2
Nov
2011

Gender

Angeregt durch anderswo geführte Diskussionen


http://rebellmarkt.blogger.de/stories/1925316/#1926271

http://medienelite.de/2011/10/31/der-gaze-effekt-und-feminismus



http://metalust.wordpress.com/

schreibe ich mal ein paar Takte zum Thema Gender.
Ich mache das mal biografisch orientiert, weil die eigene Erlebnisebene etwas darüber aussagt, wie ich mir das Thema angeeignet habe und warum ich es wie sehe, aber auch, um an eine sonst sehr abstrakte, im real life aber dennoch konkrete Thematik hermeneutisch (wegen mir: einfühlsam, empathisch, das warum von Begrifflichkeiten erläuternd) heranzuführen.

Das, was ich bis so etwa 1990 an feministischen Positionen kannte (jetzt nicht akademisch, sondern in Frauenzusammenhängen) lässt sich grob in vier Grundtendenzen aufteilen: Bürgerliche Frauenbewegung, die einfach mehr Mitspracherechte will, sozialistische Frauenbewegung, die anknüpfend an Engels "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats", Simone de Beauvoirs "Das Andere Geschlecht" und den Positionen Emma Goldmans die patriarchale Familie als Basis des Kapitalismus bekämpft, weibliche Subjektivität als Erkenntnisperspektive betrachtet, fragt, wie die HERRschende Gesellschaftsstruktur dieser in den Köpfen verankert wird und welche emanzipativen Potenziale sich dagegen mobilisieren lassen. Diese Frauenbwegung forderte, die Frauenfrage nicht als Nebenwiderspruch im Kapitalismus, sondern als dessen eigentlichen Grundwiderspruch zu behandeln: Am Anfang, noch vor der Sklaverei, stand demzufolge seit der Jungsteinzeit das Verfügen von Männern über Frauen als Basis des Privateigentums, seit es dieses gibt. Dann ein antiimperialistischer Feminismus, der Selbstbefreiung von Frauen als einen Dekolonialisierungsprozess analog den Befreiungsbewegungen in der "Dritten Welt" begreift und schließlich einen Bauch-Feminismus, bei dem Hexen, weise Frauen usw. mystische Urständ feierten.


So ab etwa 1990 kam aus dem angloamerikanischen Bereich die Gender-Theorie neu hinzu, die teilweise diese Ansätze aufgriff, teils aber auch völlig Neues hinzufügte. Zentral war die Unterscheidung zwischen sex und gender: biologischem und sozialem Geschlecht. Das griff einmal zurück auf geschichtliche Forschungen, denen zufolge Geschlechtsrollen in früheren Zeitaltern anders gesehen wurden als heute und zum Anderen auf Erkenntnisse aus der Völkerkunde. Kurz gesagt: Die strenge Unterteilung in Weiblein und Männlein, die von der heutigen Biologie vorgenommen wird hat es nicht immer gegeben. Das Verschieben von Merkmalen vom weiblichen zum männlichen Pol, Transgender, wurde in früheren Epochen zum Teil als weit weniger dramatisch angesehen als heutzutage. Zum Teil auch nur: Es gab Phasen in der frühen Neuzeit, in denen Geschlechstwanderung als Teufelswerk galt, und es gab Phasen im Mittelalter, in denen das sehr entspannt gesehen wurde - da ist halt M;artin zu Martina geworden, kann passieren.


Bei manchen außereuropäischen Völkerschaften gibt es bis heute mehr als zwei Geschlechter, weil Transen, Lesben, Schwule und Menschen außerhalb des gebähr- und zeugungsfähigen Alters als eigenständige Geschlechter angesehen werden, für die es auch eigene Fürwörter gibt (also: mehr als sie und er, ihr und ihm).


Die Unterscheidung zwischen zwei Geschlechtern mit ihnen zugeschriebenen Rollen (bei den antiken Sarmaten gehörte es zum Beispiel eine Zeitlang zum Rollenverhalten einer Frau, im Krieg zu kämpfen) ist also keine konstante anthropologische Bestimmung, sondern an eine bestimmte Gesellschaftsformation geknüpft.


Daran knüpfte die Genderdebatte dann an: Es geht weniger darum, ob bestimmte Verhaltensweisen deshalb erwartet werden, weil ich eine heterosexuelle Frau oder Don Alphonso ein heterosexueller Mann, Momorules schwul oder Somlu lesbisch ist, sondern darum, welche Verhaltensweisen progressiv oder reaktionär sind. Und darum, in welchem Maße individuelle oder kollektive Verhaltensweisen emanzipatorische oder unterdrückerische Strukturen reproduzieren. Damit beschäftigt sich ein Teil feministischer Gesellschaftskritik und die Genderforschung.

Trackback URL:
https://netbitch1.twoday.net/stories/49601990/modTrackback

claire de lune (Gast) - 3. Nov, 08:01

Du hast die Fortpflanzung vergessen,...

Was braucht man, damit sich das Menschengeschlecht fortpflanzen kann? Zumindestens eine Mutter. Damit ist klar, was eine Frau ist. Das ist ein Mensch, der damit geschlagen ist, Kinder bekommen zu können. Bevor eine Frau Kinder bekommen kann, braucht man einen Menschen von einer anderen Sorte, einen Mann.

Du siehst, die Geschlechter werden ausschließlich an Hand ihrer biologischen Funktion definiert.

Die Menschen leben aber in selbstverwalteten Gesellschaften. Da die Fortpflanzung des Menschengeschlechts aber so enorm wichtig ist für diese Gesellschaft ist, ist diese einem besonderen Regime unterworfen. Dieses erzeugt soziale Rollenverteilung der Geschlechter etc. etc.

Die Beziehung zu dem, was es sonst noch gibt, Paedophilie,, Homosexualität, Zwitter, Unfruchtbarkeit, Geister & Ahnen etc. steht nur in einem relativ weitem Zusammenhang mit der menschlichen Fortpflanzung. Was Transen und Geister miteinander treiben, ist anno 2011 Privatsache. Die geistige Insomnabuli... zwischen ... ist weder reaktionär, noch subversiv, noch evolutionär, sondern, wie gesagt, Privatsache.

workingclasshero - 4. Nov, 23:30

Demzufolge wäre meine geliebte Lebensgefährtin nur eine geräumige Gebärmutter?
Duellforderung morgen früh um 6 auf Pistolen.
claire de lune (Gast) - 5. Nov, 09:25

In patriarchalischen Gesellschaften und im Familienministerium und bei allen Diensthabenden, die verantwortlich für Bevölkerungsentwicklung sind, schon.

Das wird momo garantiert wieder auf den Kopf gestellt zitieren, so wie genova68s Einlassungen zur ETA - aber egal.
claire de lune (Gast) - 3. Nov, 09:02

Ach ja,...

...laßt doch mal Nadine in Ruhe! Der Alphons hat Euch ja ganz schön mit der drei Jahre alten Geschichte hereingelegt. Der zieht Euch ja ganz schön am Nasenring durch die Manege. Dieser miese Schuft. Der Nörgler bringt es ja nicht einmal fertig, die genaueren Umstände in der drei Jahre alten Grace-Jones-Geschichte zu untersuchen. Es reicht, ein Zitat aus dem Zusammenhang zu reißen, laut "Rassist" zu brüllen, und schon trabt dieser feministische Gender-Mob los, um die eigenen Leute zu vernichten wie weiland unter Stalin.

Das Problem an dieser Nadine ist ja nicht sie selbst, sondern der Gender-Pups, von manchen auch Foucaultisterei, Geschwurbel, Männerhaß, schwarzer Rassismus etc. genannt. Das, was Nadine vorbringt, hat keine besondere Qualität. Das ist ganz gewöhnliche Gendertheorie. Die allein bringt unter ihrenn Anhängern besorgniserregende Persönlichkeitsveränderungen mit sich, die bei Nadine in breiten Teilen des Publikums schon bemerkt und beklagt wurde. Manche versuchen deshalb schon, das Regime etwas zu lockern, wird aber von ihren Schwestern zur Ordnung gerufen.

netbitch - 3. Nov, 09:36

Au claire de la lune wird hier allenfalls gut dokumentiert, wie gut auch die Internetversorgung der Geschlossenen Abteilungen im LKH-Wesen ausgebaut ist.
axaneco (Gast) - 3. Nov, 10:24

Beispiele?

Na gut. Früher mussten Frauen im Krieg kämpfen, das tun sie heute auch, in der Bundeswehr zum Beispiel. Ist das transgender? Oder geht transgender nur von weiblich zu männlich?
"Das Verschieben von Merkmalen vom weiblichen zum männlichen Pol, Transgender, wurde in früheren Epochen zum Teil als weit weniger dramatisch angesehen als heutzutage." Welche Merkmale, welche Epoche, welche Dramatik?
"Bei manchen außereuropäischen Völkerschaften gibt es bis heute mehr als zwei Geschlechter" Welche Völkerschaften? Und welche praktischen Auswirkungen auf das Leben in diesen Völkerschaften hat diese Geschlechtervielfalt, von der Grammatik mal abgesehen?

Mir begegnet das ganze Thema immer wieder sehr theoretisch, auch hier, und ich frage mich immer wieder, was denn dieser Genderansatz IN DER PRAXIS bedeutet. Im Alltag. Im ganz normalen Leben fernab in sich geschlossener Diskursblasen. Das würde ich gern mal wissen.
Und wissen würde ich auch gern, wer denn letztlich entscheidet, was "progressiv" und was "reaktionär" ist.
Und letztlich - das ist zugegebenermaßen eine eher technische Frage, die aber in meinen Augen was mit Relevanz zu tun hat, auch wenn ich Zahlen und Relevanz nicht gleichsetzen will: Wieviel Prozent der Bevölkerung Deutschlands, Europas oder auch der erwähnten außereuropäischen Völkerschaften sehen bei sich persönlich denn eigentlich einen Konflikt zwischen Sex und Gender?

netbitch - 3. Nov, 10:56

Du machst ein ziemliches Fass auf, in der durch mein Zeitbudget gebotenen Kürze also erstmal ein paar Ansätze von Antworten.


Transgender: Das hat jetzt nichts mit dem Begriff Gender im Sinne von Geschlechtsrollenverhalten in Abgrenzung von Geschlecht als biologischer Kategorie zu tun, sondern bedeutet tatsächlich körperliche Übergangsformen zwischen Weiblein und Männlein bzw. Verschiebungen im Lauf des Lebens und Zwitter. Gibt es alles viel häufiger als gemeinhin wahrgenommen. Das rief in so um 15nochwas schon mal die Inquisition auf den Plan ("Teufelswerk"), im eigentlichen Mittelalter wurde das aber eher gelassen genommen. Gibt da ganz spannende Forschungen darüber, wie sich bei einzelnen Leuten im Mittelalter Geschlechtsumwandlungen ereigneten (auch ohne OP, sehr langsam über viele Jahre) und wie gelassen und selbstverständlich ihre Umwelt darauf reagierte.



@Völkerschaften: Z.B. in Papua-Neuguinea, verschiedenen Südseeinseln und Sibirien gibt es Ethnien, die drei, vier oder auch sieben Geschlechter zählen, für die es z.T., aber nicht immer vorgegebene Rollen gibt, z.B. werden Transen Schamanen. Aus der Tatsache, dass es die gibt, folgt nicht, dass diese Gesellschaften besser oder schlechter wären als unsere, wohl aber, dass es vom Konsens einer Gesellschaft abhängig ist, was als Geschlechtlichkeit verstanden wird.


Genderansatz in der Praxis: Da geht es um gesellschaftliche Benachteiligung und Bevorzugung von Gruppen, um Ausgrenzung und Hegemonien und was dagegen zu tun ist.

Wieviel Prozent der Bevölkerung sehen einen Konflikt zwischen Sex und Gender? Jede Frau, die sich nicht über sich selbst und ihre Ziele, sondern über einen Mann oder die Beziehung zu ihm definiert ist diesem Konflikt ganz praktisch ausgesetzt (ich nehme an, die Mehrheit aller Frauen der Welt), alle nicht heterosexuellen Menschen ohnehin. Insgesamt eine von der Mehrheitsgesellschaft so wahrgenommene "Minderheit" von ein paar Milliarden Leuten.
axaneco (Gast) - 3. Nov, 11:46

netbitch, danke für Deine ausführliche Antwort. Ich wollte gar kein Fass aufmachen, ich habe halt viele Fragen :-)
Also, Transgender im körperlichen Sinn (etwas verwirrend, weil ja Gender nun gerade nicht biologisch gemeint sein sollte, aber gut) scheint mir dann ein tatsächlich auch zahlenmäßiges Minderheitenthema unterhalb der Milliardenschranke zu sein. Aufgrund der Vielzahl der möglichen körperlichen Ausprägungen könnte man sicher auch auf noch mehr als sieben Geschlechter kommen. In diesem Zusammenhang verstehe ich auch, "dass es vom Konsens einer Gesellschaft abhängig ist, was als Geschlechtlichkeit verstanden wird." OK.
Gleiches habe ich auch verstanden, was alle nicht heterosexuellen Menschen betrifft, wobei die Minderheit hier zahlenmäßig größer sein dürfte. Aber dieses Thema scheint mir auch schon weiter in der Gesellschaft angekommen zu sein, und zwar auch ganz praktisch, siehe eingetragene Lebenspartnerschaft.
Tja, und "Jede Frau, die sich nicht über sich selbst und ihre Ziele, sondern über einen Mann oder die Beziehung zu ihm definiert ist diesem Konflikt ganz praktisch ausgesetzt." würde ich auch unterschreiben. Aber in diesem Satz steckt natürlich ein wichtiges Wort: "sich". Wenn sich die Mehrheit der Frauen sich über ihren Mann definiert, ist das zunächst mal ihre Entscheidung. Ob sie diese Entscheidung freiwillig oder überhaupt bewusst getroffen hat, ist offen. In Deutschland ist das womöglich eher der Fall als in Saudiarabien.
Aber dass Frauen sich selbst in die Lage versetzen, diese Entscheidung zu treffen - ist das dann nicht der praktische Kern des so verstandenen Sex/Gender-Konflikts?
Savall - 3. Nov, 11:08

Ähm, die Welt aus einem Punkte zu kurieren ist ein Ratschlag des Teufels.

netbitch - 3. Nov, 11:10

Wie meinen?
Savall - 3. Nov, 11:27

Goethe, Faust.
"Besonders lernt die Weiber führen
Es ist ihr ewig Weh und Ach
So tausendfach
Aus einem Punkte zu kurieren,
Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut,
Dann habt Ihr sie all unterm Hut."

Ich meine, daß der Mensch als Geschlechtswesen nur eine Facette darstellt. Es ist das alles nicht so wichtig. Und jede Ideologie, die das ganze Elend der Welt an einem Punkt festmacht per se falsch ist. Egal, ob es die Männer, die Kapitalisten, die Juden, die Freimaurer oder die Brillenträger sind.

netbitch - 3. Nov, 11:38

Dass Du das überhaupt sagen kannst liegt daran, dass Du ein weißer heterosexueller Mann bist, wahrscheinlich auch ohne unterschichtspezifische Diskrminierungserfahrungen. Das Thema Sex&Gender stellt sich mir schon, wenn mir in der Tiefgarage ein Mann auf den Hintern guckt und ich mich frage, ist der einfach nur scharf, guckt der so, weil er Frauen eines bestimmten Phänotyps immer so anguckt oder stellt der eine Gefahr für mich dar. Aufgrund letzterer Möglichkeit, aber auch, weil das einfach Spaß macht übe ich seit vielen Jahren mehrere Arten Kampfsport aus.

Die Situationen, in denen ich mal so im Alltag mit geschlechtsspezifischer gesellschaftlicher Ungleichheit und potenziellen Bedrohungen konfrontiert werde habe ich mehrmals am Tag. Geht den meisten Frauen mit größerem Bewegungsradius so.
mark793 - 3. Nov, 11:41

@savall:

Und ist es deswegen etwa illegitim oder irrelevant, wenn die Forschung eine bisherige Leerstelle der Welterklärung erkennt und versucht auszufüllen? Natürlich läuft man mit so einem Forschungsgegenstand wie Gender immer in Gefahr, mit seinem kleinem Hämmerlein irgendwann die ganze Welt nur noch als Nagel sehen zu können. Aber grundsätzlich wüßte ich nicht, was dagegen spricht, sich mal auf das Denkmodell mit dem Unterschied zwischen biologischem und gesellschaftlichem Geschlecht einzulassen.
che2001 - 3. Nov, 11:48

@"ob es die Männer, die Kapitalisten, die Juden, die Freimaurer oder die Brillenträger" verschiebt einen durchaus ernsthaften gesellschaftspolitischen Diskurs auf die Ebene abstruser Verschwörungstheorien, und Kapitalismuskritik - die in den meisten feministischen Theorien mitbeinhaltet ist, der Engels-Bezug kommt ja auch nicht von ungefähr - wird gleich miterledigt. Wie praktisch. Auf einer solchen Basis kann eine inhaltlich ernsthafte Diskussion erst gar nicht zustandekommen, zumindest keine, bei der beide Seiten mit gleicher Ernsthaftigkeit und wechselseitigem Respekt aufeinander eingehen.
Savall - 3. Nov, 11:57

Nein, Mark793, es ist nicht irrelevant. Aber es wird auch nicht das Elend der Welt kurieren. _Dieser_ Anspruch macht mich wuschig, nicht das Problem als solches. Und glauben Sie nicht, Netbitch, daß es mich verletzen könnte, nur als potentielle Bedrohung und heterosexuellen Unterdrücker wahrgenommen zu werden? Es verletzt mich im übrigen nicht, ich habe mich daran gewöhnt. Was mich wirklich ängstigt ist das jederzeit abrufbare Empörungspotential, das auch in dieser für mich albernen Metadiskussion erscheint. Ich bin fürwahr kein Don-Fanboy, der sich jede seiner Meinungen zu eigen machen würde, aber: "Hast du jetzt meinen Beitrag gelöscht? Du bist ja wirklich arrogantes und dummes Arschloch. Fick dich selbst." Das ist keine Diskussionsgrundlage. Sie sind ja eine von den vernünftigen Diskutanten, Netbitch, und ich finde es sehr bedenkenswert, was Sie sagen. Im übrigen würde ich die ganze Sache etwas niedriger hängen. Der _eine_ Punkt ist eben ein Ratschlag des Teufels, dabei bleibe ich.

mark793 - 3. Nov, 12:18

Das "Elend der Welt",

werter Savall, rangiert auf der argumentativen Skala übrigens kurz vor "...und in Afrika hungern Kinder." ;-)

Was mich zuweilen übrigens nicht davon abhält, ähnliche rhetorische Figuren zu benutzen...
netbitch - 3. Nov, 12:29

Nur sehe ich das nicht als einen Punkt, sondern als sehr langen Vektor in einem multidimensionalen Kontinuum. Außerdem habe ich nie behauptet, Männer NUR als potenzielle Bedrohung und heterosexuelle Unterdrücker wahrzunehmen. Sondern meine Wahrnehmung kommt oft nicht umhin, diesen Aspekt mit einzubeziehen, und das ist dann schon ein großer Unterschied. Interessant allerdings ist immer wieder die Erfahrung des Spießumdrehens. Da habe ich es, sage ich mal selbstlobend, zur Meisterschaft gebracht. Ich mache es schon mal, dass ich einem geifernden Mitdenblickendauerpenetrierer in dicht besetzter Straßenbahn laustark ins Gesicht sage "Na Schnuckelchen haben wohl Stangenfieber" und habe dann sogar Spaß daran, mich gegen blicktechnische Belästigungen erfolgreich zu verteidigen.
genova (Gast) - 6. Nov, 16:04

savall,

"Das ist keine Diskussionsgrundlage."

"Keine Diskussionsgrundlage ist es, einen Diskussionsgrundlagentext zu löschen."

Interessant, wie in diesem kleinen Beispiel die Verhältnisse umgekehrt werden, analog zu dem, was bei Don Alfonso und anderswo in Bezug auf Machtverhältnisse gemacht wird. Sozusagen die erste Spießumdrehung.

Du, savall, hast also Angst vor meinem "Empörungspotenzial"? Na, dann bin ich aber beruhigt, dass du dich ansonsten gerne "amüsierst", analog zu Alfons von oben herab. Genauso wie du betonst, dass du dich nicht verletzt fühlst, wenn eine Frau von Erlebnissen in Tiefgaragen berichtet. Tapfer, tapfer.
genova (Gast) - 6. Nov, 16:06

Sorry, die Anführungszeichen im zweiten Satz können weg ;-)
Savall - 3. Nov, 12:21

Denken Sie, Mark793, daß es um weniger geht? Bitte lesen Sie nochmal die Diskussion bei Rebellmarkt.

mark793 - 3. Nov, 12:42

Interessant, wie unterschiedlich man so einen Thread wahrnehmen kann. Dass Gendergedöns DIE Löung für alle Probleme wäre, habe ich nirgendwo herausgelesen. Falls ich was übersehen habe, fühlen Sie sich frei, die betreffenden Kommentare zu verlinken (jeder hat einen eigenen URL).

Was ich zum Beispiel aus der Diskussion auch rauslese, ist, dass da jetzt einige aus den Löchern kommen und "Neger, Neger..." rufen, um zu beweisen, wie unverbildet, authentisch und pc-immun sie doch sind. Aber das nur am Rande. Den Denkenderen und denen die sich schon etwas mehr mit diesen Fragen beschäftigt haben, ist natürlich schon klar, dass man ein Feld wie Gender nicht losgelöst von anderen gesellschaftlichen Faktoren und Prozessen betrachten kann. Es ist ja kein Zufall, dass diese Thematik eher in links verorteten Zusamenhängen auftaucht, in denen Kapitalismuskritik und dergleichen auch kein völliges Fremdwort ist, die Rassismus-Thematik kann ja auch nicht losgelöst von Fragen nach Kolonialgeschichte etc. betrachtet werden. Das muss Ihnen politisch nicht in den Kram passen, aber so zu tun als preise sich die Genderfrage als alleiniger Hebel zur Welterlösung an, geht an der Sache, wie sich mir dartellt, meilenweilt vorbei.

Wobei ich persönlich ja durchaus zustimmen würde, dass man/frau/es auch übertreiben kann mit dem Gegender. Aber das spricht nicht gegen den Ansatz an sich.
netbitch - 6. Nov, 18:03

Genova, von Anführungszeichen mal ab sind wir uns in dieser Hinsicht mal sehr einig;-)
genova (Gast) - 7. Nov, 22:01

Na, Netbitch, das ist dann ja mal ein netter Nebeneffekt der Diskussion hier :-)
Savall - 3. Nov, 12:58

Das bleibt Ihnen unbenommen, Netbitch. Ich hätte mich zumindest bei solcher Ansprache amüsiert gefühlt. Andererseits, kam Ihnen nie das Gefühl, solche Blicke als Kompliment zu interpretieren? Nun, ich glaube, damit werden wir zu keiner Einigung kommen. Das ist auch nicht nötig. Ich plädiere nur dafür, die Sache nicht so wichtig zu nehmen. Ganz und gar nicht einverstanden bin ich damit, daraus eine Ideologie zu formen. Wer bin ich und wie viele? Das ist eine wichtige Frage dabei. Mann? Bücherleser? Steuerzahler? Mieter? Angestellter? Fußgänger? ÖPNV-Benutzer? Supermarkt-Kunde? Zeitungsleser? Liebhaber? Idiot? Blogkommentator? Das alles bin ich. Wer bin ich? „Mann“ ist nur _ein_ Punkt.

netbitch - 3. Nov, 16:11

Der kleine Unterschied hat aber große Folgen.
netbitch - 6. Nov, 18:02

@Andererseits, kam Ihnen nie das Gefühl, solche Blicke als Kompliment zu interpretieren?



Zwischen den einen und den anderen Blicken weiß ich deutlichst zu unterscheiden, und ich bin eine ausgespochene Vielflirterin.

@Mann ist nur ein Punkt ist in einer patriarchalen Gesellschaft schlicht und einfach Unfug.
Savall - 3. Nov, 13:14

Ach, herrje, Mark793. Wo ist Ihr Ironiedetektor? Ich bleibe dabei, daß das ein Problem von Leuten ist, die keine Probleme haben. Mich interessieren als Philister, der ich bin, die einzelnen Argumente nicht. Ich halte die ganze Diskussion für absurd. Von dieser Meinung werden Sie mich nicht abbringen, so sehr Sie sich auch bemühen mögen. Meine Probleme sind: wird der Bus, mit dem ich zur Arbeit fahren muß, auch weiter verkehren? Wird die Firma noch im nächsten Jahr existieren? Bin ich in 12 Monaten Hartz-IV-Empfänger? Aus dieser Perspektive ist die ganze Gender-Diskussion Ein Problem Anderer Leute. (Hinweis: Ironie! Von Terry Pratchett geklaut.)

mark793 - 3. Nov, 13:53

Savall, mein ohnehin nicht gut geeichter Ironiedetektor hat mich in den vergangenen Tagen mehr als einmal schmählich im Stich gelassen. Ich könnte sogar in meinen eigenen Kommentaren den Ironieanteil nicht immer in genauen Prozentzahlen angeben. Over and out.
workingclasshero - 3. Nov, 13:56

Zur Gender-Problematik gehören unter anderem auch Leichtlohngruppen für Frauen in der Industriellen Fertigung, ist abern Luxusproblem.
Savall - 3. Nov, 14:12

workingclasshero, meine Chefin ist eine Frau, die ungefähr fünfmal soviel verdient wie ich. Und ich bewundere sie. Sexuell und intellektuell. Scheußlich, nicht?

netbitch - 3. Nov, 16:29

Ich verdiene auch fünfmal so viel wie workingclasshero. Das ist nicht der Maßstab. Maßstab sind gesellschaftliche Strukturen und die Frage, was sie aufrechterhält. Nur, weil Du ein Problem nicht siehst heißt das nicht, das es nicht bestehen würde. Sexismus und Rassismus werden auch hauptsächlich von denen wahrgenommen, die ihm ausgesetzt sind. Und es ist ja nicht so, dass das Gender-Thema etwas völlig Randständiges ist, für das sich nur eine kleine Minderheit interessiere.

Diejenigen, durch die ich zum ersten Mal von der Gendertheorie hörte waren auch keine Akadamers, sondern höchst bodenständige Aktivistinnen aus der englischen Gewerkschaftsbewegung.


Ansonsten
vgl. diese Links hier


http://de.wikipedia.org/wiki/Gender


http://www.gender-mainstreaming.net/


http://www.genderundschule.de/index.cfm?5B7E66E2F31911D6B42D0080AD795D93
istflut (Gast) - 3. Nov, 18:09

Ach, blöd, so kanns kommen. Ich habe mich verliebt in eine Frau, disabelt, drogensüchtig, aus altem, verarmten Geschlecht, misshadelt in der Kindheit und frühen Jugend, Lesbe, oder bi, nur immer mit Frauen Pech gehabt im Bett, intelektuellenfeindlich ("Intellektueller" ist ein Schimpfwort), mit Sexphobie, das war der Anfang der Aufzählung.

Oder vielleicht noch: Die ist bewaffnet!

Nur punkten konnte ich bei der noch nie mit Foucault-Gedangengut oder dieser Gender-Sache. Besonders Ahnung habe ich davon ja nicht, vorichtige Heranführung anhand einiger Quelllen. Aber: Indigniert Verständnislosigkeit: keine Chance!

Savall - 3. Nov, 18:28

Sorry, Netbitch, jetzt habe ich es verstanden. Sie nehmen diese Gender-Sache ernst? "Tut nichts. Der Jude wird verbrannt." Das ist es also? Ja, dann will ich Sie nicht weiter molestieren.

che2001 - 3. Nov, 19:20

Ob nun Savall oder die PI-hafte Kommentatarenkurve beim Don, die tun alle so, als ob es sich bei dem Gender-Thema um etwas gesellschaftlich völlig Randständiges handeln würde. Genderkompetenz istv heute schon Auswahlkriterium bei der Stellenbesetzung an Hochschulen, woei diese für Manns- und Weibsvolk gleichermaßen geforderte Genderkompetenz teilweise schon die frühere Frauenquote abgelöst hat.
noergler - 4. Nov, 12:20

Während Netbitch "diese Gendersache" ernst nimmt, nehme ich Savall nicht ernst. Hat der ein Glück!
mark793 - 4. Nov, 20:49

Naja,

die Sorge von Savall, ob sein Bus demnächst noch verkehrt, sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wobei ich ja nach der Performance hier eher den Eindruck habe, für den wäre der Bus längst abgefahren.
Savall - 3. Nov, 19:55

Jesses! Diese Revolutionäre auch immer!
http://www.duden.de/

workingclasshero - 4. Nov, 23:27

Der Nörgler meinte ja mal, es gäbe Leute, die zu blöd wären, um aus dem Bus zu gucken.
Savall - 4. Nov, 23:47

Ähm, danke auch. Ich wußte ja schon, daß Herr Settembrini von der FAZ bezahlt wird. Ist der Rest von euch auch so korrupt? Und, tja, ich bin einer von den Deppen, der eure seltsame Existenz bezahlt. Und ja, ich fahre mit dem Bus und nicht mit dem Porsche. Das ist euch fremd, ich weiß. Herrje.

workingclasshero - 4. Nov, 23:56

Ich fahre mit dem Hollandrad, Baujahr 1970.
Meine Existenz bezahlt meine 1-Mann-Autowerkstatt und mein Tagelöhnerjob in einer Druckerei. Meine Liebste, Netbitch, ist übrigens zwar Führungskraft, aber Tochter eines Briefträgers und einer Aldi-Kassenfrau. Und nu?
mark793 - 7. Nov, 19:32

@savall:

Dann machen Sie sich von den Honoraren der FAZ (und anderer ehrenwerter Publikationen) mal keine falschen Vorstellungen. Das ist wenn man so will das Haushaltsgeld, den Löwinnenanteil des Haushaltseinkommens bestreitet meine beruflich wesentlich erfolgreichere Frau, während ich mich neben der Schreiberei mehr mit der Kindesaufzucht und dem Haushalt beschäftige. Das bringt es (im Kleinen und Privaten) mit sich, dass mann sich über Rollenmodelle und Geschlechtsgedöns halt doch so seine Gedanken macht. Wenn Sie das in ihrer individuellen Lage als Nebenschauplatz betrachten, kann ich das verstehen. Aber die Ansicht, diese Fragen wären gewissermaßen gesamtgesellschaftlich irrelevant, halte ich mit Verlaub für ziemlich borniert. Nur weil Sie den Schuss nicht gehört haben, heißt das doch nicht, dass da draußen nirgendwo gekämpft wird.
Savall - 5. Nov, 00:03

Naja, Unternehmer. Kapitalist eben.Scheiße, nicht? Ich bin Parteimitglied seit 1980. Ändert das irgendwas?

Gabriele Spangenberg - 5. Nov, 11:40

Gender. Gender????

Ihr diskutiert?
Kommt doch mal mit mir zum Autorennen:
Ein dicker fetter alter Sack, Anfänger, er ist mit seinem Auto, welches fast doppelt so viel Hubraum hat wie meins, 20 sekunden LANGSAMER als ich) sagt zum mir vor drei Wochen:
Frau Spangenberg:"Haben sie den Rat befolgt den ich Ihnen vor dem rutschigen 4 Stunden Rennen im August gegeben habe?"
Ich:"Äh. hhhhh Sie haben mir einen Rat gegeben?"
Sack: Ja. Ich habe ihnen doch gesagt sie sollen im Regen Abstand zur Ideal Linie halten. " (ein "ACH NEE!!!, RAT")
Ich:"mmmhhh"
Sack:"Ach deswegen waren sie so schnell." (wir waren weit vorne in dem Rennen.)
Ich:"??????",
nach einer Denksekunde

Ich:"wo waren SIE denn in dem Rennen? "
Sack:"ich bin nicht mitgefahren. Nordschleife ist mir zu gefährlich"
Ich:"? ? ? !"



Gender??? Ich sage Euch: It's alive!

bersarin (Gast) - 5. Nov, 20:29

Und wenn Du, savall, das nächste mal einen Bus betrittst: immer schön vorne einsteigen, nie hinten, und ab 19 Uhr die Fahrkarte vorzeigen. Dann wird alles wieder gut.

Ich wußte gar nicht, daß es DIE PARTEI 1980 schon gab. Ich bin seit drei Jahren Parteimitglied.

greenbowlerhat (Gast) - 7. Nov, 22:14

Erst mal vielen Dank für den Text. Ich darf es für mich so zusammenfassen, es geht letztlich darum, zu reflektieren, welches persönliche oder gesellschaftliche Verhalten einen anderen geschlechtsspezifisch bedrängt und letztlich seiner resp. ihrer Freiheit beraubt. Im Prinzip also ein zutiefst und im Wortsinne liberales Anliegen, wonach der Mensch als solcher im Mittelpunkt stehen soll, nicht sein Geschlecht. Und, es geht dabei auch um den respektvollen Umgang miteinander im Alltag.

Mir scheint aber auch, und das wird an den Diskussionsbeiträgen einzelner weiter oben deutlich, dass die Debatte für manche ein Vehikel ist, sich genau diesen Respekt im Miteinander zu sparen. Vielmehr beobachte ich auch hier, wohl z.T. von denselben Leuten, ein Gehabe welches von ätzend über aggessiv bis zum bewusst-entstellenden "Verstehen" von anderen Beiträgen reicht.

Und das will mir nicht so recht in den Kopf. Warum zieht eine Denkschule, die Toleranz und Respekt und Reflexion fordert und fördert, anscheinend überdurchschnittlich viele Leute an, die genau das nicht sind? OK, die sind vielleicht gar nicht in der Mehrheit, aber sie sind sehr sehr laut.

Und verhackseln komplexe Themen, so dass dann am Ende holzschnittartige Dinger rauskommen, wie etwas die Sache mit der Lampe, die ich nicht wieder aufkochen will, der aber insgesamt, von allen Beteiligten, etwas weniger Emotion sehr gut getan hätte.

claire de lune (Gast) - 8. Nov, 08:44

Kinder hatten immer schon ihren Spaß daran, ihre Lehrer aufzuziehen, zumal dann, wenn sie ihren Schülern gegenüber feindselig eingestellt sind, nicht weil sie ihnen etwas angetan hätten, sondern weil wirre Erziehungstheorien behaupten, daß wenn Schüler sprechen, dies in jedem Falle Streben nach Macht, Supremacy, Dominanz, Hegemonie etc. oder Abwehr und Gewalt bedeutet, wovor man sich in Schutzräumen verkriechen muß wie vor Luftangriffen.

Im übrigen, wäre ich Frau Lantzsch, dann würde ich mich von den paternalistischen Übergriffen eines bersarin oder nörglers viel mehr gestört fühlen, die von ihr verlangen, sich für die drei Jahre alte Grace-Jones-Geschichte in den Staub zu werfen. Aber ich bin ja nicht Frau Lantzsch und kein Genderfanatiker. Wenn ich mich für alles, was ich in meinem Leben schon einmal von mir gegeben habe und Genderfanatiker geärgert hat, obwohl es im Prinzip anständig und richtig war wie Lantzschis drei Jahre alter Blogentrag, schuldbewußt mit gesenktem Kopf durch die Welt rennen würde, dann würde ich den Verstand verlieren. Und den brauche ich ja noch. Ich sehe an der Lampenposse nur wieder bestätigt, daß es bei Genderfanatismus ausschließlich um pharisäische Moral, um paternalistische, dogmatische Weltverschlimmerung geht.

Ein wenig klingt es hier durch.
John Dean (Gast) - 8. Nov, 12:17

A-B-S-U-R-D

Ich finde es nur absurd.

1. Ich es absurd, die Verdienste und Notwendigkeit von Feminismus zu bestreiten. Nach wie vor gibt es Benachteiligungen von Frauen, in Berufsleben und Familie, nach wie vor gibt es Sexismus - und unbestreitbar sind die teils riesigen Fortschritte, die gerade von Feministen erreicht wurden.

2. Ich finde es absurd, wenn allein schon das Wort "gender" bei einigen alten Herren in Dons Blog und woanders Abwehrreflexe und Spott hervor ruft.

3. Ich finde es absurd, wie die ganze Debatte begonnen hat. Ein völlig nachvollziehbares Verhalten (freilich: nicht für jede(n) gleich zu begreifen) wird kritisiert, StellvertreterInnen empören sich, teils berechtigt und solidarisch, teils in Verkörperung des Arschlochgedankens und kruder sprachlicher und ideologischer Vorstellungen (frei nach dem Motto - ungefilterte Version: "Hete nicht so rum, du Spasst").

4. Ich finde es es sogar mehr als absurd, dass sich in der "Front" der Gendervokabularnutzer_innen wirklich absolut kein Verständnis dafür entwickelt, dass ein für weite Schichten völlig unverständliches akademisch-linksbürgerliches Vokabular ("Cisheten" usw. usf) sich in der Auseinandersetzung der verschiedenen Blogger-"Fronten" als weitgehend ungeeignet erweist.

Hey: Was ist daran so erstaunlich daran? Dieses Vokabular ist eben nicht auf allgemeine Verständlichkeit ausgerichtet, was übrigens auch für den imho auch in sich problematischen "PoC"-Begriff gilt, der entgegen aller Behauptungen seiner Fans eben keine allgemeine Selbstbezeichnung ist, sondern - schauen wir der Wahrheit ins Auge: ziemlich speziell ist - und weithin völlig unverständlich.

5. Ich finde es absurd, dass der vorhersehbare Spott über das dogmatische Getue und die pannenhafte Sprache zugleich als allgemeines Abwerten von Feminismus betrachtet wird. Gleichwohl: Es gab sehr wohl antifeministische Reflexe, und wer die einzelnen Stimmen (bei Don z.B.) genau kennt, ist hier alles andere als überracht - und eher schon darüber, dass plötzlich alle Kommentator/innen in einen Topf geworfen werden.

Was soll das? Geht es noch blöder, noch primitiver? Ja, leider.

6. Ich finde es absurd, wenn vor dem Hintergrund eines mittelprächtigen Shitstorms von eindeutigen "Fronten" gesprochen Auf allen Seiten, die in Wahrheit jeweils Einzelmeinungen darstellen. Im Rahmen einer emotionalen und teils überaus diffusen Debattenlage wird von vielen eifrig empört, gespottet, geurteilt und - auch das - nachgedacht.

Aber eindeutige Fronten? Nö. Sehe ich nicht - allenfalls eine Front zwischen denen, die sich in ihr Spezialvokabular verliebt haben (mitunter: aus Gründen), und denen, denen z.B. allgemeine Vorhaltungen gegen "non-PoC-Cisheten" (usw.) ziemlich fremdartig erscheinen - und, in meinem Falle, auch politisch dumm.

7. Ich finde es absurd, dass sich fast alle in dieser letztlich unübersichtlichen Diskussion so klug fühlen.

(das betrifft auch mich)

8. Ich finde es absurd, von den überwiegend schädlichen Ergebnissen dieser Debatten zumal, dass ich fast der Einzige bin, den diese ganze Debatte vor allem ratlos macht. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass eine kleine Dosis Spott und Empörung bereits völlig ausreichen, um andere - sogar sehr geschätzte - Menschen komplett misszuverstehen.

Aber ich bin der Einzige, den das ratlos macht?

9. Vielleicht gibt es ja doch keine Fronten. Und vielleicht ist es viel zu bequem, dennoch, sich (eigentlich garnicht) wunderbaren politischen Gut/Böse-Dichotomien anzuschließen.

10. Ich werfe allen Beteiligten hier (mit meiner Ausnahme *g*) in erster Linie Bequemlichkeit (z.B. bei der Frontvermutung) und in zweiter Linie Dummheit (z.B., wenn mensch Don oder mich "Rassisten" nennt) vor. Nicht im Allgemeinen - sondern konkret in dieser Debatte, bei der sich - eigentlich - ziemlich kluge, besser gesagt, intelligente Leute beteiligt haben. Und ich werde den Eindruck nicht los, das das auch hier erwiesene Scheitern der Kommunikation nicht zu knapp a) mit der Emotionalisierung der Debatte b) mit identitären Problematiken und c) mit sprachlichen Missverständnissen zu tun hat.

Mensch könnte Schlüsse daraus ziehen, z.B. darüber, welche Art von Wortmeldungen in einem solchen Shitstorm hilfreich sind. Was mich betrifft: Einen erheblichen Teil meiner Wortmeldungen finde ich im Nachhinein alles andere als hilfreich.

11. Ich finde es absurd, lange Rechtfertigungen für etwas zu produzieren, was eigentlich weitgehend okay war.

12. Das hier war eine absurd lange Rechtfertigung.

Grüße vom Doc
netbitch - 8. Nov, 12:31

Den sachlichen Doc schätze ich ja dann doch wieder sehr;-)
greenbowlerhat - 8. Nov, 14:13

Ja, absurd das Ganze, da stimme ich Ihnen weitgehend zu. Was die Kommunikation angeht, nun, da scheinen die Prinzessin auf der Erbse und der Kaiser ohne Kleider gemeinsam eine Geschichte geschrieben zu haben. Denn so richtig es ist, problematische Ereignisse, Gedankenlosigkeit oder schlicht Blödheit zu thematisieren, so wichtig ist es, mit Gelassenheit an die Sache ranzugehen. Sonst wirkt man schnell wie ein Pinscher, der so gern ein Dobermann wäre.
Und nach wie vor meine ich, bei diesme Thema, aber auch in der Auseinandersetzung darüber, hilf respektvoller Umgang miteinander sehr viel weiter. Denn um diesen geht es letztendlich.

(und ich finde, es ist hier gelungen, eine deutlich sittsamere Diskussion zu führen als im Rebellmarkt. Obwohl doch, wenn ich das richtig sehe, sich hier recht viele der "alten Herren" von dort auch tummeln.)
claire de lune (Gast) - 8. Nov, 15:26

1. Du überschätzt die Wirkungen des Feminismus. Eine wichtige Rolle spielen auch die Einführung der Pille, die Beschäftigung von Frauen in der Industrie, die Institutionalisierung vieler traditionell von Frauen übernommenen Verantwortlichkeiten wie Wäschewaschen, Kindererziehung etc. u.s.w.

netbitch1's Definition von Feminismus faßt den Begriff etwas weiter, als ich es tun würde. Feminismus ist etwas, was im Westen in den 70ern entstanden ist. Aber darüber ließe sich streiten. Genderfeminismus wiederum ist darin ein dominanter Zweig, der besonders viele Leute zu Widerspruch reizt. Weder Don Alphonso noch ich haben etwas gegen selbständige und emanzipierte Frauen. Daß Lantzschi dabei so im Mittelpunkt steht, liegt wohl darin, daß sie genau den Teil des Feminismus repräsentiert, der andere Leute stört. Man zieht mit Vorliebe genau ihre Texte heran, um Behauptungen zu belegen. In einem Roman, der von der Lampenposse handelte, würde sie die Hauptrolle spielen. Ihre Person vereinigt die kleine Nadine, die die Frau an sich darstellt, ein wenig den colorblind, dem Veranstalter aus Fulda, der unauslöschliche Schuld auf sich dadurch geladen hat, die kleine Nadine gewesen zu sein, und nun die Pflicht hat, für all die kleinen Nadinen paternalistisch Verantwortung zu übernehemen, sich als Gouvernante aufzuspielen und in jeder kleinen Nadine, die der großen Nadine über den Weg läuft, eine Feindin zu sehen, die moralisch abgeurteilt oder zumindestens erzogen gehört, so wie Frau Sow und die netzfeministische Meute den colorblind, die Gürcan und den Hatem in ihrem Blog aburteilt.

2. "Gender" wird nicht ernst genommen. Genau wie die katholische Kirche von Atheisten nicht für voll genommen wird. Kann man, glaube ich, verstehen.

3. Ich finde Frau Sows Verhalten - naja - überheblich. Die Leute stören sich auch weniger am Anlaß sondern am Benehmen in ihrem Blog. Dieses Abkanzeln, das in ihrem Blog stattfindet, ist ja eine wahre Pracht! Und alle machen sie mit! Und dann beschweren die sich über schlechte Kommunikation, und geben die Schuld ausschließlich den anderen.

4., 5. ...

6. Es gibt mehrere kleine und größere Fronten.

7. Ich gebe es zu: Ich bin ein Klugscheißer.

8. Mich macht die Debatte nicht ratlos und halte ihre Ergebnisse nicht für schädlich.

9. Naja, die Gender-Fraktion bestehend aus Lantzschi, Frau Sow, momo, bersarin, nörgler und anderen ist schon eine Front.

10. Ich halte das Scheitern der Kommunikation für systemisch, unausweichlich, alternativlos, weil Genderpraxis so beschaffen ist, daß vernünftige Kommunikation nicht möglich ist.

11. Rechtfertigen müssen sich auch colorblind (den Verantwortlichen in Fulda) und lantzschi nicht. Aber die Genderpraktiker bestehen ja so darauf, und erwarten, daß die Protagonisten sich in den Staub werfen.

12. Das war eine meiner üblichen Klugscheißereien.
noergler - 8. Nov, 14:51

"Paternalistische Übergriffe"

Ich würde da, Madame Claire, lieber nichts beschwören, ich würd's nicht tun –

rät paternalistisch
Nörgler

netbitch - 8. Nov, 15:35

*lol*


Du hast halt Deinen Gernhardt anzuwenden gelernt.
netbitch - 8. Nov, 15:41

@Gender" wird nicht ernst genommen. Genau wie die katholische Kirche von Atheisten nicht für voll genommen wird. Kann man, glaube ich, verstehen."

oh je, wo lebt ihr eigentlich? Längst ist Gender ein Kategorialbegriff in der Forschung, in der Schulpädagogik, im Personalwesen, weit über die feministischen Debatten hinaus. Das macht ja einen Teil des ungewollt Komischen in der "Altherrenrunde" aus (neben der Tatsache, dass das gewollt komische dort so komisch eigentlich nicht ist), dass diese Tatsache überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wird, sondern eher auf dem Vorurteilsstand von vor 1988 diskutiert resp. gelästert wird.
claire de lune (Gast) - 8. Nov, 16:17

Na ja, die Schulpädagogik ist ziemlich ideologieverseucht. Kannst ja mal Pädagogikstudenten fragen. Da gibt es Reformpädagogik und Odenwaldschule, handlungsorientierten Unterricht, und viel esoterisches Zeug wie BrainGym und ähnliches. Da würde ich also auch Gender vermuten. In der Soziologie, Psychoanalyse, Theologie und ähnlichen manchmal nicht ganz ernst gemeinten Fächern spielt der Gender-Begriff an manchen Fakultäten auch eine Rolle, das aber nicht durchgängig. Bei Mathematikern, Natur- und Ingenieurwissenschaftlern ruft der Gender-Begriff aber nur Kopfschütteln hervor.
netbitch - 8. Nov, 16:37

In meiner Eigenschaft als Sozialwissenschaftlerin und Psychologin, anderthalb Jahrzehnte im Marketing und inzwischen in der Medizin tätig, dies allerdings als Kauffrau, kann ich das ja ganz gut spiegeln. Bei nicht ganz ernstgemeinten Fächern könnte mensch auch an Quantenphysik denken (wer das Risiko eingeht, bei einem Teilchenbeschleunigerexperiment ein Schwarzes Loch zu erzeugen oder sich den Kosmos als Blasenschaum aus unterschiedlichen Universen vorstellt könnte ja in einem Fall auch als gemeingefährlich und im anderen als Fantast angesehen werden), an höhere Mathematik (was sind rationale Zahlen und Infitesimalrechnung Anderes als fantastische kabbalistische Zahlenspielereien). Und bei PhilosophInnen, in der Psychologie, Soziologie oder Kulturanthropologie löst der Positivismus der Ingenieurwissenschaften dann eben auch nur Kopfschütteln aus. Die gelten dann als erkenntnistheoretisch komplett unterbelichtet, bzw. so etwas wie bessere Handwerker, aber keine Wissenschaftler im engeren Sinne.
netbitch - 8. Nov, 17:00

@Axaneco: Jede Frau, die sich nicht über sich selbst und ihre Ziele, sondern über einen Mann oder die Beziehung zu ihm definiert ist diesem Konflikt ganz praktisch ausgesetzt." würde ich auch unterschreiben. Aber in diesem Satz steckt natürlich ein wichtiges Wort: "sich". Wenn sich die Mehrheit der Frauen sich über ihren Mann definiert, ist das zunächst mal ihre Entscheidung. Ob sie diese Entscheidung freiwillig oder überhaupt bewusst getroffen hat, ist offen. In Deutschland ist das womöglich eher der Fall als in Saudiarabien.
Aber dass Frauen sich selbst in die Lage versetzen, diese Entscheidung zu treffen - ist das dann nicht der praktische Kern des so verstandenen Sex/Gender-Konflikts?


In der Tat, das ist des Pudels Kern, mit einer wichtigen Unterscheidung: Die meisten Frauen definieren sich selbst eben nicht freiwillig über einen Mann, sondern weil sie da hinsozialisiert wurden, im Sinne eines verinnerlichten Zwanges.
claire de lune (Gast) - 8. Nov, 17:15

Über den Teilchenbeschleuniger wird viel Unsinn erzählt.

Höhere Mathematik ist Logik in ihrer reinsten Form, Theorie an sich. Wendet man Mathematik an, so muß man immer prüfen, inwieweit das mathematische Modell tragfähig ist. Rationale Zahlen und Infitesimalrechnung haben sich längst bewährt. So einfach ist das. Ohne die mathematischen Modelle würdest Du nicht vor Deinem Computer sitzen können. Ein wenig Quantenphysik benötigt man auch dabei. So phantastisch ist das alles gar nicht. Nur kompliziert und unanschaulich.

Selbstverständlich werden alle mathematischen Gegenstände aus Axiomen durch Deduktion hergeleitet. Da ist auch keine Kabbala im Spiel. Naja, die Hardcore-Theoretiker unter den Mathematikern, empfinden sich als Künstler, da sie das Erschaffen schöner eleganter Beweise für Kunst halten (was sie ja auch ist). Für sie hat Mathematik auch eine ästhetische Dimension.

Den Kopf schütteln Ingenieure deshalb, weil sie üblicherweise vorsichtig urteilen, alles belegen und beweisen möchten, und Spekulationen über Dinge, die ein Mensch gar nicht wissen kann, ablehnen.

Bzgl. Gender ultimative Totschlagargumente: Hast Du schon einmal jemanden gesehen, der dem fünften oder sechsten Geschlecht angehört. Welche Probleme hat so einer? Wofür machen sich LGBT-Kämpfer stark? Welches Problem hat eine Frau, die für einen Mann gehalten oder den Männern zugeordnet wird? Warum wählen Frauen nicht das männliche Geschlecht, wenn die Männer doch so privilegiert sind?

Und dann gibt es natürlich noch das Argument, daß Queer- und Gender-Theorie alle Randgruppen, die Probleme der Frauen, Schwulen, Schwarzen, und weiß Gott noch wem, zu einem einzigen Problem der Diskriminierung und Unterdrückung oder Unterordnung dieser Randgruppen unter einer hegemonialen vom weißen heterosexuellen Mann ausgehende Macht definieren, was natürlich von einigen als Männerfeindschaft aufgefaßt werden muß. Das ist dann ja so was ähnliches wie struktureller Antisemitismus, weil alle Probleme der Welt durch die heimliche Macht einer Personengruppe erklärt werden. Mal abgesehen davon, übersehen Gendertheorie den Zusammenhang mit den übrigen Erscheinungen, mit Wirtschaft, Politik, ihren Auswirkungen auf Familie, Arbeit, und der dann daraus folgenden Situation für Frauen und Männer.
noergler - 8. Nov, 17:18

Madame nun wieder: „Bei Mathematikern, Natur- und Ingenieurwissenschaftlern ruft der Gender-Begriff aber nur Kopfschütteln hervor.“

Das könnte damit zusammenhängen, dass man auch nicht zum Friseur geht, wenn man Wurst kaufen möchte.
_____________________

Dieser Colorblind, angeblich in überheblicher Weise aufs Sows Blog mißhandelt, ist ein echter Knalldepp:
„als antira aktivistin sollte man von ihnen eigentlich erwarten können, dass die hautfarbe ihrer mitmenschen für sie keine rolle spielt.“
Ja Memsahib, schwarzes Noah isse selber rassistisch.
Dass dieser Hampelsack dann deftig Kontra kriegt, versteht sich ja wohl von selbst.
Schwarze erleben jeden Tag, dass die Hautfarbe aber knackhart eine Rolle spielt, und zwar zu ihren Lasten. Und wenn sie meinen, dass ihnen das eher weniger gefällt, dürfen sie sich noch sagen lassen, die wahren Rassisten wären sie selbst.

Aber die Dümmste bleibt dann doch Madame:

„ ..daß Queer- und Gender-Theorie die Probleme der Frauen, Schwulen, Schwarzen zu einem einzigen Problem der Diskriminierung und Unterdrückung oder Unterordnung dieser Randgruppen unter einer hegemonialen vom weißen heterosexuellen Mann ausgehende Macht definieren. (…) Das ist dann ja so was ähnliches wie struktureller Antisemitismus, weil alle Probleme der Welt durch die heimliche Macht einer Personengruppe erklärt werden.“

Schaun Sie, Froin Claire: Anstatt im Gehäuse ihrer standardisierten Abwehrreflexe immer heftiger um sich zu schlagen, könnten sie Schwulen, Frauen und Schwarzen mal zuhören, was die über ihre Diskriminierungserfahrungen erzählen. Und jetzt die Sensation: Schwule werden von Heten, Frauen von Männern und Schwarze von Weißen diskriminiert.
Wow! Das hätte Madame jetzt nicht gedacht, ging sie doch ursprünglich davon aus, dass die Subjekte der Diskriminierung Amöben, Pandabären und Aliens sind.

Sachma Schnuffel, gehörst Du zu den „Antideutschen“? Die holen auch immer den „strukturellen Antisemitismus“ raus, wenn sie in der Diskussion nicht mehr zurandekommen. Hatte bereits Colorblind den Rassismus einer ihm ausgesetzten Schwarzen elegant zurückgespiegelt, möchte mein Goldstück beim Umkehrdiskurs nicht abseits stehen. Wenn es bei der Feststellung der Realität eines sozialen Geschlechts, das nicht seinerseits wiederum biologisierbar ist, um Antisemitismus sich handelt, dann empfehle ich Madame Claire, die Bananenkette umzulegen, einen Knochen ins Haar zu flechten, das Baströckchen zu tragen und Grunz- und Dschungellaute von sich zu geben.

John Dean (Gast) - 8. Nov, 18:43

Es mag durchaus sein, dass Fachtermini in fremden Fächern werniger gut gelitten sind. Die implizite Behauptung, dass poststrukturalistischer, radikaler Genderfeminismus erkenntnistheoretisch jeglicher Natur- oder Ingenieurswissenschaft überlegen ist:

na, wenns schön macht...

Aber wie auch immer: Den Shitstorm bewerte ich nicht unbedingt als wissenschaftliches Ereignis. Eher schon als Kommunikationspanne.

Und da wären wir dann inmitten, ähm: nicht von verboten rückständigen Konzepten von Erkenntnistheorie, sondern deutlich eher schon bei verboten ungeeigneter Sprachwahl zur Vermittlung des eigenen Standpunktes.

Aber gut: Naturwissenschaften und Ingenieurswissenschaft wenden eine völlig ungeeignete wissenschaftliche Methodik an, sind darum rückständig bis zum gar nicht mehr und sollten sich - bitteschön - an der überlegenen Wissenschaftsmethodologie poststrukturalistischer Genderfeminist_innnen orientieren.

Oder so...

(ich werde wieder giftig - sorry

Kann mir hier irgend ein Mensch auf sinnvolle Weise erklären, warum jetzt plötzlich Erkenntnisphilosophie die Riesenrolle spielen soll? Ist das nur eine neue Variation davon, dass bestimmte Diskussionen und Kontexte bei einzelnen Beteiligten wie in Trigger wirken - oder sollen jetzt alle Naturwissenschaftler und Ingenieure sich in den Staub werfen, sobald Lantzschi irgendeinen queeren akademisch daher kommenden Selbstwerdungs- und radikale Theorien unkritisch darstellenden Erguss veröffentlicht, der nur scheinbar solidarische Interessen verfolgt?

???

(siehe Link oben!)

In der Hand der Poststrukgender-Aktivist_in wird die Naturwissenschaft zum moralischen Verbrechen, wie auch jegliche sprachliche und inhaltliche Abweichung vom eigenen Standpunkt.

So wirkt das: einfach nur dogmatisch und - pardon - panne.
John Dean (Gast) - 8. Nov, 18:56

Ich sollte besser nichts schreiben, wenn ich gerade angepisst bin. Das ist mehrfach paradox: ging es ursprünglich um einen kleineren Fall von Alltagsrassismus (sowie einen etwas tölpelhaft sich verhaltenen Einlader von Noah Sow), sowie um ernsthafte Verletzungen, die so etwas - ungewollt - hervor rufen kann, wird das von bodenlosen Fässern noch bodenloser gemachte Fass (diesmal von mir) in immer weitere Tiefen getrieben.

Ich bitte um Löschung des vorherigen Kommentars.
claire de lune (Gast) - 9. Nov, 07:21

Schaun Sie, Froin Claire: Anstatt im Gehäuse ihrer standardisierten Abwehrreflexe immer heftiger um sich zu schlagen, könnten sie Schwulen, Frauen und Schwarzen mal zuhören, was die über ihre Diskriminierungserfahrungen erzählen.
Was haben denn die Schwarzen und die Frauen gemeinsam, abgesehen davon, daß Du Dir sie als Objekte Deiner paternalistischen Weltanschauung ausgesucht hast? Auf der anderen Seite übersehen die Genderisten den Zusammenhang mit den übrigen Erscheinungen, die die Geschlechterfrage betrifft.

Diskriminierungserfahrung: Das bedeutet: Feministen definieren, wer Opfer ist, deuten deren Erlebnisse, mache eine Wissenschaft daraus, riegeln von vornherein jeden Einwurf als "Abwehr" etc. ab. Dabei halten ihre Behauptungen keiner empirischen Überprüfung stand. Lantzschi (die schon wieder) freut sich, endlich eine Sprache gefunden zu haben, mit der sich irgendwelche Unterdrückte ausdrücken können. Ich denke aber, mit Foucault und son Zeug beschäftigen sich Gürcan und Hatem nicht. Die werden von Frau Sow genauso abgekanzelt wie alle anderen auch. Ihre Diskriminierungserfahrungen zählen nicht. Die Segregationserfahrungen von Türken in Dtschl. sind ja auch nichts gegen so eine Lampe.
netbitch - 9. Nov, 10:08

Möchte einmal mehr feststellen, dass es "Feministen" sowenig gibt wie Maskulinistinnen, Abtreiber oder Hodenkrebspatientinnen, Claire/Willy/Georgi.
noergler - 8. Nov, 19:08

Da hast Du etwas nicht ganz verstanden, Dean. Die Titanin der Wissenschaften, Claire, hatte alles, was nicht Naturwissenschaft ist, in Bausch und Bogen für Hokuspokus erklärt. Daraufhin hatte Netbitch darauf angespielt, dass eine Theorie, derzufolge bestimmte Teilchen immer genau dort sind, wo sie nicht sind, nun auch nicht einem Wissenschaftsideal entspricht, das darauf baut, dass die Wurst zwei Zipfel hat.

Netbitch hat richtig festgestellt, dass Naturwissenschaftler und Ingenieure auf dem erkenntniskritischen (neudeutsch: erkenntnistheoretischen) Auge blind sind. Die wissen gar nicht, was das ist. Frage mal einen Mathematiker nach dem "Positivismusstreit". Diese Leute kapieren doch nichtmal die immanente Problematik des Satzes der Identität.

Das Bedauerliche an Claires Einlassungen an der Stelle ist, dass sie, bloß weil sie bei "Gender" vollautomatisch in die Schnappatmung fällt, glaubt, alles was ihr irgendwie "geisteswissenschaftlich" vorkommt, vollkübeln zu müssen.
_______________

Wenn man angemeldet kommentiert, kann man selbst löschen.

John Dean (Gast) - 8. Nov, 22:02

Stelle gerade fest, dass ich selbst so ein halber Poststrukki bin. Denn: ich nehme Worte viel zu wichtig. Auch glaube ich, mir fehlt so ewas wie ein Berg - ggf. auch zwei.

(könnten wir uns nicht vielleicht über Berge unterhalten? Das ist unverfänglicher)

@ Noergler

Klar hast du recht, wenn du auf die Fragwürdigkeit mancher Einlassungen von Claire hinweist. Die Idee aber, dass ausgerechnet die Vertreter_innen radikaler, poststrukkigenderfeminismen wertvolle erkenntistheoretische oder wissenschaftsmethodologische Erkenntnisse für Naturwissenschaftler anbieten könnten, halte ich für fernliegend.

Vielleicht kann es reizvoll oder sogar produktiv sein, eine rechtfertigungslose, "nicht-positivistische" Naturwissenschaft zu betreiben, die auf Beweis- und Überprüfungsmethodologien völlig verzichtet.

Ich meine, Schamanismus ist ja auch irgendwie toll. Manchmal.
netbitch - 8. Nov, 22:11

@Den Kopf schütteln Ingenieure deshalb, weil sie üblicherweise vorsichtig urteilen, alles belegen und beweisen möchten, und Spekulationen über Dinge, die ein Mensch gar nicht wissen kann, ablehnen.


Ich habe nichts Anderes getan, als die Behauptungen von Claire gespiegelt, d.h. Vorurteile über sozial- und kulturwissenschaftliche Theoreme und Methoden, von denen Claire nichts versteht, genauso platt und pauschal zurückgeworfen, ich denke so etwas über ingenieurwissenschaftliche Modelle nicht einmal ansatzweise, erst recht nicht über Physik und Mathematik, ich habe nur den Projektor umgedreht. Hat Noergler gerade sehr gut herausgearbeitet.


@Es mag durchaus sein, dass Fachtermini in fremden Fächern werniger gut gelitten sind. Die implizite Behauptung, dass poststrukturalistischer, radikaler Genderfeminismus erkenntnistheoretisch jeglicher Natur- oder Ingenieurswissenschaft überlegen ist:

na, wenns schön macht...


Ich BIN schön;-)


Und diese vom Doc ausgeführte Behauptung habe ich eben nicht aufgestellt.
John Dean (Gast) - 9. Nov, 11:13

@ Momor

1. Auch wenn du evtl. an "Brille" gedacht hast: Es heißt Brillanz und nicht Brillianz.
2. Du bist halt unerreichbar. Davon ab, manches von und an dir ist wirklich dufte - und anderes dazu quasi umgekehrtproportional.
3. Es stimmt: Was ich hier schreibe, ist nicht brillant.
4. Es stimmt: Was du hier nicht schreibst, dito.
5. Knapp daneben: Claire ist Georgi - und nicht Genova
6. [bitte beliebige Belanglosigkeit hier einsetzen]
7. Es könnte sein: Du verträgst meinen Abschied & Rauswurf bei dir nicht recht - und benötigst mich weiterhin als Stellvertreter-Unterdrücker, der ich für dich bin. Vergiss mich doch einfach. Deal?

(das erspart uns auch die Überdiebandekommunikation)
noergler - 8. Nov, 22:17

Es existiert bereits eine mächtige Institution, die eine rechtfertigungslose, nicht-positivistische Naturwissenschaft betreibt, die auf Beweis- und Überprüfungsmethodologien völlig verzichtet: die Pharmaindustrie.

Diese Industrie ist so radikal antipositivistisch, dass man dort die reaktionären Erbsenzähler der staatlichen Medikamentenzulassungsbehörden geradezu haßt.

netbitch - 8. Nov, 22:26

Nicht nur die: Die Tatsache, dass Noergler und ich hier überhaupt gemeinsam schreiben und uns auf einen Thread beim Don beziehen verdankt sich dem Umstand, dass WirtschaftsunwissenschaftlerInnen Ende der Neunziger Jahre ein Wirtschaftsmodell herbeischwätzten, das außerhalb jeder volks- und betriebswirtschaftlichen Logik "funktionierte" und infolgedessen eine Spekulationsblase erzeugt wurde, die Gewinne losgelöst von realer Produktivität versprach. Schließlich kennen wir uns von Dotcomtod.
che2001 - 8. Nov, 22:53

Ahhhh, das ist back to basics, um mit Billy Bragg zu sprechen!

Dankeschön, Nörgler und NB für diese Konkretisierungen!


@Dean: "Klar hast du recht, wenn du auf die Fragwürdigkeit mancher Einlassungen von Claire hinweist. Die Idee aber, dass ausgerechnet die Vertreter_innen radikaler, poststrukkigenderfeminismen wertvolle erkenntistheoretische oder wissenschaftsmethodologische Erkenntnisse für Naturwissenschaftler anbieten könnten, halte ich für fernliegend."


Das hat aber auch niemand behauptet. Natur- und Gesellschaftswissenschaften funktionieren verschieden, und z.B. der Positivismusstreit hatte zum Ausgangspunkt, dass positivistisch-naturwissenschaftliche Axiome sich eben nicht auf Gesellschaftswissenschaft übertragen lassen. Als man das bversuchte, kamen Sozialdarwinismus und Rassentheorien dabei heraus.

"Vielleicht kann es reizvoll oder sogar produktiv sein, eine rechtfertigungslose, "nicht-positivistische" Naturwissenschaft zu betreiben, die auf Beweis- und Überprüfungsmethodologien völlig verzichtet."

So etwas wird von niemandem impliziert, aber solch hochkomplexe naturwissenschaftliche Disziplinen wie theoretische Physik oder Populationsgenetik sind schon lange nicht mehr positivistisch. Wenn Zufallsfaktoren, die Rolle des Betrachters, alternative Realitäten usw. eine Rolle spielen ist die 1+4=5 Logik, die meinetwegen bei Baustatik noch gilt überhaupt nicht mehr anwendbar. Beweis- und Überprügungsmethodolgien liegen im Übrigen auch vor, wenn gefragt wird, wie eine Schwarze den Blick weißer Männer auf sie wahrnimmt, nur gehen die halt nicht von einer vorgegebenen Standardrealität aus, die zumeist vorher von weißen Männern definiert wurde.

"Ich meine, Schamanismus ist ja auch irgendwie toll. Manchmal."


Anderes Thema.
John Dean (Gast) - 9. Nov, 01:29

Es existiert bereits eine mächtige Institution, die eine rechtfertigungslose, nicht-positivistische Naturwissenschaft betreibt, die auf Beweis- und Überprüfungsmethodologien völlig verzichtet: die Pharmaindustrie.(Noergler)
Oh ja. Oje. Vielleicht nicht völlig - zum Beispiel in Hinblick auf die Wirksamkeit der eigenen Vermarktungs- und Vertriebsmethoden, in Bezug auf die Renditekontrolle beim Kauf von Wissenschaftlern, Selbsthilfegruppen, Politikern, Journalisten usw. usf.

Das ist so Momente, wo ich eine imho allzu unterkomplex positivistisch strukturierte "evidenzbasierte Medizin" geradezu abfeiere. Mit unkritischem Wissenschaftspositivismus lässt sich sehr gut leben, wenn der Gegner z.B. eine kapitalistisch deformierte (bzw. formierte) Pharmaindustrie ist.

(imho)
John Dean (Gast) - 9. Nov, 01:42

Ich habe nichts Anderes getan, als die Behauptungen von Claire gespiegelt (Netbitch)
Aah. Das habe ich überhaupt nicht gepeilt. Ich habe mich schon gewundert, offen gesagt, sogar richtiggehend geärgert, wie jemand wie du solche Aussagen tätigen kann. Diese Ironie verkennende Enttäuschung war auch ein Grund dafür, dass ich formulierungstechnisch so aus der Haut gefahren bin.

Claires Position habe ich ohnehin mehr unter "gut gemeint" und "bewusst provozierend, aber nicht böse" einsortiert, pardon, das soll jetzt nicht abwertend klingen. Da konnte ich mich garnicht aufregen, das ist halt das, was bei einem bestimmten Grad der Vertrautheit mit einer bestimmten Materie fast schon folgelogisch heraus kommt.

Spannender fand ich da schon Savalls Formulierung des Aus-einem-Punkte-Heraus-Kurierens. Ich denke mit etwas Wohlwollen lässt sich daraus eine tatsächlich fundierte - und sogar konstruktive Kritik an bestimmten Vertreter_innen von Poststrukgenderfeminismus ableiten.

Überdies befürchte ich, dass wir alle dazu neigen, die komplexe gesellschaftliche Realität und ihren Reform- bzw. Verwerfungsbedarf auf einige (zu) wenige Punkte zu verengen. Ich würde das bei mir selbst jedenfalls so sehen, und eine gewisse "Einpunktverengung" lässt sich imho in der Shitstormdebatte bei einzelnen Diskutanten locker aufzeigen.

Es gibt so vieles, was wir noch gar nicht sehen - oder zu unklar.
claire de lune (Gast) - 9. Nov, 07:26

Schaun Sie, Froin Claire: Anstatt im Gehäuse ihrer standardisierten Abwehrreflexe immer heftiger um sich zu schlagen, könnten sie Schwulen, Frauen und Schwarzen mal zuhören, was die über ihre Diskriminierungserfahrungen erzählen.
Was haben denn die Schwarzen und die Frauen gemeinsam, abgesehen davon, daß Du Dir sie als Objekte Deiner paternalistischen Weltanschauung ausgesucht hast? Auf der anderen Seite übersehen die Genderisten den Zusammenhang mit den übrigen Erscheinungen, die die Geschlechterfrage betrifft.

Diskriminierungserfahrung: Das bedeutet: Feministen definieren, wer Opfer ist, deuten deren Erlebnisse, mache eine Wissenschaft daraus, riegeln von vornherein jeden Einwurf als "Abwehr" etc. ab. Dabei halten ihre Behauptungen keiner empirischen Überprüfung stand. Lantzschi (die schon wieder) freut sich, endlich eine Sprache gefunden zu haben, mit der sich irgendwelche Unterdrückte ausdrücken können. Ich denke aber, mit Foucault und son Zeug beschäftigen sich Gürcan und Hatem nicht. Die werden von Frau Sow genauso abgekanzelt wie alle anderen auch. Ihre Diskriminierungserfahrungen zählen nicht. Die Segregationserfahrungen von Türken in Dtschl. sind ja auch nichts gegen so eine Lampe.
John Dean (Gast) - 9. Nov, 10:30

Claire, ich denke, in manchem hast du mit deinem Rant recht, jedenfalls finden sich da durchaus Bestätigungen für das, was du sagst. Ich sehe da allerdings einen kleinen Zuordnungsfehler: Die Positionen von Frau L. sind mitnichten deckungsgleich mit "dem" Feminismus, und mehr noch, auch nicht deckungsgleich mit den Feminist_innen, welche sich dem Thema bevorzugt poststrukturalistisch nähern. Ich sehe Frau L. eher als eine Art Einzelfall, eine ziemlich junge, überaus engagierte Frau, die im jugendlichen Überschwang zu Übertreibungen und, ähm, ziemlich einzigartigen und von Emotionen sowie Identitätskonflikten bestimmten Sichtweisen neigt (z.B. "hete hier nicht so rum, du Spasst"). Aber, interessant ist es doch, dass einzelne Damen_innen aus der Lesbenszene sowohl biphobisch wie auch teils hetenhassend durch die Welt laufen - und mit etwas Wohlwollen kann mensch das auch als Ausdruck nicht nur individueller Problemlagen auffassen. Zugleich sollte mensch nicht der Versuchung verfallen, die launischen Äußerungen der Frau L. mit ihrer grundsätzlichen Einstellung zu verwechseln. So kommt sie wohl mit "Heten" an sich durchaus zurecht, und mitunter auch mit männlichen "Heten". Wie gesagt: Ich sehe da mehr den Einzelfall.
Ich denke aber, mit Foucault und son Zeug beschäftigen sich Gürcan und Hatem nicht.
Och, das würde ich jetzt nicht unbedingt so sagen. Vermutlich liegt die "Foucault-Quote" unter Migranten (bzw. deren Kindern) ähnlich niedrig bzw. ähnlich hoch wie bei Nicht-Migranten (bzw. deren Kindern).

Wobei die Quote der "Gürcan und Hatems", die sich vermeintlich vorbildlich als "non-PoC" und somit als klassische Unterdrücker klassifizieren, nochmals niedriger liegen dürfte. Diese Übernahme von speziellen Begrifflichkeiten aus einer höchstspeziellen US-PC/Gender-Szene, in Verbindung mit dem eindeutschendem Herumge-PoC-e ist in meinen Augen kaum mehr als eine Modeerscheinung einer bestimmten Szene von Selbstwerdung maximierenden Mittelschichtskindern, die Protest und moralische Überheblichkeit zur eigenen Angelegenheit machen. Wobei auch hier Vorsicht: So abfällig ich das hier formuliert habe, so sehr haben Frau L. und Noah ganz beachtliche Verdienste, oder anders formuliert, schon eine Reihe wirklich toller Dinge auf die Beine gestellt.

Um so trauriger, wenn man z.B. im "Troll"-Wordtext nachliest, wie derbe und wirklich hässlich wie ungerecht Noah Sow Leute abkanzelt und geradezu feindselig mit Worten in die Fresse haut, die das nicht verdient haben.

Vielleicht - ich tendiere im Moment zu dieser Ansicht - ist das teils aber auch das Ergebnis einer bestimmten, imho ausgesprochen unzulänglichen, abgrenzenden Sprache und Ideologie, die sich selbst als unhinterfragbare Avantgarde der Erkenntnis versteht, wenn es um Geschlechter- und Diskriminierungsfragen geht.

Ich denke, es ist kompliziert - und mensch sollte weder dem Fehler verfallen, individuelle Positionen für typisch zu halten, noch dem Fehler verfallen, aus unzulänglichen Ansichten einzelner Beteiligten zu folgern, dass es sich hierbei generell um politisch Verblendete/Überradikalisierte handeln würde.

Die Welt ist kompliziert - die radikalen Genderstrukkis bemühen sich darum, diese verstehen zu wollen. Und falls mensch sich darüber aufregen möchte, was theoriegespeiste Blindheit und Radikalisierung in Einzelfällen anzurichten mag, verweise ich auf die Fachdisziplin der Wirtschaftswissenschaften, die dort sichtbaren Ideologisierungen und den Beitrag, die diese - ähm - Wissenschaft in Hinblick auf die Gestaltung unserer Lebensverhältnisse in den letzten 10 Jahren geleistet hat.

Das scheint mir das größere Problem zu sein, als ein halbdutzend Blogger/Twitterer mit teils fragwürdigen Ansichten und Auftreten.
claire de lune (Gast) - 9. Nov, 14:52

Hallo James Dean!

1. Der Forschungsbetrieb in den wirtschaftswissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen und in einigen anderen Fakultäten werden durch wirtschaftliche Interessen gesteuert. Deformationen bleiben dann nicht aus. Sozialwissenschaften sind in dieser Beziehung nicht besser als Pharmazie. Im übrigen ist diese Diskussion ein von Nörgler in die Gegend geworfener roter Hering, um die Diskussion vom wesentlichen abzulenken.

Die von den meisten hier wenig geschätzte Alice Schwarzer führt paternalistischen feministischen Opferdiskurs, das aber ohne Schwurbelsprech vor:
a: Definiere Opfer: Muslimische Frauen
b: Definiere, was denen angetan wurde: Unter das Kopftuch gezwungen, zwangsverheiratet, gefoltert, gedemütigt, ehrengemordet, und alles das nur, weil das Mohammed notwendig und richtig findet.
c: feministischer Aktivismus: "Rettet die muslimischen Frauen!" - "Hinschauen!", "Nicht wegsehen!" etc.
d: Proteste dagegen sind "Abwehr", "Verteidigung von Hegemonie, Privilegien, Herrschaft", "Täterschutz" etc.
etc. etc.
Mit Wissenschaft hat so etwas nichts zu tun. Auch wenn man Foucault dazu auffährt.

2. Gerade weil Frau Lantzsch so oft danebenhaut, ist sie die Feministin par excellence. Da findet jeder, was er braucht, entweder Parodie oder Grenzüberschreitungen oder was anderes, das dann auf den gesamten Feminismus verallgemeinert wird.

3. Die Gürcan, Hatem, die Arbeitslosen, Alkoholiker und all die anderen Randgruppen drücken sich mitnichten PC aus. Das sind die, die in "sozialen Brennpunkten" leben, durch RTL2 verrohen und mir "Fick disch, Alda!" zurufen. Es ist auch nicht so, daß weiße heterosexuelle Männer beständig ihre angeblichen Privilegien verteidigten. Frauen sind genauso konservativ. Die amerikanische Tea-Party braucht zum Beispiel überhaupt keine Frauenquote in der Führungsspitze. Denk auch an Frau Eva Herman! Konservative Familienmodelle werden auch von Frauen gepredigt, ohne, daß sie dahin geprügelt wurden. Das ist einfach Sozialisation, die Rollen für Männer und Frauen bestimmt, und eben gerade keine Unterdrückung oder Hierarchie eines durch das andere Geschlecht. Diese Rollen haben für Frauen (und manchmal auch für Männer) gewisse Nachteile.
istflut (Gast) - 9. Nov, 14:02

@"... z.B. der Positivismusstreit hatte zum Ausgangspunkt, dass positivistisch-naturwissenschaftliche Axiome sich eben nicht auf Gesellschaftswissenschaft übertragen lassen."

Hm, es wird immer Naturwissenschaft mit Positivismus gleichgesetzt, was falsch, jedenfalls in Teilen falsch ist. Es gibt schon seit Ewigkeiten nicht-positivistische Naturwissenschaft, nämlich den Fallibilismus. Sich auf Beweise, Beweis- und Überprüfungsmethodologien zu berufen, heißt noch lange nicht, Positivist zu sein. Der Logische Positivismus z.B. des A.J. Ayer, dessen 'Language, Truth, and Logic' für viele Englischsprachige den (Logischen!) Positivismus repräsentiert, ist Geschichte. Er selbst erklärte auf die Frage, was - rückblickend - die wirklichen Unzulänglichkeiten jener Bewegung gewesen seien: "Well, I suppose most of the defect is that it all was false!"; Popper (Falsifikation) erklärte den (Logischen!) Positivismus für tot.

Es ist mMn nicht erforderlich, sich in solche "esoterischen" Gebiete wie die Quantenmechanik vorzuwagen, um auf "nicht-positivistische" Naturwissenschaft zu stoßen. Als Sozialwissenschaftler so zu argumentieren, ließt sich fast so wie die ironische Spiegelung oben von netbitch, die john dean zuerst missverstanden hatte. Und Selbst die Quantenphysiker betreiben stinknormale experimentelle Forschung: "Huch, schau hin, das Teilchen ist dahinten rausgekommen bevor es abgeschossen wurde. Da müssen wir wohl mal unsere Annahmen, Modelle, Überprüfungsmethodologien, Hypothesen, Experimente, je nach dem, überprüfen!"

In den Sozialwissenschaften hat sich der Begriff sicherlich mit einiger Berechtigung gehalten, "positivistisch", "Positivismus", letzterer eben als -ismin den Sozialwissenwschaften, die fälschlicherweise(?) Axiome aus der Naturwissenschaft oder gar "Tatsachen", ohne deren epistemologische Brauchbarkeit zu hinterfragen, übernehmen. Es besteht offenbar – Positivismusstreit – die Notwendigkeit, sich abzugrenzen bzw. gewisse Theorien innerhalb der eigenen Disziplin zu kennzeichnen. So scheint mir der Begriff alos gerechtfertigt.

Wir begegnen hier im thread aber wieder jenem Phänomen, dass Begriffe seltsam unscharf werden. Der Logische Positivismus schlägt vor, die Bedeutung von wissenschaftlichen Sätzen als die experimentellen Bedingungen oder Beobachtungen, die ihre Wahrheit verifizieren, zu verstehen. Mach war Positivist, Comte war Positivist, doch hatte Mach wahrscheinlich mehr mit Husserl gemeinsam als mit Comte, und sicherlich noch mehr gemeinsam mit James. Wird angenommen, jemand sei Positivist, wissen wir recht wenig, denn der Positivismus besteht eher als eine Menge von Traditionen, die z.T missverständlich, z.T. in intellektuellem Einvernehmen mit einander verbunden werden. Ansonsten scheint das Wort "Positivismus" überwiegend von Postmodernen, Dekonstruktivisten und der Frankfurter Schule verwendet zu werden als ein Wort, das jenen, den gescheiterten Zweig der Tradition der Aufklärung repräsentiert; es ist das 'Andere' geworden, welches, wie wir alle wissen, falsch ist, ohne zu wissen, was es ist. – Jedenfalls fast nie von denen, die gemeint sind, denn die gibt es gar nicht mehr, oder sie würden versuchen, sich einer genaueren Terminologie zu befleißigen.

John Dean (Gast) - 9. Nov, 17:01

Das ist einfach Sozialisation, die Rollen für Männer und Frauen bestimmt, und eben gerade keine Unterdrückung oder Hierarchie eines durch das andere Geschlecht. (Claire/Georgi)
Ähem: Sind es nicht auch Unterdrückungs- bzw. vorwiegend Unterdrückungsmechanismen, welche Sozialisationsmuster bestimmen, lenken bzw. beeinflussen??

@ Istflut

Ich fürchte, eine wissenschaftsmethodologische Diskussion ist hier (und anderen Politblogs) in etwa so sinnvoll wie ein jahrelanges Studium der Wissenschaftstheorie durch den wissenschaftlichen Praktiker.

Weil: Am Ende kommt es darauf an, was hinten heraus kommt.
;-)
istflut (Gast) - 9. Nov, 19:20

ja, ob etwa ganze Absätze kursiv erscheinen. Es sollte heißen:

In den Sozialwissenschaften hat sich der Begriff sicherlich mit einiger Berechtigung gehalten, "positivistisch", "Positivismus", letzterer eben als "ism" in den Sozialwissenwschaften (...)

Es besteht offenbar – Positigvismusstreit – nie Notwendigkeit, sich abzugrenzen bzw. gewisse Theorien innerhalb der eigenen Disziplin zu kennzeichnen.

che2001 - 9. Nov, 22:24

@Dean: Ich halte es sehr wohl für sinnvoll, wissenschaftstheoretische Diskussionen in Blogs zu führen, haben wir ansatzweise hier, auf Shiftingreality, bei mir und bei Momorulez ja auch immer wieder getan. Warum nicht?


Sind es nicht auch Unterdrückungs- bzw. vorwiegend Unterdrückungsmechanismen, welche Sozialisationsmuster bestimmen, lenken bzw. beeinflussen?? --- Ja, aber hallo!


@clairedelalune: "Die Gürcan, Hatem, die Arbeitslosen, Alkoholiker und all die anderen Randgruppen drücken sich mitnichten PC aus. Das sind die, die in "sozialen Brennpunkten" leben, durch RTL2 verrohen und mir "Fick disch, Alda!" zurufen. " ---- Ob die speziell durch RTL2 verrohen oder eher durch ihre materielle Lebenssituation, ob die überhaupt generell verrohen wäre nochmal eine Frage an sich. Ich habe ja nun ziemlich viele ArmutsmigrantInnen und Flüchtlings, auch Jugendliche aus Arbeitsmigrationsfamilien kennengelernt, und die drücken sich in der Tat anders aus als Noah oder Nadine. Aber auch nicht unbedingt in aggressivem Streetgang-Sprech. Den Begriff PoC kenne ich tatsächlich nur vom Braunen Mob und Umfeld, in meinem Kontaktbereich sind eher Begrifflichkeiten wie "Schwarzköpfe", "Orientalen", "Afro-Deutsche" gebräuchlich oder auch ein beißend-sarkastischer Selbstverarschungs-Humor, der in ganz bewusstem Gegensatz zum PC-Vokabular formuliert wird und wo Leute sich schon mal Kanacken oder Neger selber nennen. Z.B. ein kurdischer Gastwirt, der auf die Frage, wieso es in seinem Imbiss nur Elektro- aber keine Gasherde gäbe erwiderte: "Wir Kurden haben etwas gegen Gas. Das ist so ähnlich wie mit den Juden." oder ein kurdischer Mitarbeiter dieses Imbiss (in dem ich zeitweise als einziger Deutscher jobbte), der Dönerreste vom Fußboden aufklaubte und auf einen Teller tat, und als ich ihn frug, was er da mache erwiderte: "Das ist für einen Freund. Man sagt ja, Kurden ließen alles mit sich machen, und das will ich jetzt testen, man sagt auch, wir seien die Juden von heute, also muss man da Menschenversuche machen" (Tatsächlich war der Döner für seinen Hund). Ich kannte eine Afroamerikanerin, die, wenn ich sie anrief stets im Rahmen der Begrüßung sagte: "Die Negerin will immer das Eine." Und ich habe eine Sielwall-Punkerin erlebt, die ihren Klassenstandpunkt so formulierte: "Wir Asos und die Kanacken stehen Seite an Seite gegen Bonzenpigs und Faschos."


Aber, das ist die Sprache von Marginalisierten, die so reden, weil sie ihre Unterdrückung oder Ausgrenzung bewusst machen wollen, und es ist ein im Wortsinn existenzieller Unterschied, ob die so reden oder sich so bezeichnen oder ob privilegierte Weißdeutsche das tun. In einem Fall eine spezielle, humorvolle Form von Gegenwehr, im anderen Fall Sichlustigmachen über Marginalisierte.

Das hat dann sogar Berührungspunkte zur PC-Sprache: In beiden Fällen geht es darum, sich vom Vokabular der Mehrheitsdeutschen abzugrenzen, um eigene Subjektivität überhaupt fühlbar werden zu lassen. Eh das nicht begriffen wird, hat eine weitere Debatte wenig Sinn.
netbitch - 10. Nov, 12:41

@istflut, das stimmt natürlich sehr, was Du da schreibst, mir ist auch noch niemand über den Weg gelaufen, die "Ich bin Positivistin!" sagt.


@che, das ist aber überhaupt das Problem in diesen Debatten und Pseudodebatten, dass in Klischees und Verallgemeinerungen gedacht wird. Schwarze, Feministinnen, PC-Sprech, das Alles ist zusammengenommen für bestimmte Leute entweder Feindbild oder nicht ernstzunehmen oder ein Klischee. Da werden dann automatisch alle Feministinnen, alle ihre Rechte verteidigenden MigrantInnen mit ödesten PC-Moralspacken gleichgesetzt, ohne irgendetwas empirisch zu prüfen. Wobei sich mir allerdings die Frage stellt, ob die diese rigide PC-Moralfraktion, die in gewissen Kreisen mal "Dominikaner" genannt wurden überhaupt kennengelernt haben.
che2001 - 10. Nov, 13:55

Mir stellt sich die Frage, ob mit dem Begriff "PC-Moralspacken" in dem von Dir gemeinten Sinne im von uns bewohnten Teil der Blogosphäre außer Dir, mir, Tuc, Workingclasshero, Nullzeitgenerator und Cassandra irgendwer etwas anfangen kann.
Beobachter (Gast) - 10. Nov, 16:06

Wenn man behauptet, dass es „vom Konsens einer Gesellschaft abhängig ist, was als Geschlechtlichkeit verstanden wird“, sollte man mal neuere Forschungsergebnisse konsultieren und wird finden, dass es da in allen Gesellschaften überraschend viele Gemeinsamkeiten gibt. Genau genommen so viele, dass sich diese Aussage so generell nicht halten lässt. Sehr interessant sind da die Bücher des Ethnologen Christoph Antweiler. Er sagt in einem Interview über kulturelle Universalien:

„Dass Frauen Kinder kriegen, ist selbstverständlich. Dass Frauen die Kinder aufziehen, ist dagegen biologisch nicht notwendig und trotzdem in fast allen Kulturen der Welt der Fall.“

Weitere Universalien sind etwa „Gastfreundschaft. Vetternwirtschaft. Inzestverbot: Man darf nicht Menschen heiraten, die mit einem verwandt sind. Das ist universal, auch wenn Verwandtschaft unterschiedlich interpretiert wird. Oder sexuelle Beschränkungen: Wir kennen keine Kultur, die ohne sexuelle Normen auskommt, obwohl ein Leben in Freizügigkeit immer wieder erträumt wird. Schließlich Gesten: Verneinung beispielsweise wird auf der ganzen Welt durch ein Abwenden des Kopfes ausgedrückt.“

Ein Großteil der Forschungen, auf die sich die Kulturrelativisten berufen, ist übrigens schlicht falsch. Z.B. diese:
„ZEIT Wissen: Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass auch die zeitvergessenen Hopi-Indianer und die zyklischen Zeitvorstellungen der Inder ein Mythos sind. Darauf fußen zahlreiche Ratgeber für gestresste Manager.
Antweiler: Völliger Kokolores. Jede Kultur hat ein lineares Zeitkonzept. Es gibt zwar Wiedergeburtsvorstellungen in Indien, aber im Alltagsleben denkt jeder Inder linear, teilt also den Zeitpfeil in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und den Hopi-Mythos verdanken wir dem Sprachwissenschaftler Benjamin Whorf, der behauptet hat, dass die Hopi nicht über Zukunft und Vergangenheit reden und daher auch nicht so denken. Viele Jahre später hat jemand in einer 600-seitigen Arbeit festgestellt, dass auch die Hopi Wörter für gestern und morgen kennen. Leider hat das niemand gelesen, und so blieben die Hopi-Indianer das Paradigma des extremen Kulturrelativismus.“
Über die Konsequenzen sagt er:
„Ich bin ein ziemlich unpolitischer Mensch, und daher finde ich auch die Grundmaxime des Kulturrelativismus richtig: Wir sollten nicht werten, denn alle Kulturen sind grundsätzlich gleichwertig und in sich stimmig. Ich warne aber vor übertriebenem Kulturrelativismus, der schnell in Kulturrassismus umschlägt. Der alte Rassismus hat gesagt: Wir leben in einer Welt, aber wir sind verschiedene Menschen, die gelben, die schwarzen, die roten und so weiter. Der Ultrarelativismus sagt: Wir sind alle Menschen, aber leben in völlig verschiedenen Welten, sprich Kulturen. Im Extremfall wird dann behauptet, die Kulturen seien inkompatibel und könnten sich nicht verständigen. Das ist wissenschaftlich nicht fundiert und politisch gefährlich.
http://www.zeit.de/zeit-wissen/2009/06/Interview-Antweiler

Genau das behauptet der Gender-Feminismus, dass Männer (am besten weiße heterosexuelle Männer) und Frauen (und Schwarze und Homosexuelle) inkompatibel seien. In praktische Politik umgesetzt dürfte er ähnliche Konsequnzen haben wie der klassische Rassismus, nur unter umgekehrten Vorzeichen.

netbitch - 10. Nov, 16:35

Die Perspektive des Beobachters vom Kopf auf die Füße gestellt

Das ist zwar alles sehr interessant und hinsichtlich Ethno- und Geschichtsmythen auch sicherlich voller Wahrheit, hier ist nun allerdings die Schlussfolgerung Kokolores. Der dekonstruktivistische Feminismus behauptet nicht, dass Männer und Frauen inkompatibel seien, sondern dass die biologistischen Rollenzuweisungen, die es für diese in den meisten Gesellschaften gibt, unfrei machen und überwunden werden sollten, auch, dass es "die Frau" und "den Mann" als Charaktertypus nicht gibt und wir unsere Vielseitigkeit und Variantenreichheit als Menschen überhaupt erst entfalten oder neu entwickeln müsssen. Dabei ist aber alle Gesellschaftlichkeit in unserer aktuellen Gesellschaft von einer patriarchalen Grundmatrix geprägt, die dafür sorgt, dass Frau und Mann sich nicht von gleich auf gleich begegnen, das gilt ebenso für homo-hetero und schwarz-weiß. Diese gesellschaftliche Ungleichheit wird wiederum als das zu Überwindende betrachtet, wobei sich exemplarische feministische Perspektiven/Debatten normalerweise primär mit den Hinderungsgründen für die Überwindung befassen.
John Dean (Gast) - 10. Nov, 17:59

Der Kropf und die Füße

Ich denke, ich glaube wirklich, man nähert sich der gesellschaftlichen Wirklichkeit stärker, wenn man sich nicht für jedes menschliche Lebewesen zwei oder drei "Füße" vorstellt, sondern sogar hundertfache "Füße" - wie bei einem Tausendfüßler, und im Gegensatz zu diesem sind die diskriminierenden "Füße" unterschiedlich lang, abhängig vom Untergrund - und mitunter sogar von der Uhrzeit.

Also nicht nur:

mann - frau
schwarz - weiß
homo - hetero (je nach Umfeld)

auch:

arm - reich (z.B. es soll auch wohlhabende Homosexuelle geben)
braun - schwarz (kommt vor)
weiß - weiß (weiß und weiß kann ausgesprochen zweierlei sein)
bisexeell - monosexuell
dick - dünn
behindert - unbehindert
trübsinnig - froh
migrantisch - eingesessen
schön - hässlich
verklemmt - enthemmt
krank - gesund
jung - arm
abhängig - unabhängig
energetisch - lahm
lang - kurz
bewundert - abgelehnt
konziliant - unhöflich
kämpferisch - lethargisch
Norden - Süden
einsam - sozial eingebettet
Praktikum - festangestellt
reich - sehr reich
arm - sehr arm
imperialistisch - friedfertig
antisemitisch - gleichrangig (und nicht: philosemitisch)
technologisch - natürlich
gebildet - ungebildet
politisch aktiv - politisch inaktiv
ausgebildet - ungelernt
experimentierfreudig - konservativ
Platte - Hausbewohner
Stromanschluss zu Hause - kein Stromanschluss zu Hause
kreativ - unkreativ
ökologisch - destruktiv verbrauchend
anarchistisch - präzis mülltrennend
beleidigend - freundlich
sarrazinistisch - vorurteilsfrei

(und es fehlt noch sehr vieles in dieser Auflistung)

Die Perspektive zur Befreiung der Menschen ist nicht einfach die, möglichst vielen Menschen "critical whiteness" beizubiegen oder Genderstrukk zu einem ausgewachsenen Schulfach zu machen. Ich bezweifele übrigens ganz erheblich, dass das schlichte Dasein in betont "dekonstruktionistisch-feministischen" Umfeldern/Gruppen bei sorgsamer Pflege von "PoC" und "non-PoC" unvermeidlich freier abläuft. Meine teils von Erfahrungen gespeiste Vermutung geht mehr dahin, das die konkrete Lage und sichtbare wie "wirksame Befreiung" innerhalb (!) politischen Gruppen/Umfelder fast "nur" das Ergebnis von den auch dort vorhandenen Machtstrukturen ist, deren konkrete Ausgestaltung eben nicht zuletzt auch eine Frage der jeweils beteiligten Individuen ist und bleibt.

Solidarisches Verhalten ist nicht einfach nur eine Frage des jeweils favorisierten theoretischen Ansatzes.

Tja.

Ich bin mir jedenfalls völlig sicher, dass der "PoC"-Ansatz in unseren Breitengraden annäherungsweise lächerlich ist, wenn er sich als allgemeine und vorrangig zu behandelnde Perspektive behauptet. Schon beim Thema Rassismus versagt die aus US-Diskussionen importierte (und in unserem Land bei den "Betroffenen" so gut wie völlig ungebräuchliche) PoC-Perspektive auf das Lächerlichste - weil wesentliche Linien des Alltagsrassismus (z.B. die weithin vorhandenen Probleme von "weißen" Migranten, gelegentlicher Antisemitismus und ein leider nicht nur gelegentlich-seltener Islamhass als Rassismussubstitut - usw. usf.) völlig (!) verfehlt werden, zugunsten einer selbstgewiss-akadamischen Arroganz, die nicht einmal in der Lage ist, angemessene Kritik zu empfangen oder sich auf annähernd sinnvolle Weise mit anderen Sichtweisen auszutauschen.

Ich denke, die hier Beteiligten werden in etwa wissen, was ich damit meine bzw. worauf ich anspiele. Ich halte es überdies für ausgesprochen bedenklich, wenn politische Ansätze bis zum Gehtnichtmehr als vorrangig betrachtet werden, deren allererste politische Potenz in der Spaltung und Konfliktstiftung innerhalb der politischen Linken liegt.

Dennoch - und auch daran halte ich fest, auch wenn ich bestimmte Ansätze für "sehr speziell", "als Generalperspektive insgesamt ungeeignet" oder sogar "kontraproduktiv" bzw. "schädlich" halte (und das tue ich - pardon): so sind in diesen und rund um diese Ansätze wertvolle Einsichten zu finden.

So finde ich es ausgesprochen interessant, wie die arrogantesten Vertreter des PoC-Ansatzes jede konstruktive Kritik bzw. Darstellung von Unzulänglichkeiten sogleich als "white supremacy" bashen.

Das ist einfach nur derbe sick.

@ Che

Ob nun für bestimmte Gruppen eine "eigene Sprache", die nicht zuletzt abgrenzend wirkt und für eine große Mehrheit unverständlich ist, wirklich hilfreich ist, um die eigene Lage zu verstehen, politisch zu bewältigen bzw. zu überwinden: das halte ich für eine ziemlich offene Frage.

Die Erfahrung der letzten Wochen deutet mir eher in die entgegen gesetzte Richtung. Es muss nicht immer sehr nützlich sein, wenn sich Menschen kaum noch verstehen...
istflut - 10. Nov, 19:30

@ "Positivistin" Die Frau, von der ich eben sprach - war das in diesem thraed? - , hatte die höchste Note im Vordiplom, oder wie das jetzt heißt, aber dann lernte die, dass sie krank sei, hielt das nicht aus, kein Abschluss, dabei hatte ich darauf vertraut, dass bei den Psych genug Leute sind, die diese ganze Foucoult-Sache draufhaben ... !

che2001 - 10. Nov, 22:14

@Dean: Klar gibt es all diese unterschiedlichen Unterdrückungsverhältnisse/Machtdiskrepanzen/hierarchisierten Beziehungen/Assymetrien, um das mal in Abstufungen zu behandeln. In der unterschiedslosen Nebeneinanderstellung übst Du Dich aber in einer postmodernen Beliebigkeit, die ich soooo nicht teilen würde;-)))


Sondern erstmal feststellen, dass da die gesellschaftlichen Grundwidersprüche prioritär sind, als es da gibt:

Patriarchat, Klassenwiderspruch, Rassismus, und Imperialismus, der sich wiederum als eine Art Schnittmenge aus diesen Komponenten ergibt.
John Dean (Gast) - 11. Nov, 17:08

Habe mal versucht, mich dem Ausgangsthema auf ganz andere Weise zu nähern. Hmm. Ein klares Ergebnis sieht anders aus.
aynur (Gast) - 11. Nov, 19:34

Naja, Lantzschi und Malte sind nicht Sascha Lobo, also nicht die Wichtigtuer an und für sich. Diese Aktion trifft also nicht ins Schwarze.
aynur (Gast) - 11. Nov, 19:53

@che (betrifft Sprachgebrauch Minderprivilegierter)

Wie RTL2 seine Zuschauer verroht, s. hier: http://bit.ly/vY6oV1

Hier bauen die Medien den bösen Buben auf. So ein richtig cooles Arschloch bauen sie auf, mit dem sich Minderprivilegierte identifizieren können. Einen Rapper, der frauen- und schwulenfeindliche Texte vorträgt. Ein richtig böses Arschloch. Der ist natürlich: Migrant. Was denn sonst?

Und was macht Alice Schwarzers Postille aus dieser Angelegenheit? Sie streichelt ihren Haß auf Migranten.

Noah Sow, wo stecken Sie? Sie haben doch bestimmt genügend Einsicht in die Musikbranche, und wissen, wie Musiker erfolgreich werden.

che2001 - 12. Nov, 01:39

Tja, was soll ich sagen? Habe heute abend eine Kulturveranstaltung moderiert, denke bei "Bushido" an den Ehrenkodex meiner früheren Sportarten Judo und Shorin-Karate-Do, kenne diesen Rapper gar nicht, liebe aber Rosenstolz und stimme denen erstmal zu. Und nu?
claire de lune (Gast) - 12. Nov, 08:50

momo bescheid sagen... Das ist eine fabelhafte Blogidee.

Rosenstolz ist nicht mein Fall; eher so u.a. Claude Debussy.
che2001 - 12. Nov, 13:57

Ich kann Noah ja mal fragen, ob sie hier kommentieren will.

Zum Musikgeschmack: Mein Spektrum reicht da von Sepultura bis Ligety, von Slime bis Philip Glass, ich höre ebenso gerne Strawinsky wie Klassenkampf-Rap, und getanzt wird zu Punk, Metal, Türkdisco, Balkanpunk, Oriental Kitchen oder Ska.



Is mich eins, Frau Krause, wie man bei uns zu sagen pflegt.
che2001 - 12. Nov, 19:14

Vorhin, auf der Metrostation

Da pöbelten sich eine Reihe junger Männer an, so im Schnitt 17, war aber auch ein Mittvierziger dabei. Die ganze Palette: "Alter, fick dich selber!", "Alter, isch fick deine Mutter!" "Du fickst doch deine Schwester!" "Ich schneid dir die Eier ab!" und so weiter, dazwischen allerlei Homophobes. Ich erkannte am Tonfall sofort, das das Wochenend-Migranten waren: Leute aus Magdeburg oder Rostock. Arisch bis dorthinaus.
claire de lune (Gast) - 13. Nov, 05:15

Kein Wunder...

In der Zone kann man VIVA und RTL2 inzwischen ja auch empfangen. Und Alice Schwarzer würde sagen, die da drüben hatten ja alle nicht ihren Feminismus gehabt. Echte Gleichberechtigung hat es deshalb noch nie gegeben, da drüben.

Ob die aus HRO oder MD kommen, müßte man ja am Dialekt heraushören können. Die aus Rostock klingen recht hübsch. Die aus Magdeburg schnoddern häßlich.
beobachter (Gast) - 16. Nov, 14:59

"Der dekonstruktivistische Feminismus behauptet nicht, dass Männer und Frauen inkompatibel seien, sondern dass die biologistischen Rollenzuweisungen, die es für diese in den meisten Gesellschaften gibt, unfrei machen und überwunden werden sollten, auch, dass es "die Frau" und "den Mann" als Charaktertypus nicht gibt und wir unsere Vielseitigkeit und Variantenreichheit als Menschen überhaupt erst entfalten oder neu entwickeln müsssen."

Aber man muss doch bei aller politischen Vehemenz die Realität zur Kenntnis nehmen, oder?

Wenn gilt "Ueberall gibt es Inklusion und Exklusion, die zumeist strikte Teilung in Eigen- und Fremdgruppe", wenn empirische Forschung dies feststellt: "Saemtliche Kulturen haben explizite Normen, die das Geschlechtsleben regeln. Es finden sich keine oder kaum Kulturen, die Jungen und Maedchen gleich sozialisieren, obwohl das durchaus denkbar waere", dann muss man die von dir genannten Grundlagen des "dekonstruktivistische Feminismus" vielleicht mal neu überdenken. Antweiler spricht in dem Zusammenhang von "Biophobie ".

http://www.antropologi.info/blog/ethnologie/2007/mehr_fokus_auf_die_gemeinsamkeiten_der_m

netbitch - 16. Nov, 15:24

Da es uns Feministinnen darum geht, eine neue, gerechtere Welt zu errichten als die Bestehende und alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen die Frau bzw. der Mensch an sich ein erniedrigtes und verachtetes Wesen ist so gibt es hier auch keinen Anlass, die eigenen Grundlagen neu zu überdenken. Auf der Grundlage weltweit verbreiteter sozialer Ungleichheit war dereinst auch die Sklaverei gerechtfertigt worden.
claire de lune (Gast) - 17. Nov, 15:25

Psychogramm eines gewissen Alphons...

Für diejenigen, die immer noch nicht genug an der Lampenposse haben: Von jemandem, der an der Geschichte indirekt beteiligt war, aber noch nie zu Wort kam:

http://Genelon.blogger.de/stories/1926066/

Die Kommentare beachten!

claire de lune (Gast) - 17. Nov, 17:37

Oje! Wie schwer muß dieser Alphons diesen Blogger verletzt haben! Er muß ja Dossiers über Alphons angelegt haben, daß er Jahre alte Geschichten ans Tageslicht bringen kann.
claire de lune (Gast) - 17. Nov, 21:38

Oje...

...der ist ja noch düsterer als der Alphons

http://Genelon.blogger.de/stories/1524126/

...der kann besser schreiben und insinuieren (wortreich in Grund & Boden argumentieren)...


...der Geschmack ist aber besser

http://Genelon.blogger.de/stories/1827392/
Beobachter (Gast) - 17. Nov, 16:12

"Da es uns Feministinnen darum geht, eine neue, gerechtere Welt zu errichten als die Bestehende und alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen die Frau bzw. der Mensch an sich ein erniedrigtes und verachtetes Wesen ist so gibt es hier auch keinen Anlass, die eigenen Grundlagen neu zu überdenken."

Als man den Philosophen Fichte mal darauf hinwies, dass seine Philosophie nicht mit den Tatsachen übereinstimme, antwortete er: "Um so schlimmer für die Tatsachen". Genau so klingt das hier auch.

Wir wissen ja aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts, wohin diese unreflektierten Versuche, die Verhältnissse umzustürzen, führen können, oder besser gesagt: eigentlich immer geführt haben.

Es reicht eben nicht aus, die richtige Gesinnung zu haben, wenn man gleichzeitig eine falsche Realitätswahrnehmung hat.

netbitch - 17. Nov, 17:25

Und wer die ríchtige Realitätswahrnehmung hat entscheidest Du?
noergler - 18. Nov, 17:40

Im Feudalismus hätte Beobachter – der stark nach El_Multinicko klingt, obzwar dieser Konservativismus der dummen Kerls pandemisch ist – erklärt, man sehe doch und könne buchstäblich mit den Händen greifen, dass der Wert aus dem Boden kommt, weswegen sog. „Arbeit“ nur ein Akzidens sei, eine ledigliche Assistenzfunktion des Substantiellen. Dies sei bekanntlich schon immer so gewesen und auch überall der Fall und es sei auch nicht vorstellbar, dass dies jemals sich ändere: Der Mensch erhält sich durch das, was aus dem Boden kommt.

Doch irgendwann wollten die Bürger diesen interessegeleiteten Scheiß einfach nicht mehr hören. Man sieht, wohin diese unreflektierten Versuche, die Verhältnisse zu lassen wie sie sind, führen können, oder besser gesagt: eigentlich immer geführt haben. –

Überall gibt es Mord und Totschlag. Wenn ich das uncool finde, leide ich dann an Mordophobie? Was sagt der Anthropologe? –

„Es reicht eben nicht aus, die richtige Gesinnung zu haben, wenn man gleichzeitig eine falsche Realitätswahrnehmung hat.“
Du mußt Dich nicht so verbiegen, Beobachter. Denn was Dir in Wahrheit stinkt, ist Netbitchs realistische Wahrnehmung der Wirklichkeit mitsamt ihrer Schlußfolgerung, dass da manches besser anders wäre. Da schnappt Deine Kritikophobie, im Volke besser als „biologischer (harhar) Antikommunismus“ bekannt, vollautomatisch ein. Dass da unvermeidlich „die Geschichte des 20. Jahrhunderts“ aufgerufen wird, ist ein allfälliges Stereotyp, das jegliches Nichteinverständnis als eine „Gesinnung“ denunziert, in deren Hintergrund schon der Gulag lauert.
Bitte mal bei aller politischen Vehemenz die Realität zur Kenntnis nehmen: Das Grauen wurde historisch immer von den Paladinen des Bestehenden veranstaltet, nie von den Kritikern. –

„Es finden sich keine oder kaum Kulturen, die Jungen und Maedchen gleich sozialisieren (...)“. Entgegen Deiner Intention dürfte das Wasser auf Netbitchs feministische Mühlen sein, denn dass es solche Kulturen gibt; dass es also möglich ist, ist die entscheidende Erkenntnis.
„Keine oder kaum“ – Oh Jahrhundert, oh Wissenschaft!
Nebenher könnte man auch dem Gedanken Raum geben, was wahrhaft allen Kulturen gemeinsam ist: dass sie den Stand der Freiheit allererst noch vor sich haben. Und da könnte so mancher Hund begraben sein. –

"Um so schlimmer für die Tatsachen" wird nicht Fichte sondern Hegel zugeschrieben. Wenn man in den Philosophen rumrührt, sollte der Löffel lang genug sein. Durch die Art und Weise, in der Du den Sinn dieser Anekdote nicht verstehst, aktivierst Du den in diesem Blog gelebten Bildungsauftrag:

Die Erkenntniskritik der Tradition stellt in der Formulierung des immanent Widersprüchlichen zugleich negativ die Figur des Anderen des Widerspruchs. Wenn die Empirie, die Tatsachenrealität unter der Formbestimmung der contradictio steht, dann zugleich unter dem Telos der Aufhebung der Kontradiktorik, da diese, qua Widerspruch, nicht stabil, nicht „bei sich selbst“ bleiben kann. Der Widerspruch wird entweder „aufgehoben“ – oder er kollabiert in der Katastrophe, ein Gedanke, dessen zweiter Teil Hegel verständlicherweise geradezu perhorresziert. Das ist die Konsequenz, die er nicht will, die er verbirgt, und der er kraft der von ihm entfesselten Logik doch nicht entgeht. Man muß etwas graben bei ihm, aber dann findet man den Abgrund: Was, wenn am Ende die Rechnung nicht aufgeht?

Möglich, dass wir in einer Zeit leben, die darauf die Antwort gibt. Denn so viele Rechnungen, die nicht aufgehen, hatten wir noch nie – schlimm für die „Tatsachen“, zu denen zuvörderst die Menschen selbst gehören.
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