15
Sep
2013

Malende Saxophone, tönende Bilder

Bei Momorulez hatte ich nicht mehr reingelesen, seid die Nachwehen seines spektakulären Bruchs mit jenen Blogmenschen, die den Kern der Kommentierendenrunden beim Che ausmachen durch waren. Seine damaligen Reaktionen hatten bei mir Ratlosigkeit hinterlassen, inzwischen berührt mich das Thema nicht mehr. Umso interessanter fand ich es, diesen Beitrag hier zu lesen, der die inneren Befindlichkeiten eines hochkreativen, künstlerisch offensichtlich schwerbegabten Menschen in einer wunderbar warmen, angenehmen Sprache schildert.

http://metalust.wordpress.com/2013/09/12/malen-fur-fussball-und-liebe-mit-sax-begleitung/

Zum Musik-machen kann ich ja selbst was sagen, bin ja auch Freizeitmusikantin, wenn auch in einer völlig anderen Richtung - Bassismus gegen Rassismus;-)

Einerseits. Und andererseits, die Art und Weise, wie hier der kreative Prozess, Fußball und Politik vermischt werden bis hin zu der kindlich-naiven Vorstellung, wenn Innensenatoren mit Flüchtlings zusammen Musik oder Kunst machen würden gäbe es keine Abschiebungen mehr (was für ein Politikverständnis steckt denn da hinter?) befremdete mich sehr. Der Eindruck verstärkte sich, als ich feststellte, dass es dort eine ganze Serie "Saxophon-Monologe" gibt, die alle wunderbar geschrieben sind und sich toll lesen. Nur wird da überall alles mögliche zusammengewürfelt was nicht zusammengehört, Politik mit mit Moral, Fußball, Rassismus, Musik, Philosophie in höchst subjektiven Assoziationsclustern (oder Assoziationsblastern), die zwei Eindrücke bei mir zurückließen.

1) Die Sensititvität, Kreativität und Wahrnehunmgsintensität von Gefühlen bei diesem Mann ist überwältigend.

2) Erkenntnisgewinn, rationale Diskussionen die auf ein Ergebnis ausgerichtet sind, Überprüfbarkeit von Behauptungen, das alles interessiert ihn nicht, dem geht es immer nur darum, seinen jeweiligen spontanen Gefühlen einen lebhaften Ausdruck zu verleihen. Ist ja auch sehr legitim und er macht das wirklich schön. Aber auf der Grundlage politische Diskussionen führen zu wollen ist von vornherein ausgeschlossen. Hätte ich, und ich beziehe Andere da ein, früher merken sollen.

Trackback URL:
https://netbitch1.twoday.net/stories/483768170/modTrackback

che2001 - 17. Sep, 14:53

Die ärgsten Kritiker der Elche waren früher selber welche

@"wenn Innensenatoren mit Flüchtlings zusammen Musik oder Kunst machen würden gäbe es keine Abschiebungen mehr" ----- das ist nicht nur so naiv dass es weh tut, es stimmt auch inhaltlich nicht. Ich kenne da einen Staatsekretär, der heute als großer Schirmherr für soziale Projekte auftritt (und ins Puff geht) und früher für Abschiebungen zuständig war, und da stellte er sich mir mit "Eichmann" vor. Und noch früher war der bei der Grünen Hochschulgruppe und im Dunstkreis der Roten Liste SoWi. Geht alles. Zöglinge der antiautoritären Summerhill-Schule wurden im Zweiten Weltkrieg Bomber-Piloten.

clair de lune (Gast) - 17. Sep, 19:40

Eine kleine Besserwisserei

sei mir genehmigt. Bitte:
Bei Momorulez hatte ich nicht mehr reingelesen, seid die Nachwehen seines spektakulären Bruchs mit jenen Blogmenschen
Es heißt hier "seit". "seid" gibt es auch, das ist aber die 2. Person Mehrzahl von "sein".

clair de lune (Gast) - 17. Sep, 19:52

äh,...

abgesehen davon, daß doch sehr viele Kommata abhanden gekommen sind - ich entschuldige mich für diese neuerliche Besserwisserei -, wollte ich anmerken, daß momo immerhin viel gelesen hat; zumindestens bezeugt das bersarin, indirekt. Mir ist da bei momo zuviel intertextueller Bezug. Texte von Euch und von vielen anderen wie der ganzen Feministinnenmeute, also distel, zweisatz, medienelite, waren mir noch nie "self-contained" genug.
clair de lune (Gast) - 18. Sep, 04:59

Kleine Erläuterung:

momo bringt es auf der einen Seite fertig, mit bersarin, shifting reality und Leuten gehaltvolle Diskurse zu führen, eben, weil er so viel gelesen hat, kommt aber vollkommen aus dem Tritt, sobald Menschen von ihren Erfahrungen berichten. Sobald das Sonnenlicht der Wirklichkeit in momos schummriges Gehäuse scheint, wittert momo Verrat. Dann sieht er nur noch Renegaten um sich, welche, die früher Linke, Maoisten waren, und jetzt Bücher wie "Unter Linken" vollschmieren und bei Axel Springer anheuern. Von solchen Existenzen gibt es ja auch wirklich so viele, daß es langsam langweilig wird, wenn wieder mal so ein Altlinker, 68er, alter Maoist, einstmals strammer Revolutionär in der Öffentlichkeit abschwört und dabei Tantiemen verdient, denn Deutschland ist voll von strammen Reaktionären, die sich freuen, daß sie immer schon recht hatten, und kaufen andauernd Bücher von Broder, Fleischhauer, Reinhard Mohr, Oswald Metzger, in denen steht, daß Reaktionäre immer schon recht hatten. Irgendwann werden ch2001 und netbitch1 bei Axel Springer anheuern und reaktionäre Dummheiten verkünden. So weit ist es noch nicht. Aber der Anfang ist gemacht. Mit solchen Leuten will momo nichts zu schaffen haben. Der wartet jetzt, bis che2001 oder netbitch1 in Springers "Welt" gegen Schwule und PoC hetzt, und nickt dann, wenn es soweit ist, dazu zufrieden: "Ich habe es doch beizeiten gewußt, daß es so endet!"
che2001 - 18. Sep, 23:49

Ganz so ist es nicht. Ich habe den ja in der Realwelt kennengelernt und kann zumindest sagen, dass er schwer traumatisierende Erfahrungen hinter sich hat. Ich habe den trotz Allem auch immer noch gern. Daher finde ich es eher tragisch, dass er zwischen Freunden und Feinden nicht unterscheiden kann und mit Klischees und Schablonen agiert, statt sich mal empirisch mit Leuten auseinderzusetzen. Die "Intersubjektivität, die nicht stattfindet" findet halt nur bei ihm nicht statt.
putiput (Gast) - 25. Sep, 08:47

clair de lune, bitte nicht über dein Pseudonym auf meine URL verlinken. Auch wenn wahrscheinlich hinreichend bekannt ist, dass das eine nicht zum anderen gehört und die Absicht keine schlechte war.
John Dean (Gast) - 20. Sep, 19:54

Ich hätte also Chancen, bei Springer anzuheuern? Wäre mir neu. Abgesehen davon finde ich das, was Mohr und Fleischhauer so schreiben, ziemlich erbärmlich. So intellektuell dürftig, dass mir die Personen dahinter sogar leid tun.

@ Netbitch

Du bist also Bassistin? Supergeil. Das bringt mich ja fast auf die Idee, dass ich dir einfach mal synthetische Audiospuren rübermaile, und du dann etwas "rüber-basst". Das Ergebnis davon könnte mensch anschließend z.B. für die Produktion von antifeministischer Propagandamusik einsetzen. Mir würde sogar jemand einfallen, für Geigenklänge. Mit derlei Machwerk setzen wir uns an die Spitze der Maskulinistencharts! Charts sind ja auch bei Mae-Mannschaft ein heiß diskutiertes Thema.

(Scherz - wobei politische Musik vielleicht ja wirklich eine gute Idee wäre)

"Erkenntnisgewinn, rationale Diskussionen die auf ein Ergebnis ausgerichtet sind, Überprüfbarkeit von Behauptungen, das alles interessiert ihn nicht, dem geht es immer nur darum, seinen jeweiligen spontanen Gefühlen einen lebhaften Ausdruck zu verleihen. Ist ja auch sehr legitim und er macht das wirklich schön."

Mein Eindruck ist auch, dass es dabei vor allem um Stimmungslagen geht. Unangenehm ist dann nur, wenn man selbst, als vormaliger Kommunikationspartner zur Folie dieser Stimmungslage wird, sei es, dass einem von Momorulez die ganzen persönlichen Erfahrungen, die einen prägen, abgesprochen werden ("Du bist kein Flaschensammler!" verfügte er mal z.B.), oder sei es, dass er im anderen wie oben zutreffend beschrieben, "Verrat!" wittert. Er ist jedenfalls jemand, der sich mit sehr vielen Leuten verzankt hat.

Was ja durchaus schade ist.

clair de lune (Gast) - 21. Sep, 09:51

Von wem stammen folgende Zitate?

Im Grunde genommen ja langweilig, die ewig gleichen Textbausteine von Greiner bis Roenicke, von Fleischhauer bis Tsianos, von Hacke über Scheck bis Yücel zu kommentieren. Sie verharren in ihrer selbst verschuldeter Unmündigkeit, wanzen sich ran an die Macht und hassen mutmaßlich Kommunikation, Kunst und Kreativität. Und die Freiheit des Anderen geht ihnen eh am Arsch... (Auflösung)
Ohne Schwule. Aber das ist ja auch eh ein “identitäres”, europäischen, kolonisierendes Konzept. Fickt euch.

Und will dennoch darauf verweisen, dass für mich die Frage unaufgelöst bleibt – bezieht man sich nun ständig auf Roenicke, Fleischauer, Sarrazin und die anderen, ist das nun das Non-Plus-Ultra der Solidarität?
(Auflösung
Es kann mir auch keiner erzählen, dass die diLorenzos, die Massen durchgeknallter Antifa-Kids, Ex-Autonomer, Tsianos, Roenicke, Außenminister des Vatikan nicht selbst genau wissen, dass ihre ganzen Rassismus- und Homophobie-Legitimationsdiskurse obsolet sind und sie die Gegenargumente nicht in und auswendig kennen würden.
(Auflösung)
Das stinkt noch aus jedem Text eines Welding, eines Fleischauer, eines Poschardt und wie die bei allen Differenzen auch alle heißen mögen, Roenicke, Augstein, letztlich ja doch alles die gleiche ranzige, weiße Buttercreme auf der morbiden Torte “Berliner Republik”, in der man im Kino Hitlers “Untergang” toll gespielt findet, um den Hass auf die Opfer mal für 90 Minuten zu vergessen.
(Auflösung)

Ich habe jeweils die Auflösung angegeben, damit es nachher nicht heißt: aus dem Zusammenhang gerissen. Doch was lernen wir aus diesen Zitaten? Das: Broder = Fleischhauer = Karakayali = Poschardt = Roenicke = Sarrazin = Tsianos. Die Namen Fleischhauer und Mohr müssen in diesem Zusammenhang also unbedingt erwähnt werden.

Darauf hinweisen muß ich noch, daß derartige Gleichsetzungen nur insofern auf momos Persönlichkeiten zurückgeführt werden müssen, weil er aus foucaultistischer Überzeugung handelt. Ähnlich handelt auch distels, die schon mal den armen che mißhandelt (könnte ich jetzt auch zitieren).
John Dean (Gast) - 21. Sep, 13:47

@ clair de lune

Ich vermute, dass das so seine eigene Art ist, mit Konflikten und Abweichung von der eigenen Meinung umzugehen. Wenn bei diesen Texten dann Che, Netbitch, Nörgler oder ich vorkommen, dann verstehe ich das zusätzlich als eine Art "Winke-Winke!".

Rönicke und Sarrazin in Eins zu setzen (wie es MR tut), ließe sich ggf. auch als der "Antifeminismus eines Schwulen deuten (was natürlich Quatsch ist). Vielleicht sind derartige Gleichsetzungen und grobe Verurteilungen ein Ausfluss genau ebenjener Charaktereigenschaften, die MR auf andere projeziiert. Ich tippe aber eher (super, wie wir hier gerade an MR rumdeuteln, was?) darauf, dass darin seine Ängste und auch Ablehungsgefühle zum Ausdruck kommen.

Fast alles, was ihn nervt, das wird von ihm ineinandergeworfen.

Offenkundig gibt es eine massive Differenz zwischen "sich differenziert geben" und der Fähigkeit, angemessene Differenzierungen vornehmen zu können. Trotzdem ist er irgendwie spannend - und trotzdem finden sich bei ihm immer wieder sehr interessante und mitunter auch sehr einsichtsvolle Abschnitte.

Und vielleicht ist er als Mensch, in seinem Biotop quasi, doch ganz anders, als wir ihn uns vorstellen. Oder er macht einfach tolle Dinge, und sein Blog ist einfach in erster Linie ein Ventil. Wo sich dann womöglich all die Dinge konzentrieren, die nicht so toll sind.

Ich weiß es nicht. Aber "das Rätsel Momorolez" interessiert mich eigentlich auch nicht mehr besonders. Möge er glücklich sein - oder glücklich werden. Thats all.

che2001 - 21. Sep, 14:34

Ich bin auch Foucault-geschult, habe einen Foucaultschen Ansatz in der Forschung verwendet, nämlich in meiner Dissertation, und würde trotzdem keinen solch undifferenzierten, verschwörungstheoretischen Blödsinn schreiben. Ob Distelfliege (wo bitte mißhandelt die mich?) überhaupt Foucault gelesen hat weiß ich nicht. Neben Momospezifischem und nur von ihm Produziertem findet man auch etwas, was nichtmarxistische Linke und bestimmte feministische Fraktionen auch in den Achtzigern schon gemacht haben, als es noch gar keine deutsche Foucault-Rezeption außerhalb bestimmter Fachkreise gab. Das hat nichts mit Foucault zu tun, sondern mit der Denke von hochmoralischen Uppermiddleclassakademikersprösslingen.

Und letztendlich: Die Wir-sind-von-Feinden-umstellt-und-jeder-ist-ein-Abweichler-Weltsicht der Marxistisch-leninistischen Sekten, Bakunin hab sie selig, war so ganz stark sehr viel anders nun auch nicht.
clair de lune (Gast) - 21. Sep, 16:56

Das finde ich schon eine Frechheit, einfach so fogendes insinuieren:
Ich war mal dabei, wie weiße, bieder aussehende Bildungsbürger_innen aus der “Theaterszene” einem bitter armen, illegalisierten Menschen sein allerletztes Geld aus der Tasche gepresst haben und sich dafür nicht geschämt haben! Die haben Lunte gerochen, dass der Mann keinen Aufenthaltsstatus hat und sie nur die Polizei zu rufen brauchen, und das haben sie brutal ausgenutzt. Und wenn du sowas erlebst, (und als Geflüchtete_r wirst du sowas sicher gelegentlich erleben, dass rechtlich abgesicherte Menschen deinen Status ausnutzen), wirst du vorsichtig sein mit Informationen rausgeben, mit Abhängigkeiten, mit allem. Und das erleben dann rechtlich abgesicherte Menschen als Manipuliererei, aber da gehts tatsächlich ums Überleben.
...könnte ja sein, daß che ein Schwein ist. Da kann man ihm vorbeugend eins in die Fresse geben. distels aber ist keine Sau. Die steht moralisch haushoch über che, auch und erst recht mit ihrer antideutschen Vergangenheit. Die Moslemfresserei ihrer Schwestern & Brüder ist dabei nicht halb so anstößig wie ches Bericht über soziale Manipulation in linken Zusammenhängen. Ich weiß nicht, inwieweit wirklich marginlisierte Menschen unter den Zeitgenossen waren, unter den netbitch1 und che2001 zu leiden hatten. Das ist genauso unverschämt, wie die Gleichsetzung von Sarrazin und Tsianos.
che2001 - 21. Sep, 18:37

na ja, ich fühlte mich da eigentlich nicht moralisch abgewertet, fand auch nicht, dass Leute wie ich da bei der Beschreibung der weißen Arschlöcher aus der Theaterszene mitgemeint waren. Die ZeigenossInnen, unter denen wir in der linken Szene zu leiden hatten waren alles Alphatiere, Arzt-, Lehrer-, Professoren- Pastoren- und Gewerkschaftsfunktionärskinder, die eine Ideologie, die sehr ähnlich dem waren was heute in der Mädchenmannschaft gedacht wird manipulativ einsetzten um selber Politgruppen dominieren zu können. Da wurde auch ständig über Gefühle Politik gemacht durch ständige Appelle an momentane politische Betroffenheit, und Leute, die rational anhand politischer Theorien Strategien entwickeln wollen als "Politautisten" bezeichnet.
netbitch - 22. Sep, 16:18

Was die Distelfliege auf jeden Fall mit Momo, Lantzschi uns so weiter gemein hat ist so eine gewisse Art Selbstviktimisierung, die mit meiner Art Feminismus nix zu tun hat und die ich für einen Teil des Problems und nicht der Lösung halte. Frauen sind da immer Opfer, Kerlinger auch dann Täter, wenn sie bemüht sind, sich OK zu verhalten, und sie haben nicht das Recht, selber über unangenehme Erfahrungen zu klagen. Die Welt ist schlecht und Frauen arm dran. Jammer, Jammer, Jammer.

Hier wird das zum Bleistift sehr deutlich.

http://distels.wordpress.com/2013/08/29/respekt-als-wahrung-im-fleischfachhandel-gehts-noch/



Ich weiß gar nicht, wie sich mit einer solchen Einstellung überhaupt ein positives Lebensgefühl aufbauen lässt. Wenn mir ein Tüp nachpfeift ruf ich laut dass es die ganze Straße hört "Ich weiß, dass ich nen tollen Arsch habe, deshalb musst Du nicht extra pfeifen!", aber ich käme nie auf die Idee, deshalb langatmige moralische Litaneien abzuhalten. Weil moralische Litaneien grundsätzlich panne sind. Wer mir zu nahe kommt kriegt Faust.

I´m not a victim, I´m a female warrior.
che2001 - 23. Sep, 14:39

Na ja, ich gebe da zu bedenken, dass Dein Selbstbewusstsein auch nicht etwas ist, was alle so mitgegeben bekommen haben. Und generell habe ich gerade bei Frauen so in den 20ern den Eindruck, dass die im Durchschnitt schüchterner, weniger selbstbewusst und verhaltenstechnisch, dummer Ausdruck, fällt mir aber jetzt kein Anderer ein, "klischeeweiblicher" sind als sie es in dem Alter in Deinem oder meinem Jahrgang waren. Seit den 80ern und 90ern haben sich die Dinge eher nach hinten entwickelt. Und von da her ist es vielleicht auch gar nicht verwunderlich, dass sich auf feministischen Blogs Anklänge an eine PC-Betroffenheitsmoral finden, die wir aus unserer eigenen Vergangenheit in ganz anderen Verknüpfungen kennen. Dafür, dass die Zeiten beschissener geworden sind sollten wir nicht diejenigen kritisieren, die selber Kritik daran üben.
John Dean (Gast) - 23. Sep, 15:37

Ich denke doch, das man - vorsichtig - Kritik üben kann, mehr noch, sogar sollte. Wenn sich ein bestimmter feministischer Flügel (ich nennen ihn mal: "Awareness-Feminismus") aufmacht, die Deutungsvormacht in allen sozialen Fragen zu beanspruchen, dann ist das einfach panne.

Panne ist auch, wenn derlei - sich zumeist hypersensibel gerierende Leute nicht die geringsten Probleme haben, andere Linke und andere Feministinnen (z.B. Rönicke) in die Pfanne zu hauen - mit widerlichen, kontrafaktischen Behauptungen.

Ich sehe auch Stärken dieses "Awareness-Femnismus". Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich betonnen. Dummerweise haben die meisten (!) Vertreter/innnen dieser Richtung zugleich eine Art "separistischen Reflex". Damit meine ich, dass sie als typische Problemlösungstaktik den Rückzug ins eigene politische Biotop propagieren - an Stelle einer echten Auseinandersetzung.

Falls es irgendwen interessiert (ich tippe mal, dass das nicht der Fall ist), könnte ich einfach mal eine beliebige Woche der Mae-Mannschaft systematisch analysieren - auch dahingehend, ob dieser Rückszugsvorwurf von mir tatsächlich ein Fundament hat (da bin ich mir noch etwas unsicher).

Geradezu prototypisch für diese Art von "separistischen Reflex" des Awareness-Feminismus ist eine Frau, die sich selbst "Schulden" nennt. Ihre aktuelle Story ist die, dass sie eine gemischte Party besucht hat, und da wurde sie und ihre Freundin - Skandal - doch wirklich und wahrhaftig einmal kurz von irgendwelchen fremden Männern angesprochen. Mehr war nicht.

RIESENSKANDAL!!! Wie können die es nur wagen, auf einer Party, also ausgerechnet auf einer Party fremde Menschen anzusprechen? Vielleicht sogar noch sehr höflich, was den Tatgesichtspunkt der besonderen Heimtücke genügt?

So, nachdem also der Awareness-Aspekt ausreichend von Frau Schulden dargestellt wurde, verkündet sie stolz und zufrieden ihren Lösungsvorschlag: Künftig wird sie alle Parties meiden, wo sich irgendwo ein Mann aufhält.

Problem gelöst! Und das ganz irre daran ist, dass das dann gleich als empfehlenswertes, allgemeines Verhalten gepriesen wird. Es ist nicht so, dass ich Rückszugsverhalten grundsätzlich panne finde, aber als generelles Muster?

Ich glaube, mensch sollte derartige Handlungsstrategien ein Stück weit von der Person abhängig machen. Nehmen wir einmal theoretisch an, ich wäre kein kämpferischer, geselliger, aber etwas auf die Hunde gekommener, etwas verklemmter und intelligenter Typ (der ich bin), sondern sagen wir eine leicht autistische (Asperger) hoch kreative lesbische Frau, die von Ängsten geprägt ist und generell einem massiven Fremdheitsgefühl gegenüber der Welt und gegenüber sozialen Siituationen jeglicher Art:

Dann wäre so ein queerer Awareness-Feminismus, mit einem starken Hang zu einem separistischen Reflex sogar mein persönliches Optimum! Weil ich dann in diesem Fall einfach so sein kann wie ich bin. Ich suche mir also Leidensgenoss*innen und verfluche die Welt, sowie mindestens zwei Drittel aller Menschen, mit denen ich jemals zu tun hatte. Ich bewege mich nur noch dort, wo meine Vorstellungen weitgehend geteilt werden. Basta! Alle anderen sind Schweine, homophobe Dreckskerle usw. usf.

Effekt: Es geht mir gut! Alles, was mich stört, halte ich mir einfach so weit vom Leibe und Geist, wie es nur geht.

(ob das dann am Ende aber eine wirklich realistische, zudem wirklich politische, und auch politisch wirksame, d.h. und auf die Veränderung der Wirklichkeit gerichtete Seins- und Wahrnehmungsweise ist, das ist am Ende noch einmal eine andere Frage: und das, obwohl in diesem Fall dank umfassender Awareness fast alles von mir auf eine spezifisch politische Weise betrachtet wird)

Problem daran, unter anderen: Die Bündnisfähigkeit geht dabei flöten. Und zwar fast völlig.

ziggev logged in (Gast) - 25. Sep, 14:54

also, ich fand das gar nicht so abwegig, dass (musikalisches) Interagieren mit etwa Flüchtlingen Protagonisten, die hinter einer unmenschlichen Praxis des Abschiebens stehen, in - wenn auch realistisch betrachtet - uneffektivem Maße vermenschlichen könnte. Ich gebe allerdings zu, dass ich mich nur zu gerne der Illusion hingeben würde, dass ein Obama, der Stevie Wonder und andere Größen der amerikanischen schwarzen Musik zu sich ins white house einläd, eigentlich ein besserer Mensch sein müsste, und es mir dabei schwer fällt, Obama mit demselben amerikanischen Präsidenten zu identifizieren, für dessen Außenpolitik mittlerweile die Bezeichnung "killing business" in den Staaten die Runde macht.

Dass Musik oder Kunst allgemein nur vermeintlich bessere Menschen hervorbringe, ist als falsche Vorstellung ja bereits zum Gemeinplatz geworden, dergestalt, dass nie ohne Exklamation die Feststellung gemacht wurde, dass ausgerechnet das "Volk der Dichter und Denker" zum Holocaust sich als fähig erwiesen hatte. Ein "Volk", ein Land, das immerhin einen wie Beethoven hervorgebracht hatte. (Es wird übrigens gemunkelt, dass über dessen spanischen Vorfahren durch Beethovens Adern afrikanisches Blut floss.)

Ohne Momo einen solchen Gedankengang unterstellen zu wollen, wäre es in seinem ihm nachgesagten Argumentationsstil des "die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen" konsequent, im (unzulässigen) Umkehrschluss zu folgern: Gerade deshalb! Weil in Europa ein solches interagierendes Musizieren nicht tradiert wurde, stattdessen hierarchisch organisiertes mit vorgegebenen Noten und "allmächtigen" Chefs am Dirigentenpult, ergab sich eine Situation, die dem Holocaust den Boden bereitete.

Wie dem auch immer sei, lässt sich imho nicht so leicht von der Hand weisen, dass Musizieren dazu beitragen kann, andere Menschen nicht vorurteilgeleitet in Schubladen einzuteilen & unzulässige Kategorisierungen auf sie anzuwenden - und in der Folge dementsprechend zu behandeln.

So unplausibel ist es dann nicht, anzunehmen, dass bei direkter Interaktion, also hier beim kollektiven Improvisieren, dieser Effekt sich umso unzweifelhafter auf die Beteiligten auswirken vermöchte, denn damit in einer Gruppe ein musikalisches Gebilde gemeinsam hervorgebracht werden kann, ist nicht das abstrakte Medium einer Komposition erforderlich, zu dem sich alle, die sich zu dessen konkreter Realisierung zusammengefunden haben, in dem Sinne auf gleiche Weise verhalten, als es für jeden/jede dasselbe zu schaffende Objekt ist, auf welches sie sich und über welches sich sich auf die schöpferischen Akte der Teilnehmenden beziehen.

Bei improvisierter Musik tendiert gewissermaßen jener "abstrakte Gegenstand" zu verblassen, denn an dessen Stelle tritt der individuelle Beitrag zum Gesamtgeschehen, das Individuum ist also gezwungen, sich persönlich zu engagieren, sich als Subjekt zu anderen Subjekten zu verhalten. Es ist die eigene Haltung essentiell. Allein dies - das "selbstkritische, reflexive Erfordernis" - dürfte sich durch den anderen Stellenwert des "abstrakten Gegenstandes" und den höheren der individuellen Interaktion viel konkreter auf das Selbstverhältnis der so agierenden auswirken. Und damit, weil ganz unmittelbar und konkret, auf die Haltung anderen gegenüber. Nicht über eine abstrakte Idee sondern über Interdependenz und Intersubjektivität, die für den Prozess der Herstellung eines musikalischen Gebildes bei solcher musikalischer Praxis charakteristisch sind, werden Schubladendenken nach Vorurteilen und unzulässiges "Kategorisieren" von Menschen nicht nur geschwächt sondern obsolet.

Und da Momo gerade in dem kurzen verlinkten Text - "Gedanken ziehen vorbei wie überflüssige Kommentare. Es rauscht, fortwährend, doch es rauscht vorbei. Während ich ganz in Farbe mich artikuliere ..." - eher Notate aus seinem subjektiven Erleben liefert, Bewusstseinsvorkommnisse assoziativer Natur wiedergibt, was natürlich in jeder Weise in einem Blog zulässig ist, stellt sich weniger die Frage nach "politischem Bewusstsein", oder ob es sich um Utopien eines Naivlings handelt, dies würde bedeuten, alles über den Leisten der Kategorie des Politischen zu spannen, was dazu verführen kann, nicht nur nach dem "politischen Bewusstsein" zu fragen sondern infolge einer Hypotrophierung des Primats des Politischen, die hier verfehlt ist, sich Rückschlüsse über die psychische Verfasstheit des Autors zu erlauben, vielmehr handelt es sich um eine Improvisation. Und für eine solche Improvisation, für ein solches freie Assoziieren ist es nicht erforderlich, sich zu dem betreffenden "Material" - politische Verhältnisse, Tonmaterial, Farbauftrag - im Sinne eines Allgemeinen zu verhalten, sondern es handelt sich um das Wagnis, eben dies einmal nicht zu tun. Ich glaube, irgendein Jazzmusiker hat einmal gesagt, Improvisieren sei eigentlich ein Synonym von "Wagnis", "etwas zu wagen". Die falsche Kategorie - die des Politischen - auf ein solches Unterfangen anzuwenden, muss dieses als naiv erscheinen lassen, welche "Naivität" unter dieser Kategorie eine psychologische Erklärung zu erheischen scheint. Dabei handelt es sich bei dem betreffenden Text bereits um eine psychologische Selbstauskunft des Autors! Ein solches psychologisierendes Vorgehen ist daher m.E. verfehlt, denn es blendet das subjektive Erleben des Autors, von dem er berichtet, aus. Eigentlich müsste das auch klar sein, denn Momo baut ja bereits selber einem solchen gewaltsamen Missverstehen dadurch vor, dass er sein eigenes Verhältnis zu dem "Allgemeinen" der Musiktheorie und ihrer Zeichensprache durchaus als mehr oder weniger naiv charakterisiert.

Inwiefern er er allerdings bei seinen Anspielungen an politische Topoi einem Selbstmissverständnis unterliegt, er also wähnt, damit bereits in einen politischen Diskurs eingestiegen zu sein, lässt sich anhand des von ihm vorgegebenen "Materials" schlechterdings nicht entscheiden.

Hier bin ich auch oft unsicher: Ob er glaubt, bereits dadurch, dass er außerhalb seines freien Assoziierens miteinander Unverträgliches innerhalb desselben zueinander in Beziehung setzt, politische Aussagen getroffen zu haben. Dies ihm nachzusagen, ich deutete es bereits an, wäre m.E. eine unzulässige (psychologisierende) Extrapolition.

Kein Problem ist es aber, mit ihm über ein paar musikalische Topoi zu improvisieren - über die große 7 u. die None in "Girl from Ipanema" -, auch wenn oder gerade weil sie sich als durchaus "theoretisch" darstellen, denn es wäre ein Trugschluss, irgendeinem Zugang zu diesem "Allgemeinen" vor einem anderen den Vorrang einzuräumen.

Ich wiederhole mich zwar, aber nochmal:
"Gedanken ziehen vorbei wie überflüssige Kommentare. Es rauscht, fortwährend, doch es rauscht vorbei. Während ich ganz in Farbe mich artikuliere ..."
Es liest sich eher wie ein Tagebuch denn als politisches Manifest.
ziggev logged in (Gast) - 26. Sep, 11:26

- - - sorry. wenn schon so eine häßliche Substantivierung, dann auch bitte richtig: Hypertrophierung bitte statt Hypotrophierung (hatte ich extra recherchiert, dass es beide Wörter nicht im Duden gibt).
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