kameradenschweine waren. Na, wer den zarten, zerbrechlichen Giovanni mal erlebt hat wird das sehr absurd finden. Der Schulhofsbezug und dessen Verknüpfung mit der eigenen Biografie, dem Sich Verstecken vor den Schindern lassen mir einmal mehr die Bloggerpersönlichkeit von Momorulez als sonderbar kindhaft erscheinen. Die Frage "cui bono?" die Frage nach der politischen Funktionalität der ganzen Thematik wird nicht gestellt, bzw. pauschal mit einer Wahrung von whm-Dominanz beantwortet, die es im objektiven Resultat geben mag, die aber niemanden direkt motiviert.
Wer sich auch mit der Problematik auseinandersetzt ist Che,
http://che2001.blogger.de/stories/2194128
und auch hier fällt auf, dass nicht nach cui bono? gefragt wird. Er ergeht sich in einem Hin-und-Her-Erwägen zwischen antiriassistischer korrekter Sprache einerseits und dem rauen Non-PC-Humor seiner eigenen migrantischen Freundeskreise andererseits, aber auf den Punkt kommt er nicht. Während Momo überzieht und aus an sich richtigen Überlegungen und Kritiken ein überspitztes, ins Dämonisieren übersteigertes Bedrohungszenario entwickelt, in das auch gleich alle möglichen Blogpersönlichkeiten eingebaut werden mit denen er sich mal überworfen hat, so relativiert, differenziert und nuanciert Che so weit, dass eigentlich kein greifbares Ergebnis mehr übrigbleibt. Damit fällt er aber selbst hinter seinen eigenen Antiimperialismus zurück.
Der Kommentator Koogleschreiber hingegen sagt ganz klar, was Sache ist
http://che2001.blogger.de/stories/2194639/#comments
"Die Bundeswehr wird künftig vor allem in Afrika unsere Freiheit verteidigen'. Noch äußert sich die Bundesregierung zurückhaltend, was Mali angeht - und läßt derweil die Medien und deren Kommentatoren vorpreschen. Witzeleien über Westerwelles Initiativen wechseln sich ab mit Horrorgemälden der Al Qaeda und jenen Flüchtlingsströmen, die Europa drohen, sollten die afrikanischen Hot Spots nicht befriedet werden. Man wird uns zunehmend mit Bildern von barbarischen Akten und rückständigen Zivilisationen überfluten. (Barbarei ist übrigens auch so ein Wort, wenn man es richtig bedenkt.) Die Stammtische werden es zu kommentieren wissen, derweil unsere Bildungspolitik es darauf anzulegen scheint, eine neue Generation 'hervorragendes Soldatenmaterial' heranzuzüchten. Unterm Strich geht es z.Z. natürlich darum, Frankreichs Uranminen in Afrika vor unerwünschtem Zugriff zu schützen. Ferner vielleicht auch um den Erhalt unserer Giftmülldeponien in Nigeria.
Inzwischen baut und bauscht die Presse Widersprüchlichkeiten in unserem Verhältnis zu Afrikanern auf. Man muß schon um die Ecke denken, um zu erkennen, wie heikel und fragwürdig es ist, auf diesen Zug aufzuspringen, um mitzudiskutieren."
So ist das. Das deutsche Wirtschaftssystem wird künftig nicht nur am Hindukusch, sondern auch am Niger verteidigt, und dazu wird schon mal Feindbildpflege betrieben. Sarrazin betrieb noch Feindbildpflege, indem er sozial Schwache, MigrantInnen und speziell sozial schwache MigrantInnen als unerwünscht, als lästig und schädlich stigmatisierte. Es geht dabei nicht um arrivierte PoC, ein Roberto Blanco, Yeboah oder Naidoo steht nicht auf der Liste. Sondern es geht um die Gleichsetzung von Armut und "Rasse", ein Muster, das nur allzu bekannt ist. Und nun kommt der nächste Schritt: Man wird doch wohl noch mal Neger sagen dürfen, und wehe den Schwarzen, die das nicht so finden.
Mittlerweile ist das Thema in Blogs angekommen, die unverlinkbar sind, und was da an blankem Hass gegenüber Leuten wie Mekonnen Mesghena geäußert wird rief in mir sofort den Reflex wach, unter das Kopfkissen zu greifen, ob da noch der Revolver liegt. Ist über 20 Jahre her, da schlief ich mit der Knarre unterm Kopfkissen, als Hoyerswerda, Rostock, Mölln passierten. Das Pack ist immer noch da.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/georg-diez-zur-neger-debatte-um-die-kleine-hexe-a-878371.html
Die Vorstellung solcher Spracherhalter wie Greiner (kennt heute überhaupt noch wer die Wortbedeutung von "greinen"?), althergebrachte, heute eigentlich nicht mehr verwendbare Ausdrücke müssten erhalten werden würde, wenn sie auf andere Ausdrücke als die hier isoliert verwendeten Formulierungen angewendet würde darauf hinauslaufen, etwa Robinson Crusoe ausschließlich im Wortlaut der ursprünglichen Originalübersetzung zu lesen. Schon Goethes Werther wird heute eher als umständlich und anstrengend zu lesen denn als elegant wahrgenommen. Nehmen wir aber Greiners Spracherhaltungsparadigma so richtig ernst, so müsste das Buch "Wunder der Welt. Die Reisen des Marco Polo" bis heute den deutschen Titel: "Dies sind die Aventiuren des Markus Polus von Venezien, des groszen Landtfahrers, der daselbst viel woanders gewesen ist" tragen, denn so hieß seine deutsche Fassung mal.
Ei der Daus Barde Greiner, mich deucht, so lässt sich das nicht machen.
Zwei von mir viel gelesene Blogger haben sich mit der Materie befasst und sind zu lesenswerten Ergebnissen gekommen. Da ist zunächst Momorulez. In seiner Auseinandersetzung mit dem Zensurvorwurf bezüglich der Kinderbuchumschreibungen stellt er zunächst mal die politisch-historische Dimension von Zensur und die Absurdität der Argumentation sich bedroht fühlender weißer männlicher Bildungsbürgerexistenzen dar. Das ist großes Kino und schon rein sprachlich sehr lesenswert.
http://metalust.wordpress.com/2013/01/22/mal-kurz-was-zu-zensur/
Aber Momorulez wäre nicht Momorulez, würde er nicht sachliches und persönliches bis zur Untrennbarkeit vermengen. Richtige Analyseansätze verschmelzen mit persönlichen Ängsten, die er nicht kontrolliert sondern die ihn kontrollieren. Aus Leuten mit falschen Argumenten werden von grundauf böse Personen, die aus reinem Sadismus agieren. Greiner, Hacks und di Lorenzo werden als notorisch rassistische Sadisten beschrieben, die wahrscheinlich schon auf dem Schulhof die Kameradenschweine waren. Na, wer den zarten, zerbrechlichen Giovanni mal erlebt hat wird das sehr absurd finden. Der Schulhofsbezug und dessen Verknüpfung mit der eigenen Biografie, dem Sich Verstecken vor den Schindern lassen mir einmal mehr die Bloggerpersönlichkeit von Momorulez als sonderbar kindhaft erscheinen. Die Frage "cui bono?" die Frage nach der politischen Funktionalität der ganzen Thematik wird nicht gestellt, bzw. pauschal mit einer Wahrung von whm-Dominanz beantwortet, die es im objektiven Resultat geben mag, die aber niemanden direkt motiviert.
Wer sich auch mit der Problematik auseinandersetzt ist Che,
http://che2001.blogger.de/stories/2194128
und auch hier fällt auf, dass nicht nach cui bono? gefragt wird. Er ergeht sich in einem Hin-und-Her-Erwägen zwischen antiriassistischer korrekter Sprache einerseits und dem rauen Non-PC-Humor seiner eigenen migrantischen Freundeskreise andererseits, aber auf den Punkt kommt er nicht. Während Momo überzieht und aus an sich richtigen Überlegungen und Kritiken ein überspitztes, ins Dämonisieren übersteigertes Bedrohungszenario entwickelt, in das auch gleich alle möglichen Blogpersönlichkeiten eingebaut werden mit denen er sich mal überworfen hat, so relativiert, differenziert und nuanciert Che so weit, dass eigentlich kein greifbares Ergebnis mehr übrigbleibt. Damit fällt er aber selbst hinter seinen eigenen Antiimperialismus zurück.
Der Kommentator Koogleschreiber hingegen sagt ganz klar, was Sache ist
http://che2001.blogger.de/stories/2194639/#comments
"Die Bundeswehr wird künftig vor allem in Afrika unsere Freiheit verteidigen'. Noch äußert sich die Bundesregierung zurückhaltend, was Mali angeht - und läßt derweil die Medien und deren Kommentatoren vorpreschen. Witzeleien über Westerwelles Initiativen wechseln sich ab mit Horrorgemälden der Al Qaeda und jenen Flüchtlingsströmen, die Europa drohen, sollten die afrikanischen Hot Spots nicht befriedet werden. Man wird uns zunehmend mit Bildern von barbarischen Akten und rückständigen Zivilisationen überfluten. (Barbarei ist übrigens auch so ein Wort, wenn man es richtig bedenkt.) Die Stammtische werden es zu kommentieren wissen, derweil unsere Bildungspolitik es darauf anzulegen scheint, eine neue Generation 'hervorragendes Soldatenmaterial' heranzuzüchten. Unterm Strich geht es z.Z. natürlich darum, Frankreichs Uranminen in Afrika vor unerwünschtem Zugriff zu schützen. Ferner vielleicht auch um den Erhalt unserer Giftmülldeponien in Nigeria.
Inzwischen baut und bauscht die Presse Widersprüchlichkeiten in unserem Verhältnis zu Afrikanern auf. Man muß schon um die Ecke denken, um zu erkennen, wie heikel und fragwürdig es ist, auf diesen Zug aufzuspringen, um mitzudiskutieren."
So ist das. Das deutsche Wirtschaftssystem wird künftig nicht nur am Hindukusch, sondern auch am Niger verteidigt, und dazu wird schon mal Feindbildpflege betrieben. Sarrazin betrieb noch Feindbildpflege, indem er sozial Schwache, MigrantInnen und speziell sozial schwache MigrantInnen als unerwünscht, als lästig und schädlich stigmatisierte. Es geht dabei nicht um arrivierte PoC, ein Roberto Blanco, Yeboah oder Naidoo steht nicht auf der Liste. Sondern es geht um die Gleichsetzung von Armut und "Rasse", ein Muster, das nur allzu bekannt ist. Und nun kommt der nächste Schritt: Man wird doch wohl noch mal Neger sagen dürfen, und wehe den Schwarzen, die das nicht so finden.
Mittlerweile ist das Thema in Blogs angekommen, die unverlinkbar sind, und was da an blankem Hass gegenüber Leuten wie Mekonnen Mesghena geäußert wird rief in mir sofort den Reflex wach, unter das Kopfkissen zu greifen, ob da noch der Revolver liegt. Ist über 20 Jahre her, da schlief ich mit der Knarre unterm Kopfkissen, als Hoyerswerda, Rostock, Mölln passierten. Das Pack ist immer noch da.
netbitch - 27. Jan, 18:49
20 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
clair(e) de lune (Gast) - 27. Jan, 19:43
Bücher, in denen Menschen als Itaker oder Kümmeltürken bezeichnet werden, würde ich nicht Kinder vorlesen. Es sei denn, man versteht unter Kümmeltürken die Bewohner des Magdeburger Bördelandes, die auf ihren guten Böden den anspruchsvollen Kümmel anbauen, und deshalb Kümmeltürken heißen. Auch auf Astrid Lindgrens Bücher könnte man verzichten. Wie Mely Kiyak richtig darlegt, sind Astrid Lindgrens Bücher auch dann noch rassistisch, wenn sie von "Südseekönigen" handeln. Daß dieses Umschreiben von anrüchigen Begriffen nicht den Inhalt verändert, machen auch die Nazis vor: Sie beschuldigen nicht mehr direkt Juden, sondern schwatzen von Ostküste und verwenden charakteristische Chiffren.
Wolf-Dieter (Gast) - 30. Jan, 00:16
Vom Ausschütten, von Bädern und von Kindern.
Die Begriffe Kümmeltürke und Itaker sind generische Herabwürdigungen, der Begriff Neger im ursprünglichen Gebrauch jedenfalls nicht. Ich halte das Wort -- zumindest bedingt -- für vertretbar.
Dass Astrid Lindgrens Buchwerk rassistisch sein soll, müsste mir erst noch dargelegt werden. Ihre Schreibe reflektiert eine andere Zeit als unsere Gegenwart. Ich habe sie (als Kind) gelesen und sehe auch aus heutiger, distanzierter Sicht keine übermäßig reaktionäre Denkweise, insbesondere keinen Rassismus.
Dass Astrid Lindgrens Buchwerk rassistisch sein soll, müsste mir erst noch dargelegt werden. Ihre Schreibe reflektiert eine andere Zeit als unsere Gegenwart. Ich habe sie (als Kind) gelesen und sehe auch aus heutiger, distanzierter Sicht keine übermäßig reaktionäre Denkweise, insbesondere keinen Rassismus.
genova (Gast) - 28. Jan, 10:45
Schöner Beitrag, endlich einmal nicht diese pseudointellektuellen Abschwächungen von "Neger", wie man sie überall findet, nicht nur bei Greiner, und zwar im Namen von Bildung und Authentizität. Grauenhaft.
bersarin (Gast) - 28. Jan, 20:34
„Schon Goethes Werther wird heute eher als umständlich und anstrengend zu lesen denn als elegant wahrgenommen. Nehmen wir aber Greiners Spracherhaltungsparadigma so richtig ernst, so müsste das Buch ‚Wunder der Welt. Die Reisen des Marco Polo‘ bis heute den deutschen Titel: ‚Dies sind die Aventiuren des Markus Polus von Venezien, des groszen Landtfahrers, der daselbst viel woanders gewesen ist‘ tragen, denn so hieß seine deutsche Fassung mal.“
So ist es. Besser wär‘s, man behielte diesen Titel bei, weil er nicht nur poetisch klingt, sondern genau diese Fremde einer ganz anderen Welt zum Ausdruck bringt. Was für ein wunderbarer Titel! Im Original, wobei die Quellenlage nicht ganz gesichert scheint, heißt es: „Le livre de Marco Polo citoyen de Venise, dit Million, oú lón contre les merveilles du monde“.
Doch Fremdheit ist heute kaum gewünscht und alles hat gleich und genormt auszusehen und unmittelbar sowie verständlich daherzukommen, damit es begreifbar und sofort verfügbar ist. Literatur ist jedoch einer der wenigen Orte, wo diese Erfahrung eines Anderen noch möglich ist. Gelungene Kunst ist (unter anderem) von der Grundfarbe schwarz, sie spielt mit den Momenten des (sprachlichen) Entzugs, der Sinndevianz. Dieses Diktum gilt noch immer. [Und dieser Aspekt einer sich entziehenden Kunst, hat, qua Kritischer Ästhetik, die das reflektiert, übrigens ebenfalls viel mit einer befreiten Gesellschaft, mit der Möglichkeit von Utopie als Vorschein zu tun. Insbesondere Benjamin und Adorno zeigen das in ihren Schriften, Bloch auch.]
Ja: Das Wesen einer bestimmten Art von Literatur ist es (unter anderem), anstrengend und schwierig zu sein. Ob das nun Ovids Metamorphosen, „Der abenteuerliche Simplicissimus“ oder die Ilias sind. Vermittelt über das Fremde, über eine andere Sprache, die nicht sofort zugänglich ist, können sich Räume von Erfahrung öffnen.Und das eben bedeutet: Kritik. Für die, die das nicht mögen, gibt es das Fernsehen. Zum Glück wird in dieser Gesellschaft für alle gesorgt.
Soviel zur Belletristik. Das heißt nicht, dieses unsägliche Wort müßte in Kinderbüchern nun so geschrieben bleiben, wie es einmal geschrieben wurde. Über die Probleme, die sich bei solchen Tilgungen jedoch ergeben, habe ich mir erlaubt, in meinem Blog etwas zu schreiben.
Was gegen Mekonnen Mesghena an Haß geäußert wurde, das zeigt in der Tat gut auf, wie tief Alltags-Rassismus hier in der Gesellschaft noch verankert ist.
Die Frage des cui bono?, die halte auch ich für zentral. Und zwar nicht nur in bezug auf Diskussionen und Themen, die aktiviert und auf eine bestimmte Weise zur Darstellung kommen oder aktiviert werden.
Zu den Texten von Momorulez in letzter Zeit‚ fällt mir nur noch ein, daß bei ihm die Schranktassenräuber zu Besuch gewesen sind.
@ clair(e) de lune
„Wie Mely Kiyak richtig darlegt, sind Astrid Lindgrens Bücher auch dann noch rassistisch, wenn sie von ‚Südseekönigen‘ handeln.“
Es gab Ende der 60er bis in die 70er eine Zeit, da wurde die Pippi Langstrumpf als emanzipiertes Mädchen gesehen, das es den Männern vormacht. Frech, rotzig gegen die Obrigkeit (Polizei und Erzieherin), andere Kinder aufhetzend, in der Schule sich nicht benehmend. Wie Zeiten und die Brillen, durch die Menschen blicken, sich doch ändern.
Wo übrigens legt Mely Kiyak dar, daß Lindgrens Bücher rassistisch seien? In ihrem Kommentar in der „Berliner Zeitung“ zumindest schreibt sie‘s so nicht.
So ist es. Besser wär‘s, man behielte diesen Titel bei, weil er nicht nur poetisch klingt, sondern genau diese Fremde einer ganz anderen Welt zum Ausdruck bringt. Was für ein wunderbarer Titel! Im Original, wobei die Quellenlage nicht ganz gesichert scheint, heißt es: „Le livre de Marco Polo citoyen de Venise, dit Million, oú lón contre les merveilles du monde“.
Doch Fremdheit ist heute kaum gewünscht und alles hat gleich und genormt auszusehen und unmittelbar sowie verständlich daherzukommen, damit es begreifbar und sofort verfügbar ist. Literatur ist jedoch einer der wenigen Orte, wo diese Erfahrung eines Anderen noch möglich ist. Gelungene Kunst ist (unter anderem) von der Grundfarbe schwarz, sie spielt mit den Momenten des (sprachlichen) Entzugs, der Sinndevianz. Dieses Diktum gilt noch immer. [Und dieser Aspekt einer sich entziehenden Kunst, hat, qua Kritischer Ästhetik, die das reflektiert, übrigens ebenfalls viel mit einer befreiten Gesellschaft, mit der Möglichkeit von Utopie als Vorschein zu tun. Insbesondere Benjamin und Adorno zeigen das in ihren Schriften, Bloch auch.]
Ja: Das Wesen einer bestimmten Art von Literatur ist es (unter anderem), anstrengend und schwierig zu sein. Ob das nun Ovids Metamorphosen, „Der abenteuerliche Simplicissimus“ oder die Ilias sind. Vermittelt über das Fremde, über eine andere Sprache, die nicht sofort zugänglich ist, können sich Räume von Erfahrung öffnen.Und das eben bedeutet: Kritik. Für die, die das nicht mögen, gibt es das Fernsehen. Zum Glück wird in dieser Gesellschaft für alle gesorgt.
Soviel zur Belletristik. Das heißt nicht, dieses unsägliche Wort müßte in Kinderbüchern nun so geschrieben bleiben, wie es einmal geschrieben wurde. Über die Probleme, die sich bei solchen Tilgungen jedoch ergeben, habe ich mir erlaubt, in meinem Blog etwas zu schreiben.
Was gegen Mekonnen Mesghena an Haß geäußert wurde, das zeigt in der Tat gut auf, wie tief Alltags-Rassismus hier in der Gesellschaft noch verankert ist.
Die Frage des cui bono?, die halte auch ich für zentral. Und zwar nicht nur in bezug auf Diskussionen und Themen, die aktiviert und auf eine bestimmte Weise zur Darstellung kommen oder aktiviert werden.
Zu den Texten von Momorulez in letzter Zeit‚ fällt mir nur noch ein, daß bei ihm die Schranktassenräuber zu Besuch gewesen sind.
@ clair(e) de lune
„Wie Mely Kiyak richtig darlegt, sind Astrid Lindgrens Bücher auch dann noch rassistisch, wenn sie von ‚Südseekönigen‘ handeln.“
Es gab Ende der 60er bis in die 70er eine Zeit, da wurde die Pippi Langstrumpf als emanzipiertes Mädchen gesehen, das es den Männern vormacht. Frech, rotzig gegen die Obrigkeit (Polizei und Erzieherin), andere Kinder aufhetzend, in der Schule sich nicht benehmend. Wie Zeiten und die Brillen, durch die Menschen blicken, sich doch ändern.
Wo übrigens legt Mely Kiyak dar, daß Lindgrens Bücher rassistisch seien? In ihrem Kommentar in der „Berliner Zeitung“ zumindest schreibt sie‘s so nicht.
che2001 - 29. Jan, 15:39
Chapeau an Netbitch und Bersarin, hervorragende Beiträge. Auch die Kritik an meinem eigenen Artikel ist völlig richtig.
bersarin (Gast) - 29. Jan, 17:12
Vielen Dank. Wobei ich in meinem Kommentar, trotz einer leichte Kritik, vergaß Netbitchs Text zu loben. Doch gehe ich mit Lob behutsam, gar sparsam um, denn wenn ich vor einer Frau stehe und sie lobe, dann rissen Frauen mir meist - ach was: häufig - das Hemd vom Leib, fielen über mich her, stießen mich zu Boden und verlangten Dinge von mir, die ich als Theorietiker und Bewohner des Grandhotel Abgrund nicht tun kann. Da, wo ich Theorie lieferte, wollten Frauen zu der Theorie noch hinzu pure Lust. Der Kontrafaktizität solcher besten aller möglichen Sinnes-Welten bin ich in meinem Alter nicht mehr gewachsen. Bei der Frage "Sexualität oder Wahrheit?" entschied ich mich für die Theorie. [Aber bereits bei dem Schulspiel "Wahrheit oder Pflicht?" stellte ich mich in der siebten Klasse regelmäßig ungeschickt an und begann Metadiskurse zu führen. Nur bestimmte Mädchen mochten dies.]
Aber ich schweife irgendwie ab.
Aber ich schweife irgendwie ab.
clair(e) de lune (Gast) - 29. Jan, 18:55
che2001 - 29. Jan, 22:25
Danke dafür, ganz erhellender Beitrag!
Wolf-Dieter (Gast) - 29. Jan, 23:51
Zwangsübersetzung ist unerträglich!
Zunächst, Wortkonstrukte aus dem 20. Jahrhundert mögen veraltet sein, aber sie strahlen Charme aus. Schönstes Beispiel ist das -- heute ausgestorbene -- Berliner Kunstwort "Knorke".
Wenn dies Wort in Erich Kästners "Emil und die Detektive" vorkommt, willst du es nach "heute" übersetzen? Vor allem, in welches heutige Modewort, etwa "krass"? Krass ...
Wenn unsere Bundesfamilienschickse Schröder ihrem Baby die Vorlesegeschichten nach "politisch korrekt" synchronübersetzt -- das ist doch eine Lachnummer. Das heute noch niedliche Baby wird zur unerträglichen Neurotikerin erzogen.
Wenn dies Wort in Erich Kästners "Emil und die Detektive" vorkommt, willst du es nach "heute" übersetzen? Vor allem, in welches heutige Modewort, etwa "krass"? Krass ...
Wenn unsere Bundesfamilienschickse Schröder ihrem Baby die Vorlesegeschichten nach "politisch korrekt" synchronübersetzt -- das ist doch eine Lachnummer. Das heute noch niedliche Baby wird zur unerträglichen Neurotikerin erzogen.
John Dean (Gast) - 2. Feb, 12:38
Keine Ahnung, ob und inwieweit, und falls ja, durch welche Ursachen, ein Kind von Schröder Zwangsstörungen entwickelt. Mit dem Lesen des Begriffes "Südseeprinzessin" wird es jedenfalls nichts zu tun haben.
Abgesehen davon, dass "neurotisch" als Begrifflichkeit nicht mehr so ganz fachgemäß ist, könnte man die um das Kindeswohl (?) bemühte Argumentation von Wolf-Dieter mit einigem Recht als eben: neurotisch bezeichnen.
Wenn in Kinderliteratur bestimmte, Gruppen herab setztende Begriffe durch bessere ersetzt werden, dann ist das in meinen Augen ein wünschenswerter Fortschritt.
Darüber zu weinen, Herr Wolf-Dieter, ist tatsächlich schwer nachzuvollziehen.
Abgesehen davon, dass "neurotisch" als Begrifflichkeit nicht mehr so ganz fachgemäß ist, könnte man die um das Kindeswohl (?) bemühte Argumentation von Wolf-Dieter mit einigem Recht als eben: neurotisch bezeichnen.
Wenn in Kinderliteratur bestimmte, Gruppen herab setztende Begriffe durch bessere ersetzt werden, dann ist das in meinen Augen ein wünschenswerter Fortschritt.
Darüber zu weinen, Herr Wolf-Dieter, ist tatsächlich schwer nachzuvollziehen.
Wolf-Dieter (Gast) - 2. Feb, 13:56
@John Dean
Der Begriff "neurotisch" ist nicht im medizinischen Sinn gemeint, sondern im Sinn allgemein gestörter Interaktion mit der Umwelt. Das hab ich mir erlaubt.
Es ist korrekt, dass die "Südseeprinzessin" keine Störung an sich induziert, sehr wohl aber allzu restriktive Informationsfilterung durch überfürsorgliche Eltern.
(Abseits davon, die Südseeprinzessin ist ebenso wie der Negerkönig ein Übersetzprodukt, und je nach nationaler gesellschaftlicher Konnotation könnte es durchaus besser passen eine wortwörtliche Übersetzung. Aber ich kann kein Schwedisch.)
Dass Kinderliteratur politisches Upgrade erfährt, ist nichts neues. Siehe dazu das Lied "Ich bin ein klein Italiano" aus den Mundorgel-Heften der 50er Jahre, das in den 60ern verschwand, das aber vollständig, also nichts mit "Ich bin ein klein Mitbürger mit Migrationshintergrund".
Aber, weinen? Hubs? Hab ich? Ähm ...
Es ist korrekt, dass die "Südseeprinzessin" keine Störung an sich induziert, sehr wohl aber allzu restriktive Informationsfilterung durch überfürsorgliche Eltern.
(Abseits davon, die Südseeprinzessin ist ebenso wie der Negerkönig ein Übersetzprodukt, und je nach nationaler gesellschaftlicher Konnotation könnte es durchaus besser passen eine wortwörtliche Übersetzung. Aber ich kann kein Schwedisch.)
Dass Kinderliteratur politisches Upgrade erfährt, ist nichts neues. Siehe dazu das Lied "Ich bin ein klein Italiano" aus den Mundorgel-Heften der 50er Jahre, das in den 60ern verschwand, das aber vollständig, also nichts mit "Ich bin ein klein Mitbürger mit Migrationshintergrund".
Aber, weinen? Hubs? Hab ich? Ähm ...
ziggev (Gast) - 8. Feb, 20:10
Zu bersarins Kommentar, den ich jetzt erst las: nach Netbitchs Beitrag musste ich auch an "Den Simplizissimus" denken, genauer aber an :
"Der Abentheuerliche SIMPLIZISSIMUS Teutsch
Beschreibung deß Lebenseines
eines seltzamen Vaganten / genannt Melchior Sternfels von Fuchsheim / wo und welcher gestalt Er nemlich in diese Welt gekommen / was er darin gesehen / gelernt / erfahren und außgestanden / auch warumb er solche wieder freywillig quittiert.
Überauß lustig / und männiglich
zugleich zu lesen.
An Tag zu lesen von GERMAN SCHLEIFHEIM"
Mir liegt eine stark mudartliche Fassung mit allerdings kürzerem (wohl gekürztem) Titel vor, die ich jedenfalls der lieblos gemachten Dünndruckausgabe vorziehe.
Vor einem Jahr (oder zwei?) brachte ja der Eichborn Verlag eine Art "Neuüberstzung" heraus; die überschwänglich gelobt und, wie ich vermute, weit öfter zu Weihnachten verschenkt als gelesen wurde.
Wieder witzig, jetzt ist es die an heutigen Maßstäben gemessen hervorragende Überarbeitung, die allseitig gelobt wurde, welche aber niemand gelesen hat. - Bei Lindgren waren es die fiktiv glücklichen Kindheitstage.
@ clair(e) de lune bzw. Mely Kiyak:
Es ist vielleicht etwas ungerecht Lindgren gegenüber, aber sie hat sich in ihr eigene idyllische Kindheit zurückgeträumt, während WW II. tobte und mit dem unehelichen Sohn ohne Ausbildung eben nicht zusammen in Stockholm, und später der Tochter, wieder vom Chef, diese ihnen gerade nicht geben konnte. Der Tochter zufolge wurde die Geschwister durchaus zu Disziplin erzogen.
Ihre legendäre Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, Niemals Gewalt!, zuerst abgelehnt, wurde zwar zum Skandal, und Pipi Langstrumpf, ich glaube 1949 erschienen, setzte sich wohl ziemlich von der deutschen Nachkriegskinderliteratur ab und setzte in Deutschland Maßstäbe, - aber gleichwohl traf hier die Lindgrensche Idylle und abenteuerhaft anarchistische Kindheit auf das deutsche Bedürfnis nach Verdrängen. Lindgren ist ja geradezu von den Deutschen adoptiert worden, hierzulande so erfolgreich wie nirgends sonst außer in Schweden. Aus 70 Texten seien über 1.100 Ausgaben in den unterschiedlichsten Medien geworden. (Buchquelle unten)
Auf (elterlicher) Rezeptionsseite vermutete ich da schon einmal Kompensationsbedürfnisse, und es ist immer etwas seltsam, wenn Eltern Kindern deren Anachrchismus erkären wollen. Seit ich nicht mehr an den Weihnachtsmann glaube, glaube ich jedenfalls auch nicht mehr an den die Villa Kunterbunt und Takkatukka-Land. Erst später, als mir schmerzlich bewusst zu werden begann, dass die Kindheit nun wohl vorbei sein müsse, fing ich mich wieder an, für Pipi langstrumpf zu interessieren.
Meine Quellen, hier,
www.youtube.com/watch?v=QyQE7Csg8vQ
und hier, http://books.google.de : "Astrid Lindgren. Ein neuer Blick: Kinderkultur, Illustration"
Insofern fand ich Mely Kiyaks Diagnose gar so überraschend nicht. Außerdem, so hatte ich mich nach 100 Jahren Lindgren (den Video sah ich damals im TV) gefragt, warum kann die so ein ausgezeichnetess Deutsch. In Schweden so selbstverständlich? Ein seltsames Sich-ineinander-Spiegeln und Einander-Bedingen: Diese harten, meist sportlichen Frauen meiner Eltern- und Ureltern-Generation - und dieses romantische Verklären der wilden Kindheit, wie Kinder zu sein hätten.
Es wurde allerdings (im Video) 2007 die "original"-Pippi - "über 60 JAhre unter Verschluss" - herausgebracht; in Wirklichkeit sei die noch viel anarchistischer gewesen!
Eva Berendsen in der FAZ vom Mittwoch, 16. Januar 2013, die ich bei mir kurz zitierte, zkizziert dort kurz die Entwicklung der Cultural Studies (die ich sonst eher lediglich vom Namen her kenne) in den USA: Wichtig sei vor allem die Beschäftigung mit mehr oder weniger offen rassistischen Texten gewesen; sie hätten, so das Ergebnis der Forschungen, zuerst die Funktion gehabt, das weiße, koloniale Subjekt zu konstruieren, ich hatte den Eindruck: mehr erst zu erschaffen.
Also doch wieder Argumente für den Negerkönig, den ich mir illustriert selbstverständlich immer als einen Schwarzen vorgestellt hatte, irgendwo unter Palmen, denn die sommersprossige Pippe ist schließlich eine traurige Lügnerin, die 1949 keinen Vater hat, und wenn schon, dann weit weg, mindestens einen Piratenhäuptling, eben unter Palmen. Und Eltern, die ihren Kindern Geschichten vorlesen, dürfen schon mal schummeln oder schwindeln. Ab Besten gleich alles frei aus dem Stehgreif erfinden!
"Der Abentheuerliche SIMPLIZISSIMUS Teutsch
Beschreibung deß Lebenseines
eines seltzamen Vaganten / genannt Melchior Sternfels von Fuchsheim / wo und welcher gestalt Er nemlich in diese Welt gekommen / was er darin gesehen / gelernt / erfahren und außgestanden / auch warumb er solche wieder freywillig quittiert.
Überauß lustig / und männiglich
zugleich zu lesen.
An Tag zu lesen von GERMAN SCHLEIFHEIM"
Mir liegt eine stark mudartliche Fassung mit allerdings kürzerem (wohl gekürztem) Titel vor, die ich jedenfalls der lieblos gemachten Dünndruckausgabe vorziehe.
Vor einem Jahr (oder zwei?) brachte ja der Eichborn Verlag eine Art "Neuüberstzung" heraus; die überschwänglich gelobt und, wie ich vermute, weit öfter zu Weihnachten verschenkt als gelesen wurde.
Wieder witzig, jetzt ist es die an heutigen Maßstäben gemessen hervorragende Überarbeitung, die allseitig gelobt wurde, welche aber niemand gelesen hat. - Bei Lindgren waren es die fiktiv glücklichen Kindheitstage.
@ clair(e) de lune bzw. Mely Kiyak:
Es ist vielleicht etwas ungerecht Lindgren gegenüber, aber sie hat sich in ihr eigene idyllische Kindheit zurückgeträumt, während WW II. tobte und mit dem unehelichen Sohn ohne Ausbildung eben nicht zusammen in Stockholm, und später der Tochter, wieder vom Chef, diese ihnen gerade nicht geben konnte. Der Tochter zufolge wurde die Geschwister durchaus zu Disziplin erzogen.
Ihre legendäre Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, Niemals Gewalt!, zuerst abgelehnt, wurde zwar zum Skandal, und Pipi Langstrumpf, ich glaube 1949 erschienen, setzte sich wohl ziemlich von der deutschen Nachkriegskinderliteratur ab und setzte in Deutschland Maßstäbe, - aber gleichwohl traf hier die Lindgrensche Idylle und abenteuerhaft anarchistische Kindheit auf das deutsche Bedürfnis nach Verdrängen. Lindgren ist ja geradezu von den Deutschen adoptiert worden, hierzulande so erfolgreich wie nirgends sonst außer in Schweden. Aus 70 Texten seien über 1.100 Ausgaben in den unterschiedlichsten Medien geworden. (Buchquelle unten)
Auf (elterlicher) Rezeptionsseite vermutete ich da schon einmal Kompensationsbedürfnisse, und es ist immer etwas seltsam, wenn Eltern Kindern deren Anachrchismus erkären wollen. Seit ich nicht mehr an den Weihnachtsmann glaube, glaube ich jedenfalls auch nicht mehr an den die Villa Kunterbunt und Takkatukka-Land. Erst später, als mir schmerzlich bewusst zu werden begann, dass die Kindheit nun wohl vorbei sein müsse, fing ich mich wieder an, für Pipi langstrumpf zu interessieren.
Meine Quellen, hier,
www.youtube.com/watch?v=QyQE7Csg8vQ
und hier, http://books.google.de : "Astrid Lindgren. Ein neuer Blick: Kinderkultur, Illustration"
Insofern fand ich Mely Kiyaks Diagnose gar so überraschend nicht. Außerdem, so hatte ich mich nach 100 Jahren Lindgren (den Video sah ich damals im TV) gefragt, warum kann die so ein ausgezeichnetess Deutsch. In Schweden so selbstverständlich? Ein seltsames Sich-ineinander-Spiegeln und Einander-Bedingen: Diese harten, meist sportlichen Frauen meiner Eltern- und Ureltern-Generation - und dieses romantische Verklären der wilden Kindheit, wie Kinder zu sein hätten.
Es wurde allerdings (im Video) 2007 die "original"-Pippi - "über 60 JAhre unter Verschluss" - herausgebracht; in Wirklichkeit sei die noch viel anarchistischer gewesen!
Eva Berendsen in der FAZ vom Mittwoch, 16. Januar 2013, die ich bei mir kurz zitierte, zkizziert dort kurz die Entwicklung der Cultural Studies (die ich sonst eher lediglich vom Namen her kenne) in den USA: Wichtig sei vor allem die Beschäftigung mit mehr oder weniger offen rassistischen Texten gewesen; sie hätten, so das Ergebnis der Forschungen, zuerst die Funktion gehabt, das weiße, koloniale Subjekt zu konstruieren, ich hatte den Eindruck: mehr erst zu erschaffen.
Also doch wieder Argumente für den Negerkönig, den ich mir illustriert selbstverständlich immer als einen Schwarzen vorgestellt hatte, irgendwo unter Palmen, denn die sommersprossige Pippe ist schließlich eine traurige Lügnerin, die 1949 keinen Vater hat, und wenn schon, dann weit weg, mindestens einen Piratenhäuptling, eben unter Palmen. Und Eltern, die ihren Kindern Geschichten vorlesen, dürfen schon mal schummeln oder schwindeln. Ab Besten gleich alles frei aus dem Stehgreif erfinden!
ziggev (Gast) - 8. Feb, 20:19
ach, ja noch kurz
Als ich dann irgendwann einmal Gullivers Reisen im Original las, war ich einigermaßen entsetzt, wie für die weniger Gebildeten die Schilderung dieser Reise als ein mehr oder weniger albernes bebildertes Kinderbuch erscheinen musste. Es seien auch an Disney Alice in Winderland Versionen etc erinnert. Sowas tötet dóch Kreativität eher ab, oder nicht?
ziggev (Gast) - 8. Feb, 20:44
sorry, noch n Nachtrag ...
... und dann die ganzen skandinavischen Namen in den 60ern u. 70ern! Björn, Torben und wie sie alle hießen. Irgendwie ja noch es tut weh es auszusprechen, "nordisch". Toll dann natürlich der Text: "Annika steht auf die Sechziga, das war die Beste Zeit, ........." (kennt jemand die Urheber - oder war das das Machwerk einer vergessenen Studi-Band aus den 90ern? ;-)
che2001 - 10. Feb, 19:18
Alter Schwede!
Die waren aber nordisch by nature im Original. Die Skandinavier konnten ja nichts dafür was die Nazis für einen Schindluder mit nordischer Mythologie trieben.
ziggev (Gast) - 11. Feb, 01:37
ja, genau! "ziggev" ist selbstverständlich nicht mein 'natural born' Name, er hat was mit Tillman zu tun, und ich musste erst die lange Reise nach Liverpool antreten, um zu erfahren, wie es um das ethymologische 'origin' meines Vornames bestellt ist. Dort wurde mir von den dortigen Schauspielprofessoren recht unumständlich, halt die typische engliche Art, erklärt, dass sich mein name von "Tillermen" (ein beachteswertes Albumk von Caf Stevens"´) abkeitete, das sind Leute, die das Feld umgraben.
Nicht nur deshalb, ich liebe die Leute in Liverpool einfach !!
Nicht nur deshalb, ich liebe die Leute in Liverpool einfach !!
che2001 - 12. Feb, 17:02
Wobei Liverpuddlian auf Deutsch übersetzt etwa Leberbeckenwerker heißt.
flederhund (Gast) - 18. Apr, 15:28
Eigentlich ist das ja eine Geschäftsidee: "Pippi Unzensiert! - tabulos, rassistisch, mit Pony. Nur für Erwachsene." Jetzt als Ebook für nur 9,99 €/Monat. Wenn Sie jetzt zugreifen bekommen Sie 'Deutschland schafft sich ab' bis zum Untergang des Abendlandes gratis. Zum Warenkorb - Alterskontrolle (Personalausweis oder Mitgliedsnummer.
che2001 - 19. Apr, 13:07
@Gullivers Reisen: Das Buch rangierte eigentlich in der gleichen Liga wie "Utopia" von Morus. Dass das Wort "Yahoo" dort herkommt und die Bezeichnung der Huynams, intelligenter Pferde für die von ihnen als Haustiere gehaltenen Menschen ist weiß auch niemand mehr. Noch Münchhausens Abenteuer knüpfen an die Swift´sche Welt an.
netbitch - 19. Apr, 14:35
In der Liebhaber-Edition (nur frei ab 40) dann noch Hanni&Nanni unplugged, Heidi im schwyzerdütschen Original und "Des Führers Vermächtnis" von Wahnfried Braunstich (enttäuschendes Werk, in dem aufgelistet wird, welche persönlichen Gegenstände im Bonker zurückgeblieben sind).
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